Walter König fasste die dramatische Entwicklung der weltweiten Getreidemärkte zusammen
26.04.2022

Herausforderungen jenseits des Klimawandels

Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der TU München | Nach einem Jahr Unterbrechung wegen der Corona-Pandemie konnten sich die Teilnehmer des Rohstoffseminars in Weihenstephan endlich wieder in Präsenz treffen. Zwar nicht zum gewohnten Termin Mitte Februar, sondern am 4. April 2022.

Die Veranstaltung war wegen der Anfang des Jahres noch sehr hohen Inzidenzen verschoben worden. Da die TU München noch keine Räume für größere Veranstaltungen freigegeben hatte, fand das Rohstoffseminar im Konferenzzentrum des Munich Airport Marriott Hotels in Freising statt.

Schirmherr Walter König, Braugerstengemeinschaft e.V., oblag es in seiner Begrüßung, den Teilnehmern ein Bild der alten und neuen Herausforderungen auf dem Rohstoffsektor zu zeichnen. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich seit dem 24. Februar 2022 die bereits angespannte Lage der Rohstoffmärkte nach der Ernte 2021 noch einmal dramatisch gewandelt, so König. Russland und die Ukraine zusammen exportieren rund 30 Prozent der weltweit gehandelten Gerste. Angesicht der zu erwarteten Ernteausfälle und weil bereits erste Gerüchte darüber kursieren, dass Landwirte der Schwarzmeerregion ihre Bestände aufgrund von Treibstoffmangel nicht führen könnten, explodieren weiterhin die Preise in Höhen, in denen die Luft dünn wird. Selbst aus dem Südwesten Deutschlands werde bereits über Lieferungen von Getreide an die norddeutschen Hafenstandorte nachgedacht, so König. Positiv sei immerhin zu vermerken, dass die Aussaat von Braugerste 2022 bisher unter guten Bedingungen erfolgte. Die Aussaatfläche von Sommergerste konnte um gut neun Prozent zulegen, dies kompensiere allerdings lediglich die Flächenverluste der letzten Jahre.

Der Einfluss von Trockenstress

Mit der Herausforderung Trockenstress beschäftigt sich Felix Hoheneder vom Lehrstuhl für Phytopathologie der TU München. Die globale Erwärmung erhöht den bodenbürtigen Krankheitsdruck, das erschwert auch die Kontrolle von Ährenfusariosen an Gerste, die sowohl unspezifische Symptomatik als auch starke jahres- und wetterabhängige Schwankungen zeigen. Eine Trockenheit vor der Blüte kann dabei durchaus die Anfälligkeit der Pflanzen für Infektionen senken, während Trockenheit nach der Blüte die Anfälligkeit der Pflanzen dramatisch erhöht. Gene, die die Pflanze als Verteidigungsreaktion auf Pilzinfektionen ausprägt, könnten in Zukunft zum Verständnisses der Beziehungen von Genotyp zur Umwelt beitragen und auch Züchtungsansätze liefern, so Hoheneder.

Klimawandel und Sudhausarbeit

Stefan Hör, Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie (BGT), berichtete von Fortschritten bei der Erforschung des Zusammenhangs von Witterung und Verkleisterungstemperatur (VKT). Eigentlich sei es besser als Verkleisterungsbereich zu bezeichnen, so Hör. Denn die Temperaturspanne, in der verschiedene Fraktionen der Gerstenstärke verkleistern, kann durchaus bis zu 15 °C betragen. Die Temperatur während der Kornfüllungsphase im Juni und Juli hat den größten Einfluss, wobei auch geringe Niederschläge in dieser Phase die VKT nach oben schnellen lassen. Bis das Projekt „Stärkequalität und Trockenstress“ (Projektverbund BayKlimaFit2), das Hör vorstellte, züchterische Lösungsansätze hervorbringen kann, bleiben für die Praxis vorerst nur das Erkennen und Verschneiden problematischer Chargen und die individuelle Anpassung der Maischeparameter auf das fragliche Malz.

Karl Weigt beleuchtete verborgene Potentiale zur Energieeinsparung in der Mälzerei

Nachhaltigkeit liegt in der Sorte

„Wieviel Nachhaltigkeitspotential steckt im Mälzungsprozess?“, fragte Karl Weigt, bmt Weigt. Eine ganze Menge, denn knapp 50 Prozent der gesamten Treibhausgasemission der Bierherstellung entfallen auf die Rohstoffe, und davon wiederum etwa 15 Prozent auf die Vermälzung. Umstellen auf Biogas, Solar-Eigenstrom, BHKW? Ja, das verringert die Auswirkungen des Energieverbrauchs, aber nicht die Ursache, sagt Weigt. Das größte Potential zu wirklichen Energieeinsparungen sieht Weigt in den neuen Sorten, die bereits bei niedrigen Weichgraden von 39 Prozent die geforderten Spezifikationen erreichen. Für eine Mälzerei mit 50 000  t/a Produktion ergibt sich nach Modellrechnung ein spektakuläres Einsparpotential von über einer Mio EUR pro Jahr. Die lebhafte Diskussion nach dem Vortrag ergab weitere Anregungen (z. B. verlängerte Keimdauer, höherer Wassergehalt im getrockneten Malz), über die die Mälzer und Brauer in Zukunft nachdenken könnten.

Technologisches Seminar 2022
4.-6. April 2022, Freising

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