Giganten der Biergeschichte: Max Hayduck und Hopfenforschungszentrum Hüll
Hopfenforschung | In dieser Folge wird erstmals nicht nur eine Person, sondern auch eine Institution als „Biergigant“ gefeiert. Denn eine wesentliche Zutat, bzw. die Personen, die sich damit befasst haben, haben wir bislang nicht so recht gewürdigt: den Hopfen. Daher beginnen wir mit Max Hayduck, der zwar nicht nur Hopfenforschung betrieb, aber sehr frühe und wertvolle Impulse gab. 27 Jahre nach Hayducks Tod wurde in Hüll das Hopfenforschungszentrum gegründet. Diese Institution lässt sich nicht an einzelnen Personen festmachen. Daher gibt es hier die Ausnahme und ein Institut wird zum „Giganten der Biergeschichte“ ernannt.
Wenden wir uns zuerst Max Hayduck zu. Geboren wurde er am 22. August 1842 in Stralsund als Sohn eines Oberstleutnants. In der Familie legte man anscheinend großen Wert auf Bildung und Gelehrsamkeit. So studierte der ältere Bruder Michael klassische Philologie und wurde ein landesweit bekannter Altphilologe.
Über Kindheit und Jugend des jungen Max Hayduck ist nichts überliefert, aber nach der Schule studierte er in Greifswald Pharmazie und danach Chemie. Zu seinen Professoren gehörten die bekannten Koryphäen Heinrich Franz Peter Limpricht sowie dessen Doktorand (und später selber Professor) Franz Hugo Schwanert.
Hayduck dissertierte 1873 bei den beiden und verbrachte die nächsten sechs Jahre als Assistent im organischen Laboratorium der Gewerbe-Akademie in Berlin sowie als Lehrer in Landsberg/Warthe und in Potsdam.
Seine brauwissenschaftliche Laufbahn begann er 1879 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent an der Versuchsanstalt des Vereins der Spiritusfabrikanten (gegründet 1854). Hier begann er mit seinen Arbeiten, die er in Fachzeitungen veröffentlichte.
Seit 1878 gab es die „Zeitschrift für Spiritusindustrie“, die von Max Delbrück (Folge 9, BRAUWELT Nr. 4, 2022) herausgegeben wurde. Mit Delbrück verstand er sich offenbar so gut, dass die beiden ab Dezember 1883 gemeinsam die „Wochenschrift für Brauerei“ herausbrachten.
Im gleichen Jahr übernahm er auch die Leitung des technisch-wissenschaftlichen Laboratoriums sowie den Chemie- und Physikunterricht am Institut für Gärungsgewerbe in Berlin. Das Institut ging auf eine Initiative Delbrücks zurück und wurde maßgeblich vom Verein der Spiritusfabrikanten und der ein Jahr zuvor gegründeten VLB (Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin) finanziert.
Max Hayduck sollte dort bis zu seinem Lebensende aktiv sein, mit Ausflügen als Lehrer zur VLB (im ersten Studiengang 1888 unterrichtete er dort den 33 Teilnehmern Naturlehre).
Über Spirituosen zum Bier
In Berlin begann Hayduck, sich bevorzugt mit den Rohstoffen zu befassen. Er machte systematische Ernährungsversuche mit der Hefe, bei denen er nachwies, wie die Gärkraft und der Stickstoffgehalt zusammenhingen (zeitgenössisch beschrieben: „in inniger Beziehung zueinander stehen“).
Auch zur Regeneration der Bierhefe lieferte er wertvolle Anregungen. Er untersuchte Gersten- und Malzsorten im Hinblick auf ihre diastatische Kraft und empfahl die großkörnigen, eiweißärmeren Sorten den Brauern und die kleineren, stickstoffreicheren den Brennern.
Aber beim Hopfen gewann er die wichtigsten Erkenntnisse. Als einer der Ersten untersuchte er die Hopfenharze und ihre Gerbstoffe und wies in seiner Veröffentlichung 1888 als Erster die antiseptische Wirkung gewisser Hopfenbestandteile nach.
Leider zu dieser Zeit noch ohne Folgen, denn gegen die Volksseuche Tuberkulose (auch Schwindsucht genannt) wurden verzweifelt Gegenmittel gesucht. Robert Kochs Erkenntnisse bezogen sich nur auf den Erreger, nicht auf dessen Bekämpfung.
Max Hayduck verstarb am 5. Oktober 1899 in Berlin. Über die Ursache seines frühen Todes mit 57 Jahren ist ebenso wenig bekannt wie über sein Privatleben oder seine Familie.
Interessant ist aber in diesem Zusammenhang die Verbindung der Familien Hayduck und Delbrück: Der ältere Bruder, der Altphilologe Michael Hayduck, heiratete Max Delbrücks Schwester Emilie Ida Charlotte Delbrück aus Bergen auf Rügen. Ihr Sohn, Friedrich Hayduck (geb. 1880), also Max Hayducks Neffe, wurde später ebenfalls ein bekannter Brauwissenschaftler und Professor für chemische Technologie in Berlin, gemeinsamer Zeitungsherausgeber mit Max Delbrück und später sogar dessen Nachfolger als Herausgeber des Illustrierten Brauerei-Lexikons.
An dieser Stelle sei einmal ein Zitat aus der Deutschen Biographie gestattet: „Es ist Hayducks Verdienst, für das Gärungsgewerbe theoretisch-wissenschaftliche Grundlagen der Chemie und Biochemie erarbeitet und diese auf die Praxis übertragen und dort überprüft zu haben. Seine Studien über die Harze und den Gerbstoff des Hopfens brachten wesentliche Fortschritte für die Bierkonservierung.“
Die wichtigste Nachfolge von Hayduck auf diesem Gebiet erfolgte dann aber nicht mehr in Berlin, sondern ab 1902 an der TU München-Weihenstephan durch Karl Lintner (Folge 40, BRAUWELT Nr. 5, 2025).
Von Berlin nach Bayern
Womit wir in Bayern wären. Hüll ist ein Ortsteil von Wolnzach im Herzen der Hallertau. Die Hallertau ist nicht nur Fachleuten geläufig als das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Das war aber nicht immer so. Dazu ist eine kurze Zusammenfassung der Geschichte des Hopfenanbaus erforderlich.
Für Jahrhunderte war Hopfen, obwohl lange schon bekannt, keine essentielle Zutat zum Bier. Im Frühmittelalter, im 8. Jahrhundert, fand er erstmals Erwähnung in Form eines Hopfengartens in Weihenstephan. Hildegard von Bingen (Folge 28, BRAUWELT Nr. 50, 2023) beschäftigte sich viel mit Hopfen und pries seine Eigenschaften. Aber bis zum professionellen Hopfenanbau sollte es noch dauern.
Die Brauer betrieben alle eigene Hopfengärten und ernteten ihren Hopfen direkt vor Ort. Ab dem 17. Jahrhundert wurden einzelne Regionen bekannt für ihren besonders guten Hopfen: Böhmen (Saaz), Mittelfranken (Spalt und Hersbruck) oder die Bodenseeregion (Tettnang). Dort wandelten sich die Menschen von Eigenbedarfs-Hopfengärtnern zu professionellen Hopfenbauern. Weltmarktführer im Hopfenhandel wurde Nürnberg.
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte der Hopfenhandel eine besondere Dynamik. Die Eisenbahn machte den Anbau vor Ort überflüssig. Überschüsse beim Anbau, bessere Kommunikation und internationaler Handel veränderten die Branche von Grund auf. Ebenso die Tendenz zu Großbrauereien.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Überproduktion derart gravierend, dass die bisher tonangebenden Gebiete schrumpfen mussten. Der Niedergang bis zum 1. Weltkrieg war nicht mehr aufzuhalten. Gleichzeitig wuchs die Anbaufläche in der Hallertau. Die Anbaustruktur dort war anders, eher gemischt, man konnte die Preiseinbrüche beim Hopfen leichter verkraften als die Monokulturen in Spalt oder Tettnang.
Es kamen schwere Zeiten für den Hopfen. Im 1. Weltkrieg sank die Anbaufläche um etwa 75 Prozent – Hopfen war keine kriegswichtige Ernährung. Und als es in den Jahren danach, aller Inflation und Krisen zum Trotz, gerade wieder aufwärts ging, kam ab 1924 eine entsetzliche Seuche über den Hopfen: die Pilzkrankheit „Falscher Mehltau“ (Pseudoperonospora humuli). Sie wütete derart schlimm, dass man 1926 die völlige Vernichtung des deutschen Hopfenanbaus befürchten musste.
1926: Der Wendepunkt für die Hopfenforschung
Das geschah zum Glück nicht. Das Jahr 1926 wurde stattdessen zum schicksalhaften Wendepunkt für die Hopfenbranche. Auf Betreiben der Brauereiwirtschaft wurde in diesem Jahr die Gesellschaft für Hopfenforschung (GfH) gegründet und das Gut Hüll in Wolnzach als Sitz eines Forschungsinstitutes erworben.
Seither ist dieses weltweit einzigartige Institut aus der Hopfen- und Bierwelt nicht mehr wegzudenken. Dessen Zielsetzungen haben sich seit der Gründung nicht wesentlich geändert:
- Züchtung neuer Hopfensorten mit hervorragender Brauqualität, guter Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge, guten agronomischen Eigenschaften; auch unter Berücksichtigung der Klimaveränderungen;
- umweltgerechte und qualitätsorientierte Hopfenproduktion durch Entwicklung neuer Anbautechniken und umweltschonender Produktionstechniken – mit optimierter Düngung zur Vermeidung von Grundwasserbelastung und zur Minimierung des Nitratgehaltes im Hopfen, Verminderung von Bodenerosion und Nitratauswaschung durch Einsaat von Gründüngungspflanzen; Entwicklung optimaler Trocknungs- und Konditionierungsverfahren zur Sicherung der Brauqualität bei reduziertem Energieaufwand sowie Optimierung der Bewässerung;
- Entwicklung von Strategien zur Kontrolle von Schadorganismen durch Versuche zur optimierten Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ohne schädliche Rückstände und mit höchster Umweltverträglichkeit, Entwicklung von Bekämpfungsschwellen und Prognosemodellen, Prüfung geeigneter Pflanzenschutzmittel, Optimierung der Spritztechnik sowie der Entwicklung alternativer Methoden zur Kontrolle von Schädlingen;
- Analytik aller wichtigen Inhaltsstoffe des Hopfens und Entwicklung neuer Analysemethoden (Bitterstoffe, ätherische Öle, Polyphenole), Organisation und Auswertung von Ringanalysen zur Qualitätssicherung bei der α-Säurebestimmung.
Seit den 1970er-Jahren ist der Freistaat Bayern per Kooperationsvertrag am Forschungszentrum beteiligt. Zusammen mit der Gesellschaft für Hopfenforschung e.V. sorgen die Träger für eine finanzielle Grundlage dieser wichtigen Arbeit, aber auch dafür, dass die Arbeit in Hüll nicht von Kostendruck oder zu starken kommerziellen Erwägungen geleitet wird.
Heute ist das Hopfenforschungszentrum Hüll in das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft eingegliedert und bietet seinen Mitgliedern unentgeltlich die erforderlichen Versuchsflächen für die Züchtung neuer Sorten, ein Institutsgebäude mit modernsten Laboreinrichtungen, drei Gewächshäuser (1100 m2) sowie Gebäude und Einrichtungen für den Versuchshopfenanbau.
Von Hüll in alle Welt
Erfolgreiche Züchtungen werden in alle Welt verkauft. 2020 wurden beispielsweise auf etwa 84 Prozent allein der deutschen Hopfenanbauflächen Züchtungen aus Hüll angebaut. Bedeutende Zuchterfolge waren die Bittersorten Herkules und Hallertauer Magnum sowie die Aromasorten Perle, Hallertauer Tradition, Spalter Select, Saphir sowie zuletzt Mandarina Bavaria, Hallertau Blanc, Huell Melon, Callista und Ariana.
Seit 1988 hat das Institut Nachbarn aus den USA, mit ähnlichen (hopfigen) und doch ganz anderen (kommerziellen) Intentionen. Die Brauerei Anheuser-Busch (Folge 10, BRAUWELT Nr. 12-13, 2022), damals noch im Besitz der Amerikaner, hatte neben den Hüller Hopfenforschern ein 32 Hektar großes Versuchs-Hopfengut, die „Busch-Farm“, gekauft. Dort konzentriert man sich seither jedoch auf Hochalphasorten wie Herkules und mehr auf den eigenen Bedarf, der mittlerweile konzernweit bei AB-InBev ermittelt wird.
Es ist unmöglich, beim Hopfenforschungszentrum Hüll einer einzelnen Person zu danken für die unschätzbare Arbeit, die dort seit 100 Jahren geleistet wird. Daher geht ein kollektiver Dank auf diese Weise hinaus an die „Biergiganten“ in Hüll.
Und sollte sich der eine oder andere Leser einmal in die Hallertau aufmachen, am besten zur Hopfenernte, gibt es außer dem Institut in Wolnzach auch ein wunderbares Hopfenmuseum zu besichtigen.
Quellen
- Delbrück, M. et al.: Illustriertes Brauerei-Lexikon, Parey Verlag, Berlin, 1925.
- Teich, M.: Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland 1800-1914, Böhlau Verlag, Wien, 2000.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Hayduck, abgerufen am 14.04.2025.
- https://www.deutsche-biographie.de/gnd117508691.html#ndbcontent, abgerufen am 14.04.2025.
- Sonderausgabe „125 Jahre Brauwelt“, BRAUWELT, August 1986.
- https://www.hopfenmuseum.de/tuberkulose/, abgerufen am 14.04.2025.
- https://www.hopfenforschung.de/, abgerufen am 14.04.2025.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Hopfenforschungszentrum_H%C3%BCll, abgerufen am 14.04.2025.
Schlagworte
Deutschland Bayern Historisches Porträt
Autoren
Günther Thömmes
Quelle
BRAUWELT 15, 2025, S. 539-541