Jubiläumsfeier in der „schönsten Zeche der Welt“
Am 13. März 2019 feierten die Freien Brauer ihr 50. Jubiläum in oder wie man im Ruhrgebiet sagt „auf“ Zeche Zollverein in Essen. Über 180 Gäste konnte Präsident Axel Stauder zum Festakt im Casino des eindrucksvollen Industriedenkmals, das als „schönste Zeche der Welt“ gilt, begrüßen. In seiner Rede ließ er die letzten 50 Jahre seit Gründung der – damals noch – Brau-Kooperation kurz Revue passieren (vgl. BRAUWELT Nr. 10, 2019, S. 258-260). Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen für familiengeführte Brauereien sagte er: „Ein kollegialer Austausch ist derzeit wichtiger als je zu vor.“
Statt des dann üblicherweise folgenden Grußworte-Reigens hatten sich die Freien Brauer – ganz im Sinne einer ihrer sieben Werte – die große Freiheit genommen und zwei Podiumsdiskussionen aufs Programm gesetzt.
Regionalität, Experimentierfreudigkeit und Kommunikation
In der ersten Runde, moderiert von Dieter Klenk, Konzept & Service, und BRAUWELT-Redakteurin Lucia Baier, diskutierten Johannes Ehrnsperger, Max Spielmann und Niklas Zötler als Vertreter der Freien Brauer mit Stefan Soiné, Deutscher Mälzerbund, Dr. Johann Pichlmaier, Verband Deutscher Hopfenpflanzer, und Walter König in seiner Doppelfunktion als Vertreter der Braugerstengemeinschaft und der Gesellschaft für Hopfenforschung über aktuelle Rohstoffthemen. Auf die Frage, wo es ein Differenzierungspotenzial gibt, wenn in allen Rohstoffbereichen eine hervorragende Qualität zur Verfügung steht, erklärte Dr. Pichlmaier: „Beim Hopfen geht das ganz klar über die Sorten. Und hier möchte ich die Brauer dazu aufrufen, sich rechtzeitig mit neuen Sorten zu befassen, unabhängig davon, wie die eingestuft sind – als Bitter-, Aroma- oder Flavour-Hopfen, da diese Kategorisierung ohnehin sehr grob und eigentlich gar nicht richtig zutreffend ist –, einfach deshalb weil die Lösung der Probleme, die durch den Klimawandel entstehen, Züchtung heißt.“
„Die Vielfalt der Malze sollten wir spielen und da sind Sie als Freie Brauer prädestiniert dazu, um das auszuprobieren und zu experimentieren“, ergänzte Stefan Soiné zu diesem Thema. Regionale Rohstoffbeschaffungskonzepte wurden dabei als eine weitere Möglichkeit zur Differenzierung angesprochen – allerdings mit der Einschränkung, dass nicht alle Brauereien regionale Rohstoffe verwenden können, v.a. wenn sie nicht in der Nähe eines Hopfenanbaugebietes liegen. Auf die Frage, was sich an der Zusammenarbeit der Freien Brauer mit den Rohstoffpartnern noch verbessern lässt, äußerte Max Spielmann, Weldebräu, den Wunsch, die Kommunikation zwischen Erzeugern und Brauern noch offener zu gestalten und von Brauerseite öfter ein Feedback zur Verarbeitbarkeit der einzelnen Produkte an die Rohstoffhersteller zu geben.
Vom Sudhaus zum Markt
Die zweite Podiumsdiskussion stand unter dem Motto „Vom Sudhaus zum Markt“ und brachte Sebastian Benedikt Priller, Nikolaus Wagner und Jürgen Nordmann als Vertreter der Freien Brauer mit den Vertriebspartnern Ralf Schlüter, Rewe, Heiner Müller, Einkaufsring Getränkefachmärkte, und Andreas Vogel, Geva, ins Gespräch. Schlüter sah das zuvor schon angesprochene Thema Regionalität – und damit auch Nachhaltigkeit und Wertschöpfung – als eine besondere Vermarktungsmöglichkeit, die mittelständische Brauereien unbedingt nutzen sollten. „Was für uns spricht: Wir stehen für eine langfristige Wertschöpfungsstrategie vs. einer kurzfristigen Volumenstrategie. Wir bieten ein gutes Sortiment, Authentizität, einen guten Stücknutzen und wir bieten einen Gegenpol zu den Großen. Wir brauchen uns gegenseitig und wir müssen in die gleiche Richtung gehen“, betonte Priller. „Heiße Eisen“ wie Pfanderhöhung und Individualflaschen wurden in dieser Runde ebenfalls angeregt diskutiert.
Doppelbock gibt’s auch im Bergbau
Nach den beiden äußerst lebendigen Gesprächsrunden stand eine Besichtigung der 1932 fertig gestellten Zeche Zollverein auf dem Programm, bei der die Brauer lernten, dass es auch im Bergbau einen Doppelbock gibt – so nennt man den Förderturm, der mittlerweile zum Wahrzeichen der Region geworden ist. Ein Rundgang durch die beeindruckende Stahlfachwerk-Anlage lässt die Besucher erahnen, wie schwer die Arbeit der bis zu 8500 Bergleute war, die bis 1986 „auf Zollverein malochten“ und täglich 24000 t Steinkohle förderten.
Ein Grußwort musste anschließend doch noch sein: „Im 50. Jahr ihres Bestehens produzieren die 40 Mitgliedsbetriebe der Freien Brauer rund sieben Mio hl Bier pro Jahr. Sie stehen für 3500 Mitarbeiter, über 350 Bierspezialitäten mit nahezu 140 Marken. Kompliment! Diese Bilanz kann sich sehen lassen!“, betonte Michael Hollmann, Vizepräsident des Dachverbands Deutscher Brauer-Bund in seiner Laudatio. Zu den sieben Werten der Freien Brauer fügte er noch einen achten hinzu: Glaubwürdigkeit. „Sie geben ihrem Produkt ein Gesicht, Sie geben Bieren Heimat“, bemerkte Hollmann anerkennend.
Den Höhepunkt des Abends bildete dann die eindringliche Rede von Bundestagspräsident a.D. Prof. Norbert Lammert, der die Gelegenheit nutzte, um die Unternehmer darauf aufmerksam zu machen, dass wir in einer globalisierten Welt nur über die Europäische Union noch Einfluss geltend machen können.
Intensive Gespräche und ein geselliger Abend ließen die gelungene Jubiläumsfeier ausklingen. Am nächsten Morgen lud Axel Stauder die Teilnehmer noch zu einer Besichtigung seiner 1867 gegründeten Brauerei ein.