Giganten der Biergeschichte: Peter Schoenhofen und Louis Lehle
Vergessene Giganten | Diese Reihe porträtiert Menschen, die in ihrem Beruf Außergewöhnliches erreicht haben. Die meisten von ihnen sind uns auf irgendeine Art und Weise im Gedächtnis geblieben. Nur ganz Wenige sind komplett vergessen oder nur Experten bekannt. So auch diese beiden Männer, die exemplarisch stehen können für deutsche Auswanderer in die USA, die dort reich und berühmt wurden, aber heute doch weitgehend vergessen sind.
Der Graceland Friedhof in Chicago wurde ab 1860 im Norden der Stadt im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt. Auch heutige Besucher schätzen nicht nur die Schönheit der 49 Hektar großen Anlage und die kontemplative Ruhe inmitten der hektischen Stadt, sondern sie bewundern auch gerne die wunderbar ausgearbeiteten Gräber und Mausoleen, besonders die älteren. Eines der spektakulärsten und meistfotografierten Familiengräber ist gestaltet in Form einer Pyramide aus grauem Granit. Mit vielen verspielten Details, einer Engelsfigur am Eingang, einer flankierenden Sphinx, Metallschlangen, die sich um Türgriffe winden. Über der Türe, die in diese Pyramidengruft führt, steht Schoenhofen in dicken Blockbuchstaben.
Erbaut wurde dieses Mausoleum, das sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzt, 1893 vom Architekten Richard E. Schmidt, Auftraggeber war der im Januar 1893 verstorbene Peter Schoenhofen, Brauereibesitzer und einer der wohlhabendsten der damals bereits über einer Million Bürger von Chicago, der zweitgrößten Stadt der USA. Wer war dieser Peter Schoenhofen, der heute nur noch über sein Grabmal von sich reden macht?
Als Schnapsbrenner von der Eifel über den großen Teich
Geboren wurde er am 4. Februar 1827 im Örtchen Dörbach bei Wittlich, das in der damals bitterarmen Eifel liegt und heute zur Ortsgemeinde Salmtal gehört. Seine Eltern, das Ehepaar Peter und Catharina Schoenhofen, geb. Schottler, gehörten zu einer in der Südeifel weit verbreiteten Familie, deren Wurzeln im Schönfelder Hof zu finden sind, ein uralter Gutshof, der bereits 1152 als Gut zur Versorgung des Klosters Himmerod gegründet wurde.
Seit 1476 war der Hof an private Pächter vergeben worden, wohl auch an die Familie Schoenhofen. Die Familie war offenbar erheblich wohlhabender als die meisten anderen Menschen in der Eifel (siehe Teil 13 dieser Reihe in BRAUWELT Nr. 27–28, 2022, S. 686–689) und stellte auch Schultheiße (veraltet für Gemeindevorsteher oder Bürgermeister) und manchen Akademiker in der Region. Der junge Peter lernte nach der Schule das Handwerk des Schnapsbrenners.
Warum er mit 24 Jahren dann in die USA auswanderte, ist nicht bekannt. Drohender Zwang zum Militär wie bei Adolph Coors (siehe Teil 3 dieser Reihe in BRAUWELT Nr. 19–20, 2021, S. 493–495) kann jedenfalls kaum ein Grund gewesen sein, hatte er doch seinen sechsjährigen Dienst bei der Preußischen Landwehr gerade fertig absolviert. Generell waren die Zukunftsaussichten jedoch durch stets drohende Missernten, anstehende Militäreinsätze, schlechte Lebensbedingungen, Mangel an Arbeit und hohe Steuern bescheiden. Die Auswanderungen aus dieser Region nahmen Mitte des 19. Jahrhunderts daher stark zu.
Es konnte sich jedoch nicht jeder diese Auswanderung leisten, die Passage war nämlich nicht billig. Daher ist davon auszugehen, dass Peter Schoenhöfen die Reise mit Zustimmung und finanzieller Unterstützung seiner Familie in Angriff nahm.
In den USA findet sich seine Spur wieder auf einer Farm nahe Poughkeepsie im Bundesstaat New York, wo er Äpfel zu Cider presste. Nun wird er auch als Mensch greifbarer, biografische Daten entstehen. Schoenhofen war ein strebsamer, nüchterner Mann mit klaren Zielen und einer straffen, preußischen Arbeitsethik.
Straffe Arbeitsethik und klare Ziele als Voraussetzung für den Erfolg
Es zog ihn weiter nach Illinois, wo er erstmals in einer Brauerei arbeitete, bei der Mueller Bros. Brewery in Lyons. Nach Chicago war es nun nicht mehr weit. Dort hatten sich bereits zahllose Deutsche niedergelassen, es gab sogar ein eigenes Netzwerk von Eifeler Emigranten.
1852 kam Schoenhofen in Chicago an. Matthias Best in der gleichnamigen Brauerei bot ihm Lohn und Arbeit. Best war aber offensichtlich kein Erfolg beschieden, daher verdingte er sich nun für einige Jahre als Bierkutscher bei der Brauerei von Conrad Seipp, eines nur unwesentlich älteren Emigranten aus Hessen (dessen Brauerei 1933 geschlossen wurde).
1861, mit 33 Jahren, nahm Peter Schoenhofen seinen persönlichen amerikanischen Traum in Angriff und machte sich mit seiner eigenen Brauerei selbstständig. Mit ins Boot nahm er als Partner einen Mann namens Matheus Gottfried.
Chicago hatte gerade die 100 000-Einwohner-Grenze überschritten, etwa jeder fünfte davon kam aus Deutschland. 14 Brauereien kümmerten sich bereits um das leibliche Wohl der Einwohner. Malz und Hopfen mussten aufwendig aus New York oder Kalifornien herangekarrt werden. Nun begann das Schoenhofen-Wirtschaftswunder. Die „Gottfried & Schoenhofen Brewery“ begann mit 600 Barrel Ausstoß (ein Barrel entspricht ca. 117 Litern). Nach sieben Jahren betrug der Ausstoß der Schoenhofen-Brauerei etwa eine Million Liter (ca. 10 000 hl) Lagerbier. Peter Schoenhofen konnte es sich nun leisten, seinen Partner auszuzahlen.
Jetzt war er Alleineigentümer der „Peter Schoenhofen Brewery“. 1879 führte er neben einem Bockbier die Marke „Edelweiss“ ein, mit den Versionen Hell, Bock und Export. „Edelweiss“ wurde ein Verkaufsschlager, mit deutschtümelnden und alpinen Werbemotiven. Der Ausstoß stieg weiter an. Mit 60 000 Barrel Ausstoß und mit 50 Mitarbeitern (1882) wurde die Brauerei eine der größten rund um den Michigansee.
Zu den 50 Produktionsmitarbeitern kamen noch drei Buchhalter, sechs Fahrer mit je einem Lieferwagen und insgesamt 28 Pferden. In zwei großen Eishäusern konnten 14 000 Tonnen Eis gelagert werden, die Bierkeller boten Platz für 25 000 Barrel.
Der hochkapitalistische Wettbewerb erforderte harte Bandagen, die Brauer schenkten sich nichts. Schoenhofen akzeptierte die Spielregeln, und er spielte erfolgreich. Zahlreiche Gerichtsakten der Zeit dokumentieren den Kampf um die Pfründe.
Geschäftlicher Erfolg wollte auch gezeigt werden
Anfang der 1880er-Jahre konnte man mit Fug und Recht sagen, Peter Schoenhofen hatte den amerikanischen Traum geschafft: Er war ein gemachter Mann, gehörte zu den reichsten Männern der extrem dynamischen, pulsierenden Metropole Chicago und zum erlesenen Kreis der Chicagoer „Bierbarone“.
Auch seine Familie war gewachsen. Nach seiner Hochzeit mit der Deutschen Elise Kneppe hatten die beiden zwei Söhne und fünf Töchter bekommen. Beide Söhne starben jedoch als junge Männer. George starb 1891, mit 26 Jahren, bei einem Unfall, Peter, vier Jahre jünger, zur gleichen Zeit an Tuberkulose. Schoenhofen dachte, wie viele Männer seiner Zeit, dynastisch, und so passte es ihm bei aller Trauer gut, dass sich zwei seiner Töchter mit Brauern verheirateten. Emma, die Älteste, heiratete Joseph Theurer, die Tochter Josephine heiratete den Brauer Carl Buehl.
Nun konnte er es sich auch leisten, repräsentativ zu denken. Und irgendwann in dieser Zeit kreuzten sich die Wege von Peter Schoenhofen und von Louis Lehle. Auch der war deutscher Emigrant, geboren Mitte der 1840er-Jahre in Ulm. Nach Besuch des Polytechnikums in Stuttgart emigrierte er 1867 und ließ sich in Chicago nieder. Biografische Daten sind in diesem Fall sehr rar. Gesichert ist nur seine Heirat mit Josephine Watson im Jahre 1872 und die Geburt von vier Kindern. Von 1889 bis 1894 betrieb er gemeinsam mit dem Architekten Frederick Wolf das Architekturbüro Wolf & Lehle in Chicago. Später kamen zwei Söhne mit in die Firma. Mit seinen Söhnen Georg und Louis William Jr. firmierten sie dann als Architekturbüro Louis Lehle & Sons.
Paläste für die Bierproduktion
Früh schon spezialisierte Lehle sich auf Industriearchitektur, hier besonders auf die boomende Brauereibranche. Gemäß dem Geist der Gründerzeit, mussten die Gebäude stabil sein – hier half ein Mix aus modernem Portland-Zement und klassischen Ziegeln –, aber auch protzig und repräsentativ. Gleichzeitig galt es aber auch, die technischen Anforderungen zu erfüllen: Moderne Maschinen wurden immer größer und schwerer – Dampfmaschinen und die neuartigen Kältekompressoren, Sudpfannen und Gärbehälter, alles galt es statisch einzubinden. Auch die extremen Temperaturen mussten berücksichtigt werden. Aus all dem schuf Lehle eine Expertise, die ihn zu einem der gefragtesten Brauereiarchitekten in den USA aufsteigen ließ.
Er schuf Kathedralen und Paläste für das Bier, mit Türmen, Zinnen und verspielten, protzigen Fassaden. Wunderschön anzusehen bis heute. Was heute noch steht, gehört zum geschützten, Industrie-architektonischen Erbe der USA. Er baute in Chicago, Detroit, New Orleans und Milwaukee, Duluth, Cincinnati und Lafayette. Unter anderem für Joseph Schlitz und Conrad Seipp, Schoenhofens ehemaligen Arbeitgeber. Auch die Schoenhofen Brewery steht auf der Liste seiner Referenzen.
Vom weiteren Leben Lehles ist erstaunlich wenig überliefert, es gibt nicht einmal ein Foto von ihm. Im Oktober 1911 hielt er in Chicago einen Vortrag beim „Second International Brewers‘ Congress“ zum Thema „Standortwahl, Planung und Bau von Brauereien“. Von 1917 gibt es einen Eintrag im Buch der „Führenden lebenden Männer Chicagos“. Das war es auch schon. Nicht einmal Lehles Todesjahr ist überliefert.
Als Peter Schoenhofen 1886 das erste bedeutende Gebäude der Brauerei in Angriff nahm, ist jedoch anzunehmen, dass Lehle involviert war. Das neue Verwaltungsgebäude der Brauerei zeugte nicht nur von gekonnter Architektur, sondern auch von der Kenntnis deutscher Braugeschichte: In die Fassade war nicht nur das klassische Brauerwappen kunstvoll eingearbeitet, sondern auch der sechszackige Brauerstern.
In den nächsten zwanzig Jahren, auch lange nach Peter Schoenhofens Tod im Jahr 1893, herrschte an der Brauerei rege Bautätigkeit. Ein weithin sichtbarer Wasserturm in Form einer Bierflasche, ein architektonisch ebenfalls beeindruckendes „Powerhouse“ und einige andere Gebäude stehen bis heute und sind seit 1978 Teil des „National Register of Historic Places“, geführt als „Schoenhofen Brewery Historic District“.
Kriege und Prohibition zerstörten eine wunderbare Bierkultur
Der Brauerei erging es später nicht mehr so gut. Bereits 1890 hatte Peter Schoenhofen die Brauerei offenbar an englische Investoren verkauft, die Gründe liegen im Dunkeln. Vielleicht waren die mittlerweile 34 Brauereien in Chicago einfach zu viel der Konkurrenz. 1893 übernahm sein Schwiegersohn Joseph Theurer die Geschäftsführung (bis 1911) und führte die Brauerei nicht nur erfolgreich, sondern es gelang ihm auch ein Rückkauf in den Familienbesitz, so dass die erste Dekade im 20. Jahrhunderts zu den erfolgreichsten Jahren der Brauerei zählte. Für 1910 sind 1,2 Millionen Barrel Ausstoß überliefert.
Joseph Theurer ließ auch 1896 eine palastartige Villa als Schoenhofen-Familienwohnsitz erbauen, die 1911 vom Kaugummi-Fabrikanten Wrigley gekauft wurde und heute als „Theurer-Wrigley-Mansion“ Denkmalschutz genießt – obwohl sie in schlechtem Zustand ist und mehrfach den Besitzer wechselte, zuletzt im Januar 2018 für 4,65 Millionen USD.
Mit dem Ersten Weltkrieg veränderte sich dann leider das gesellschaftliche Klima in den USA. Deutsch wurde in jeder Hinsicht verpönt; man ging in Deckung, verleugnete oder zerstörte gar sein kulturelles Erbe. Die Familie Schoenhofen tat dies allerdings nicht, war weiterhin heimatverbunden und hielt Kontakt zum alten Vaterland. Das wurde ihnen schließlich als Landesverrat ausgelegt, und nach diversen Haus- und Betriebsdurchsuchungen wurde die Familie 1918 sogar enteignet. Eine selbst für die damalige Zeit höchst ungewöhnliche und umstrittene Maßnahme.
Es passte aber ins Bild. Durch die Tatsache, dass fast alle großen Brauereien in deutschstämmigem Besitz waren, galt Bier trinken bereits als unpatriotisch und unamerikanisch. Diese „Argumente“ feuerten die Abstinenzlerbewegung weiter an, die final in die unselige Prohibition mündete.
Diese Zeit von 1914 bis 1933 ist wohl auch der Grund für die extrem schlechte Quellenlage. Irgendwann wurde die Enteignung wieder rückgängig gemacht, und die Schoenhofen Brewery überlebte die Prohibition tatsächlich mittels Softdrink-Produktion. Sie war jedoch danach so angeschlagen, dass sie den nachfolgenden Konzentrationswettkampf nicht überstehen konnte.
1951 hörte der Name Schoenhofen als Brauerei auf zu existieren, auch wenn dort noch bis 1972 Bier produziert wurde. Während von Peter Schoenhofens Brauerei-Erbe nichts übriggeblieben ist, zeugen die steinernen Überreste vom Pioniergeist und der Aufbruchsstimmung dieser Gründerzeit des jungen Amerika.
Noch eine Trivia zum Abschluss: Peter Schoenhofens zweitjüngste Tochter Lilian, geboren 1875, heiratete Philipp Schenk Graf von Stauffenberg, einen Onkel des späteren Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg.
Quellen
- https://en.wikipedia.org/wiki/Schoenhofen_Pyramid_Mausoleum (abgerufen am 3.11.2023).
- https://agravehistory.com/grave-histories/f/peter-schoenhofen-b-1827-d-1893-a6ec1adaf7a6 (abgerufen am 3.11.2023).
- https://en.wikipedia.org/wiki/Schoenhofen_Brewing_Company (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.archiv.ub.uni-stuttgart.de/alumni/lehle_louis.html (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.volksfreund.de/region/mosel-wittlich-hunsrueck/peter-schoenhofen-aus-dem-salmtal-zaehlt-zu-den-bekanntesten-industriepionieren-chicagos_aid-7072528 (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.eifelmoselzeitung.de/redaktion/kinder-der-eifel/peter-schoenhofen-13529/ (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.historic-structures.com/il/chicago/schoenhofen_brewery.php (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.loc.gov/resource/hhh.il0068.photos/?sp=7 (abgerufen am 3.11.2023).
- https://www.stlmag.com/history/a-turn-of-the-century-brewery-through-the-eyes-of-an-architect/ (abgerufen am 3.11.2023).
- https://en.wikipedia.org/wiki/Theurer-Wrigley_House (abgerufen am 3.11.2023).