07.06.2022

1. Kulmbacher Bierrechtstag

Forum für Politik, Wissenschaft und Praxis | In der „heimlichen Hauptstadt des Bieres“, wie Kulmbach sich gerne nennt, findet am 29. Juli 2022 der 1. Kulmbacher Bierrechtstag statt. Unter dem Titel „Bier und Nachhaltigkeit – was bringt der europäische Green Deal?“ laden die Universität Bayreuth und die Museen im Mönchshof ein, um über Nachhaltigkeitstrends in der Braubranche zu diskutieren.

Im exklusiven BRAUWELT-Interview mit Dr. Tilman Reinhardt vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht am neuen Campus Kulmbach der Universität Bayreuth, Dr. Helga Metzel, Geschäftsführerin der Museen im Mönchshof, und Prof. Richard Balling, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten, erfahren Sie, worum es beim 1. Kulmbacher Bierrechtstag geht und warum Sie unbedingt dabei sein sollten.

Herr Dr. Reinhardt, Sie organisieren für den Lehrstuhl für Lebensmittelrecht die Premierenveranstaltung für Bierrecht. Wie kam es zur Idee des Bierrechtstages?

Dr. Tilman Reinhardt: Die Idee entstand – wie sollte es anders sein – bei einem Glas Bier. Wir waren mit dem Lehrstuhl für Lebensmittelrecht in den Museen im Mönchshof zu Gast und unterhielten uns über aktuelle Forschungsthemen und mögliche Kooperationen. Ich beschäftige mich viel mit dem Weinrecht. Die neuen europäischen Pläne zur Nachhaltigkeit haben für den Weinsektor enorme Bedeutung. Jeden Herbst gibt es an der Mosel einen „Weinrechtstag“, wo Praxis, Politik und Wissenschaft zusammenkommen, um über aktuelle rechtliche und politische Fragen zu diskutieren. Ich fragte, ob Kulmbach nicht der richtige Ort wäre, um eine ähnliche Veranstaltung zum Thema Bier zu organisieren.

Freuen sich auf den 1. Kulmbacher Bierrechtstag am 29. Juli 2022 (v.li.): Dr. Tilmann Reinhardt, Lehrstuhl für Lebensmittelrecht der Uni Bayreuth am Campus Kulmbach, Dr. Helga Metzel, Geschäftsführerin der Museen im Mönchshof, und Prof. Richard Balling, Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten

Die Museen im Mönchshof und die Kulmbacher Brauerei haben die Idee sofort unterstützt. Wir haben dann schnell auch weitere Institutionen eingebunden. Die Resonanz war überall sehr gut. Vor allem der Bayerische Brauerbund und das Cluster Ernährung haben sich stark engagiert.

Dr. Helga Metzel: Ja – unser Vorstand von der Kulmbacher Brauerei AG griff diese interessante Idee sofort auf. Wir sind dann umgehend mit anderen Partnern in die Planung und Organisation eingestiegen, mit viel Spannung und Freude. Der Mönchshof mit seinen Museen – insbesondere dem Bayerischen Brauereimuseum – steht ja per se für das Thema Lebensmittel und Lebensmittelkultur. Der Zweck des Museen-Vereins ist der Erhalt und die Pflege der Lebensmittelkultur. Ohne Tradition keine Zukunft – insofern bietet der 1. Kulmbacher Bierrechtstag die perfekte Plattform zum Austausch über Herausforderungen und Zukunft im Bierrecht – eingebettet in den geschichtsträchtigen „Kulmbacher Mönchshof“.

Prof. Richard Balling: Bier steht für Bayern wie kein anderes Lebensmittel. Dafür ist Bayern bekannt in der Welt, für das bayerische Reinheitsgebot, für das Oktoberfest, für bayerisches Bier als eine der wichtigsten EU-geschützten Spezialitäten. Es ist Teil einer gelebten Festkultur überall im Freistaat – und nicht ganz zufällig endet der erste Kulmbacher Bierrechtstag am Vorabend der Kulmbacher Bierwoche! So wurden und werden auch maßgebliche Trends im deutschen Biermarkt von Bayern „gemacht“: Das Weißbier hat in Bayern seine Heimat und von Bayern aus hat das Helle seinen Siegeszug angetreten. Im schwierigen Umfeld der letzten Jahre konnte sich die bayerische Brauwirtschaft damit besser positionieren und gerade im Export punkten. Und der Kulmbacher Bierrechtstag wird den Kompetenzanspruch Bayerns deutlich machen und stärken.

Sie richten die Konferenz auf Interessierte aus der Brauwirtschaft, der Getränketechnik, des Getränkehandels und der Wissenschaft aus. Welche Zielsetzung steckt hinter der großen und recht heterogenen Zielgruppe?

Dr. Reinhardt: Der Bierrechtstag bietet ein Forum für einen informierten Dialog von Politik, Wissenschaft und Praxis: Was muss passieren, um die europäischen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen? Was ist möglich? Was funktioniert in anderen Bereichen? Nur so können sinnvolle Regeln entstehen.

Das Programm bezieht viele Sichtweisen ein und schafft damit hoffentlich für alle Beteiligten einen Mehrwert. Unser Ziel ist es, relevante Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Praxis zu Wort kommen zu lassen, z. B. die Ministerien auf Bundes- und Landesebene, Abgeordnete von Bundestag und Europäischem Parlament, die in den entsprechenden Fachausschüssen mitarbeiten. Walter König ist als Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, der Braugerstengemeinschaft und der Gesellschaft für Hopfenforschung mit vielen Themen direkt befasst. Prof. Kai Purnhagen, der Inhaber des Lehrstuhls für Lebensmittelrecht in Kulmbach, entwickelt als deutscher Vertreter im Expertenrat der EU-Kommission die neuen Regelungen zu Nachhaltigkeit im Lebensmittelrecht mit. Und es gibt noch viele weitere interessante Beiträge.

Prof. Balling: Heute geht es mehr denn je darum, „das Ganze“ zu sehen. Und der Themenschwerpunkt „Nachhaltigkeit“ ist dafür ein topaktueller und sehr guter Rahmen. Nachhaltigkeit wird zunehmend zu einem Basiskriterium für Glaubwürdigkeit, für ein „gutes Produkt“. In Bayern kommt ja zum handwerklichen und unternehmerischen Know-how beim Bier auch die starke eigene Rohstoffbasis dazu: Hopfen aus der Hallertau g.g.A. ist einer der Weltmarktführer bei Hopfen und Spalt Spalter g.U. eine Spezialität, die man beispielhaft für die besondere Kompetenz bei den Rohstoffen nennen kann. Bayerische Braugerste – in Verbindung mit einer starken bayerischen Mälzereibranche – ist eine zweite wichtige Basis, die zusammen das bayerische Bier stark machen. Erst von außen erkennt man manchmal die Stärke, die ein solcher Verbund leistet. Und diese Gesamtsicht ist ja wiederum die Basis für eine echte Nachhaltigkeit. Von daher auch mein klarer Appell: Beim bayerischen Bier sollte – gerade unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit – diesen charaktergebenden Rohstoffen der Platz eingeräumt werden, den sie verdienen.

Wo liegt der inhaltliche Fokus der Veranstaltung?

Dr. Reinhardt: Der inhaltliche Fokus liegt auf den Veränderungen im Agrar- und Lebensmittelrecht, die der Green Deal und die Farm to Fork-Strategie der EU mit sich bringen. Die EU möchte das gesamte Ernährungssystem grundlegend transformieren. Was bedeutet das für die einzelnen Branchen? Welche Änderungen stehen konkret bevor? Welche Prozesse sind vielleicht schon längst im Gange? Für den Brauereisektor wirft der europäische Green Deal ja auf den ersten Blick nicht so existenzielle Fragen auf wie beispielsweise für die Fleischproduktion. Trotzdem wird es in jedem einzelnen Bereich, von der Rohstoffproduktion bis zu Handel und Vermarktung, neue Regelungen geben.

Dr. Metzel: Im Rahmen einer Sonderführung durch das Bayerische Brauereimuseum wird sicher der eine oder andere Gedanke geboren, der die Akteure bei der Lösungsfindung der anstehenden Themenfelder inspirieren wird. Schlussendlich bilden die einzelnen Abteilungen des Bayerischen Brauereimuseums die historische Klammer der Themen, die beim 1. Kulmbacher Bierrechtstag diskutiert werden. Ohne Gestern kein Morgen.

Teilansicht des Mönchshofs außen (Foto: Reinhard Feldrapp)

Prof. Balling: Eine Vielzahl von Regelungen werden durch den Green Deal und Farm to Fork überarbeitet, ergänzt oder neu formuliert werden. Diese Fortschreibung aktiv zu begleiten, mitzugestalten, wo es geht und die Implementierung für die Brauwirtschaft zu erleichtern – das wird eine echte Herausforderung. Dazu wird der Bierrechtstag ein wichtiger Schritt sein. Dass die Uni Bayreuth mit ihrer hohen anerkannten Kompetenz für das Lebensmittelrecht hier am neuen Campus in Kulmbach, der Bierstadt, das so mit der Branche angeht: Sehr gut!

Zielen Sie dabei eher auf die Juristen oder auf die Techniker dieser Bereiche ab?

Dr. Reinhardt: Wir richten uns an alle, die ein Interesse daran haben, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Zukunft entwickeln. Bei speziellen Fragen sind Techniker ja häufig die besseren Juristen. Sie verstehen am meisten von der Materie. Als Jurist ist man eher Generalist: Für uns ist es wichtig, das Gesamtsystem zu überblicken, keinen Aspekt zu vernachlässigen und Parallelen zu anderen Regelungsbereichen herzustellen.

Wir wollen, dass am Ende alle Beteiligten besser verstehen, wohin die Reise geht. Was kommt auf die Praxis zu? Woran muss man gegebenenfalls noch arbeiten? Vielleicht gibt es auch Punkte, bei denen sich die Politik fragen muss, ob sie in die richtige Richtung geht. Und für uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist relevant, wo konkreter Forschungsbedarf besteht.

Mit wievielen Teilnehmern rechnen Sie?

Dr. Metzel: Wir sind aktuell nicht mehr an Corona-Auflagen gebunden, dennoch agieren wir sehr vorausschauend und achtsam. In unserem Vortragssaal des Museumspädagogischen Zentrums – MUPÄZ – haben bis zu 70 Personen Platz. Natürlich werden wir unser Areal auch beim abendlichen „Bier-together“ nutzen, um einen ungezwungenen Erfahrungsaustausch zwischen Referenten und Teilnehmenden zu ermöglichen. Wie schon Tilman Reinhardt eingangs erklärte – besondere Ideen und Lösungen entstehen „beim Bier“.

Was wünschen Sie sich für dieses erste Aufeinandertreffen der Beteiligten?

Dr. Reinhardt: Ich wünsche mir, dass ein wirklicher Dialog stattfindet, und dass sich konkrete Ideen für Kooperationen in der Zukunft ergeben. Für Teilnehmende, die über Nacht bleiben, organisieren wir am Samstagvormittag, dem 30. Juli 2022, eine Führung über den neuen Campus in Kulmbach, bei der wir die verschiedenen Forschungsbereiche vorstellen. Und dann wollen wir natürlich gemeinsam die Eröffnung der Kulmbacher Bierwoche besuchen.

Dr. Metzel: Wir wünschen uns, dass sich alle TeilnehmerInnen zunächst einmal natürlich wohl bei uns im Kulmbacher Mönchshof fühlen. Wir sind dann zufrieden und sprechen von einem gelungenen 1. Kulmbacher Bierrechtstag, wenn der fachliche Input und die Gespräche unter dem Strich so befruchtend waren, dass ein 2. Kulmbacher Bierrechtstag für die Zukunft im Raum steht. Dann haben wir gemeinsam gute Arbeit geleistet und an historischem Ort ein weiteres Stück Bier- und Braugeschichte geschrieben.

Prof. Balling: Ich hoffe auf eine offene, aktive Beschäftigung mit dem Thema, gute Gespräche und Inspiration – über das Tagesgeschäft hinaus. Die kritischen Punkte sollen offen angesprochen werden. Wir hoffen, Ansätze für Lösungen zu diesen neuen Herausforderungen zu finden und Inspirationen für die eigene Arbeit mit nach Hause zu nehmen. Und last but not least sollen bestehende Kontakte gepflegt und neue geknüpft werden.

Eine Frage an Sie ganz persönlich: Was ist für Sie das Besondere am 1. Kulmbacher Bierrechtstag?

Dr. Reinhardt: Es ist die erste große Konferenz, die wir physisch am neuen Universitätsstandort Kulmbach organisieren. Insofern bin ich natürlich erst einmal aufgeregt, dass alles klappt. Außerdem freue ich mich, dass es so eine angenehme und konstruktive Kooperation mit den anderen Beteiligten gibt, die nicht aus der Wissenschaft kommen. Das ist nicht selbstverständlich.

Alte Spinnerei in Kulmbach: Hier entsteht der neue Campus Kulmbach der Universität Bayreuth (Foto: Stadt Kulmbach)

Dr. Metzel: Für uns als Team im Kulmbacher Mönchshof ist das Besondere am 1. Kulmbacher Bierrechtstag, dass wir im Rahmen der Gesamtorganisation insbesondere mit den Kollegen des neuen Campus Kulmbach sehr schnell und unkompliziert ins Miteinander-Tun gekommen sind. Das macht uns viel Freude! Wir lernen voneinander und miteinander dazu. Und es gilt auch hier wieder: Unsere Branche ist besonders – eine solche Tagung so unkompliziert zu organisieren, das geht wohl nur, wenn es sich ums Bier dreht und alle im gemeinsamen Interesse der Branche an einem Strang ziehen.

Darüber hinaus freuen wir uns sehr, einen Tag lang nicht nur im Sinne der Wissenschaft und Praxis im Fokus der Braubranche zu stehen, sondern auch Gastgeber für Akteure aus ganz Europa sein zu dürfen.

Prof. Balling: Gelebte Kooperation und Neues wagen – mit einer echten Perspektive: Das ist gut für die Uni Bayreuth, gut für Kulmbach und gut für das bayerische Bier.

Planen Sie weitere Bierrechtstage?

Dr. Reinhardt: Ja! Es soll eine jährliche Veranstaltung hier in Kulmbach werden. Dabei wollen wir in Zukunft auch gerne noch internationaler werden und z. B. die Nachbarländer einbeziehen, wie Tschechien und Belgien. Dort ist Bierrecht ja auch relevant und ein Austausch wäre sicher inspirierend für alle Beteiligten. Themen gibt es sicherlich genug. Gesundheit, Werbung, Pfandsysteme, Steuern oder auch die Entwicklung des Gaststättenrechts. Der Bierrechtstag ist außerdem ein erster Schritt, um hier in Kulmbach ein Institut zum Recht alkoholischer Getränke aufzubauen. Ich glaube, dass Alkohol – mit allen seinen Licht- und Schattenseiten – ein Thema ist, das alle Disziplinen hier am neuen Campus in Kulmbach betrifft: von der Biochemie über die Neurowissenschaften und Psychologie bis hin zu Verhaltensökonomie, Ernährungssoziologie und Public Health.

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für den 1. Kulmbacher Bierrechtstag!

Das Gespräch führte BRAUWELT-Chefredakteurin Dr. Lydia Junkersfeld.

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