Was versteht man unter einem Saison-Bier?
Ursprünglich wurden Saison-Biere in Wallonien, genauer gesagt im Hennegau in Belgien, hergestellt und dienten den Saison-Arbeitern, also den Erntehelfern, als Nahrungsgrundlage sowie als keimfreies und damit gesundheitlich unbedenkliches Getränk während der heißen Sommer- bzw. Erntezeit. Die Biere wurden im Winter eingebraut und reiften bis in den Sommer aus, bis sie trinkfertig waren.
Jeder Arbeiter hatte Anspruch auf mindestens fünf Liter Bier pro Tag, woraus sich schließen lässt, dass die Biere einen geringen Alkoholgehalt aufgewiesen haben müssen. Aufgrund verbesserter hygienischer Verhältnisse wurden im 20. Jahrhundert die rechtlichen Grundlagen geändert, die den Erntehelfern bis dahin zugestanden hatten, dieses Bier in ausreichender Menge zu konsumieren.
Rasch wurde daraufhin das Saison-Bier zur Randerscheinung und war gegen Ende des 20. Jahrhunderts fast in Vergessenheit geraten. Nur eine Handvoll belgischer Brauer brauen die Biere bis zum heutigen Tag, wobei der Alkoholgehalt bei den heutigen belgischen Saison-Bieren eher bei ca. sechs Vol.-Prozent liegt.
Interpretationen
Die US-amerikanischen Craft Brauer entdeckten diesen Bierstil Anfang des neuen Jahrtausends für sich und interpretierten ihn häufig unter dem Begriff „Farmhouse Ales“ neu. Die Interpretationen sind nahezu grenzenlos: Während die Biere früher eine bräunliche Färbung aufwiesen, sind die meisten Vertreter heute von heller Farbe.
Die Stammwürzen schwanken von sechs bis 20 Prozent. Dementsprechend besitzt auch der Alkoholgehalt eine große Bandbreite und erstreckt sich zwischen den früher üblichen 2,5 bis 3,5 Vol.-Prozent, bis hin zu 8,5 Vol.-Prozent.
Manche Brauer verwenden Brettanomyces-Hefen, die womöglich auch in den ursprünglichen Saison-Bieren enthalten waren. Die früheren Saison-Biere hatten sicherlich höhere Säuregehalte als die Biere heute.
Dass die Saison-Biere früher hopfengestopft wurden, ist eher unwahrscheinlich. Trotzdem wird die Kalthopfung gerade bei den US-amerikanischen Craft Brauern auch auf diesen Bierstil übertragen.
Früher wurden bisweilen Gewürze wie Pfeffer, Koriander oder Piment beigegeben. Oftmals aber eher, um auftretende Geschmacksfehler auszugleichen. Heute werden gelegentlich ebenfalls Gewürzbeigaben verwendet – v.a. Ingwer. Gewürze sind allerdings kein Muss in Saison-Bieren.
Vielleicht auch aufgrund der so unterschiedlichen Varianten und Interpretationen erfreut sich dieser Bierstil heute immer größerer Beliebtheit und wird von vielen Craft Brauern heute weltweit hergestellt. Inzwischen ist der Begriff „Saison“, der im englischen Sprachgebrauch auch mit „Session“ übersetzt wird, sogar zum Gattungsbegriff für leichtere Versionen und Varianten verschiedenster Ale Biere mutiert. Die Biere wurden zum Inbegriff unbeschwerter und trotzdem geschmackvoller Durstlöscher und befinden sich weiter im Aufwind.
Saison-Biere hat es natürlich auch in Deutschland gegeben. Bei uns hießen und heißen sie „Erntebiere“ (in Bayern auch „Scheps“ genannt). Bei uns sind die Biere jedoch untergärig und natürlich nach dem Reinheitsgebot gebraut. Bislang fristen sie ein eher bescheidenes Dasein. Bleibt abzuwarten, ob diese Biere künftig auch so variantenreich interpretiert werden und einen ähnlichen Aufschwung wie ihre belgischen Verwandten erleben.
Schlagworte
Craft Bier Bierstile Die Doemens-Frage des Monats
Autoren
Wolfgang Stempfl
Quelle
BRAUWELT 19, 2018, S. 539
Firmen
- Doemens e.V., Gräfelfing, Deutschland