„Getränke-Fermentation – Quo vadis?“
Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität | Auch wenn es sich das Team um Dr. Mathias Hutzler sicherlich anders gewünscht hatte – das 9. Seminar Hefe und Mikrobiologie des Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität fand am 30. März 2022 in weiser Voraussicht als Online-Seminar statt.
Die Organisatoren hatten mit fünf Themen ein relativ kurzes Programm zusammengestellt, wohlwissend, dass bei langen Online-Seminaren die Konzentration schnell nachlässt. Dafür passte die thematische Abstimmung: Erfahrungsberichte „alter Hasen“ mischten sich mit aktuellen Forschungsthemen. Den Abschluss bildete ein Doppelvortrag von Dr. Hutzler und Dr. Martin Zarnkow zur Frage „Getränke-Fermentation – Quo vadis?“, der Rückblick, Gegenwart und Ausblick verband. Aber der Reihe nach …
Den Anfang machte Prof. Werner Back mit einem Vortrag zum Nutzen und zur Anwendung der biologischen Säuerung in der Brauerei. Kein neues, aber ein sehr aktuelles Thema, da es zuletzt Probleme mit einigen Sauergutanlagen in der Praxis gegeben hatte, wie Dr. Hutzler eingangs berichtete. Prof. Back gab einen komprimierten Überblick über die biologische Säuerung, über geeignete Sauergutkulturen (v.a. Lactobacillus amylolyticus), technologische Vorteile (Verbesserung der Bierstabilitäten) und geeignete Anlagen, schilderte aber auch Problemfälle und mögliche Lösungen dafür. Zuletzt ging er auf die Herstellung eines Pilsbieres im Hochkurzmaischverfahren mit biologischer Maischesäuerung ein.
Kombinierte Forschung
Der dann folgende Vortrag basierte auf Themen, über die die BRAUWELT schon berichtet hatte (vgl. BRAUWELT Nr. 10, 2020, S. 266–270 und Nr. 42, 2020, S. 1098–1101): Die jüngsten Arbeiten von Andreas Laus über isothermes Maischen sowie die von Yvonne Methner über neuartige Spezialhefen ergeben in der Kombination einen alternativen und reinheitsgebotskonformen Weg zur Herstellung von alkoholfreiem Bier. Die beiden präsentierten das durchaus zeitsparende Verfahren mit geringem technologischen Fermentationsaufwand sowie vielversprechende erste Verkostungsergebnisse.
„Beginnen wir unseren Infektionsrundgang“
„Haben wir die Biologie unserer Brauereien und Getränkebetriebe heute wirklich im Griff?“, fragte BLQ-Urgestein Dr. Klaus Litzenburger mit Blick auf die Reinigung & Desinfektion. Mit „Beginnen wir unseren Infektionsrundgang“ startete er eine Bilderreise, die das bezweifeln lässt. Gleich, ob Sudhaus, Gär- und Lagerkeller, Filter- und Drucktankkeller oder in der Füllerei – überall, wo es Dichtungen, Leitungen und Schweißnähte gibt, warten Keime. Auch wenn sich viel getan habe, sei noch lange nicht alles gut, zumal sich eine dünne Personaldecke im Betrieb sofort bei der Zahl der Kontrollgänge und Probennahme bemerkbar mache. Ein weiteres Problem sei der blinde Verlass auf automatische Systeme und den Erfolg vorbeugender Maßnahmen. „Absolute Sicherheit wird es nie geben, aber wir müssen das Potenzial für Infektionen möglichst klein halten“, sagte er.
Eine Kontamination mit Saccharomyces cerevisiae var. diastaticus ist zwar nicht die häufigste Kontamination in der Brauerei, aber eine mit gravierenden Folgen, wenn man an die Berstgefahr von Flaschen denkt. Eine schnelle Analytik hierzu wäre wünschenswert … Oliver Kunz gab in seinem Beitrag eine Übersicht über moderne Detektionsmethoden wie MALDI-ToF oder DNA-basierte Methoden und stellte neueste Entwicklungen im Sequenzierbereich wie z. B. Next-Generation-Sequencing vor. Sein Ziel ist, diese Technik für die Qualitätssicherung in Brauereien zu erforschen und verfügbar zu machen.
Reinzucht versus natürliche Reinzucht
Den Abschluss bildete der bereits erwähnte Beitrag „Getränke-Fermentation – Quo vadis?“ von Dr. Mathias Hutzler und Dr. Martin Zarnkow mit dem Schwerpunkt auf Rohstoffe und mögliche Verfahren.
Zunächst gab es einen kurzen Rückblick: Bis 1883, als Emil Christian Hansen die Reinzucht-Technologie entwickelte, gab es ausschließlich Mischfermentationen. Hansens Idee einer Reinzucht auf Basis einer einzigen Hefezelle stand diejenige von Max Delbrück gegenüber. Dessen „natürliche Hefereinzucht“ ließ eine Entwicklung der Hefepopulation zu, so dass sich eine stabile Mischpopulation im Hefetank entwickelt. „Laut eigener Studie sind ca. 15 Prozent der Hefeanlagen in der Praxis bereits kontaminiert. Machen wir also wirklich Reinzucht nach Hansen oder vielleicht doch schon Reinzucht nach Delbrück?“, fragte Dr. Hutzler.
Mischfermentationen könnten hinsichtlich aktueller Trends (vegane Getränke) oder bei Allergien vorteilhaft sein. Hutzler und Zarnkow stellten verschiedene Rohstoffe sowie Herausforderungen und Möglichkeiten von Mischfermentationen vor und verwiesen auf den in der BRAUWELT veröffentlichten vierteiligen Überblick über „Fermentierte Getränke der Welt“ (BRAUWELT Nr. 30-31, 2013; Nr. 40–41, 2013; Nr. 42, 2013 und Nr. 46-47, 2013): „Da gibt es tolle Getränke, von denen Sie noch nie etwas gehört haben! Unser Ziel heute ist es, Ihnen eine Idee davon zu geben, was man alles machen kann. Es gibt unbegrenzte Möglichkeiten für die Getränketechnologie.“
Mit vielen hilfreichen Tipps und Anregungen versorgt entließen die Organisatoren die Zuhörerschaft aus dem Online-Seminar, alle miteinander hoffend, dass es zum zehnjährigen Jubiläum eine Präsenzveranstaltung geben kann, die an dieser Stelle mit einem gemeinsamen Bier und guten Gesprächen weitergehen wird.
Schlagworte
Hefe Mikrobiologie Forschung Seminar
Autoren
Lydia Junkersfeld
Quelle
BRAUWELT 16, 2022, S. 369-370