7 Die Wittelsbacher und das Bier
Assoziativ wird deutsches Bier stets mit dem Bayerischen („deutschen“) Reinheitsgebot von 1516 verknüpft: „Alles, was gut ist, kommt ins Bier“, meint der Volksmund. Die Bestandteile Hopfen, Malz und Wasser sind gelernt, Hintergründe und Hinterfragen eher die Seltenheit. Konsumenten suchen nach schnellen, einfachen Lösungen. Das betrifft nicht nur „unser Bier“, sondern auch viele andere Konsumgüter: Nur wenig Zeit verplempern wir in der Regel bei Entscheidungen am Point of Sale.
Während die deutschen Brauer das 500. Jubiläum des Reinheitsgebots mit Pomp feiern und mit Stolz darauf verweisen, dass seit fünf Jahrhunderten ihr Bier nur aus Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe hergestellt wird, wird die internationale Brauwirtschaft diese Leistung höflich anerkennen und sich dann wieder dem Geschäft zuwenden. Kein Zweifel: das Reinheitsgebot hat zur Braukultur beigetragen. Aber die Zeiten ändern sich. Die alten Schlachtrufe „Reinheitsgebot versus Chemiebiere“ sind verhallt, der Bierdiskurs dreht sich längst um den Aufreger „Craft Bier oder Massenbier“.
Craft Brewing ist auch im Jubiläumsjahr des Bayerischen Reinheitsgebots eines der Stichworte unter den Trendgebern der Branche. Was das – wörtlich übersetzt – „handwerkliche Brauen“ tatsächlich bedeutet, wie mühsam die Arbeit noch Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sein muss, davon können sich die Teilnehmer einer ganz besonderen Veranstaltung der VLB Berlin ein Bild machen. Unter dem Motto „Real Craft Brewing – Brewing like 1900“ wird Brauhandwerk um die Jahrhundertwende hautnah erlebbar.
Die Herstellungsvorgabe, welche aus der in der bayerischen Landesordnung von 1516 erlassenen Brauvorschrift hervorgeht, ist äußerst knapp gehalten. Sie besagt, dass für Bier nur die Zutaten „Gerste, Hopfen und Wasser“ verwendet werden dürfen. Doch wie ist diese Botschaft nach den heutigen Rechtsvorgaben auszulegen?
Ab 1850 ist ein erneuter Aufschwung des Brauwesens zu verzeichnen, der wohl der einsetzenden Industrialisierung zu verdanken ist. Im technischen Bereich kam es mit der untergärigen Braumethode zu einer großen Veränderung im Brauprozess und zu einer Verschiebung in der rheinischen Bierlandschaft.
Nur wenigen Lebensmitteln ist es vergönnt, über kontinentale und kulturelle Grenzen hinaus universelle Akzeptanz zu erlangen. Bier gehört dazu. Wer heute ein Bier, beer, cerveja, cerveza, biru, bière, pivo, birra, øl usw. bestellt, dem wird – wo auch immer – ein bekömmliches, helles, gespundetes, filtriertes, kühles untergäriges Lagerbier serviert. Die Geschichte des Bieres reicht bis zu den Anfängen des sesshaften Menschen zurück [1]. Vor allem in Regionen mit hoher Getreideproduktion, in seefahrenden Nationen und in Städten hat man es getrunken und an seiner Verbesserung gearbeitet, denn es hat zwei Eigenschaften, die schon immer hoch geschätzt wurden…
Schon im 16. Jahrhundert erfüllten die Bierbrauer das, was man sich heute wünscht: Lebensmittel und Getränke, die gesund, natürlich und rein sind. Mit dem Reinheitsgebot aus dem Jahre 1516 legten Bayerns Herzog Wilhelm IV. und sein Bruder Herzog Ludwig X. genau das fest: Ins Bier gehören nur Wasser, Hopfen, Gerste und Hefe zum Gären. So konnten die anderen Getreidesorten für das Brotbacken verwendet werden und der Biergenießer sicher sein, dass sich keine schädlichen Substanzen im Bier befanden.
1970 legte Hans Huntemann der Georg-August-Universität zu Göttingen seine Dissertation zum Thema „Bierproduktion und Bierverbrauch in Deutschland vom 15. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts“ vor. Den Fokus seiner Arbeit legte er dabei auf messbare Größen wie Preise, Produktions- und Verbrauchsmengen oder Gewinne. Vom Ansatz her klingt dies nach einer trockenen, zahlenschwangeren Materie. Das trifft auch zu – doch zwischen den Zahlen des Wirtschaftswissenschaftlers finden sich faszinierende Einblicke in die Vergangenheit. Nehmen wir diesen Geburtstag des Reinheitsgebotes zum Anlass und folgen wir Hans Huntemann auf seiner Reise durch fünf Jahrhunderte.
Das Brauen war zur Zeit der Einführung des Reinheitsgebotes eine große Herausforderung und erforderte viel Erfahrung und Geschick. Erschwerend kam hinzu, dass die fertigen Biere nicht lange gelagert werden konnten. Beim Blick zurück stellt man aber auch fest: nicht alles hat sich im Brauprozess über die vergangenen 500 Jahre geändert.
Beim Reinheitsgebot hört für die einen der Spaß auf, für die anderen fängt er damit erst an, für manche beides. Das hat seit Jahrhunderten viele Gründe. Es ging und geht um fiskalische, protektionistische, preispolitische, verbraucherschützende oder ideelle Interessen, um Gewinnspannen, Marktanteile, Wettbewerbsvorteile und Qualitätsstandards ebenso wie um Genuss und kulturelle Identitätsstiftung – alles in allem überaus heikle Themen.
Hopfen, Wasser, Hefe und Malz, das sind die vier Zutaten, mit denen in Bayern traditionell Bier gebraut wird. Das in die Liste des immateriellen Kulturerbes Bayerns aufgenommene Bayerische Reinheitsgebot feiert 2016 seinen 500. Geburtstag. Das Jüdische Museum München nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, erstmals in einer Ausstellung Geschichte und Gegenwart des Biers in der jüdischen Tradition und Kultur zu beleuchten.
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