11.12.2023

Giganten der Biergeschichte: Frauenpower

Biergigantinnen | In dieser Reihe wurden bereits einige ­bemerkenswerte Frauen der Neuzeit porträtiert: Therese Wagner, Fanny Leicht und „Madame Rosa“ Merckx. Aber es gab seit Beginn der Biergeschichte viel mehr weibliches Zutun zu dieser, als viele Menschen wissen. Nur sind bei den meisten Frauen nicht genug Informationen verfügbar, um ihnen einen ganzen Artikel zu ­widmen.

Dennoch haben viele ihre Spuren hinterlassen, sei es in Form eines Mythos (wie Hildegard von Bingen), eines Beitrags zur Welthistorie (wie Katharina von Bora), eines besonderen Bieres (wie Mathilde Schneider) oder einer später sehr erfolgreichen Brauerei (wie Katharina Wallenborn). Andere wie Clara Oefele oder Eleonora von Schwarzenberg sind nur noch Experten ein Begriff. Aber dennoch eine Erzählung wert.

Frauen in der Biergeschichte

Zu Beginn der überlieferten Biergeschichte steht bereits eine Frau: die sumerische Biergöttin Ninkasi, die von den Sumerern um 1800 v. Chr. zum Schutz der Bierbrauer ausgedacht wurde. Doch wir wollen uns hier mit realen Personen beschäftigen. Daher machen wir jetzt einen Sprung ins 12. Jahrhundert und treffen auf die berühmte Hildegard von Bingen, die von ca. 1098 bis 1179 lebte. Keine Brauerin, aber dennoch enorm einflussreich, was das Bier betrifft. Jeder Bierfreund kennt ihren Spruch „Cerevisiam bibat!“ – „Man trinke Bier!“

Die Vorsteherin des von ihr selbst gegründeten Klosters auf dem Rupertsberg am Rhein war nicht nur eine berühmte Mystikerin, sondern auch Naturforscherin und Bierliebhaberin. Sie war die erste, die neben vielen anderen Pflanzen auch den Hopfen beschrieb und in ihren Schriften Anweisungen zur Bierbereitung gab, natürlich nur zu streng medizinischen Zwecken.

In Erinnerung bleibt sie uns dabei für immer mit oben genanntem Spruch, den sie in ihrem Buch über Krankheitsursachen und Heilverfahren „Causae et Curae” als fast universelle Regel postulierte. Sie selbst wurde, nach damaligen Maßstäben, steinalt und gilt manchen als der beste Beweis für ihre eigenen Theorien.

Mit dem handwerklichen Fortschritt, größeren Mengen und der Möglichkeit, mit Bier Geld zu verdienen, übernahmen dann erst einmal die Männer die Bierproduktion. Bis auf einige wenige Namen wie die Braxatrice (Brauerin) Sapientia aus Köln sind Überlieferungen von Brauerinnen im Spätmittelalter rar.

Zu Beginn der Renaissance im 16. Jahrhundert taucht dann ein Name auf, der bis heute bekannt ist: Katharina von Bora (* 29. Januar 1499 in Lippendorf; † 20. Dezember 1552 in Torgau). Sie hatte als Nonne im Zisterzienserinnenkloster Marienthron in Nimbschen bei Grimma das Brauen gelernt. Sicher war ihr späterer Mann Martin Luther nicht unfroh, eine Brauerin geheiratet zu haben. Bier bringt ja erwiesenermaßen die Gedanken in Schwung. Und Luther dachte viel nach.

Die Familie Luther besaß ein eigenes Braurecht. Nach der Hochzeit im Jahr 1525 übernahm Katharina Küche, Hof und Brauerei. In einem Brief schrieb Martin Luther 1534 an seine Frau: „Gestern musste ich daran denken, dass ich ein sehr gutes Bier daheim habe und dazu eine schöne Frau. Und du tätest wohl, dass du mir den ganzen Keller meines Weins herüber schicktest, und eine Flasche deines Biers.“ Katharina von Bora braute überwiegend Dünnbier, welches aber wohl recht gut schmeckte; unterwegs trank ihr Gatte am liebsten starkes Einbecker Bockbier. Nicht auszudenken, hätte er daheim auch immer Starkbier zur Verfügung gehabt.

Katharina von Boras Tätigkeit als Brauerin ist weniger bekannt – sie war jedoch ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens als tatkräftige Frau an der Schwelle zur Neuzeit. Und des Lebens ihres welthistorisch bedeutsamen Gatten Martin Luther.

Der Krieg schafft Legenden

Diese neue Zeit kam gleich mit einer wahnsinnigen Katastrophe daher: dem Dreißigjährigen Krieg. Eine Zeit, in der Legende und Wahrheit nur schwer zu trennen sind.

Die junge Clara von Bar wurde im Krieg geboren, im Feldlager des Marschalls Tilly. Ihr Vater verließ später, nach dem Tod der Mutter, seine Einheit, zog mit dem Kurfürsten Maximilian nach Ingolstadt und heiratete wieder – die Bürgermeisterstochter von Schrobenhausen. Clara verliebte sich in einen jungen Schrobenhausener Bierbrauer namens Christof Oefele, heiratete ihn und hieß nun Oefele. Sie wurde eine tüchtige Bierbrauersfrau.

Eines Tages wehrte sie sich so tatkräftig gegen die versuchte Vergewaltigung durch einen Reiterobristen des Generals Wrangel, dass der Söldner nicht mehr weiterlebte. Zur Flucht verließ sie die Stadt, versteckt in einem Wagen voll Stroh. Eine Weile kam sie in einem Kloster unter, verließ dieses dann aber in Männerkleidern. Sie wollte nach Hause, in ihre Brauerei.

Das gelang ihr auch. Sie braute eine Weile als „Cousin“ ihres Mannes weiter, bis sie – die Tarnung war wohl zu perfekt – auf der Straße zwangsrekrutiert wurde. Das ging damals so rasch, dass sie nicht einmal mehr Zeit hatte, sich von Mann und Kindern zu verabschieden.

In Böhmen musste sie dann gegen die Schweden kämpfen. Dann kam auch dieser Krieg mit dem Westfälischen Frieden zu einem Ende. Clara war erst 28 Jahre alt. Nun wollte sie nach Hause. Doch was sie erfuhr, war niederschmetternd: Ihr Mann sei umgekommen, der ganze Ort bis auf den Boden zerstört, die Brauerei geplündert. Das Land um Schrobenhausen gliche einem Leichenacker. So schien es ihr am sichersten, bei ihren Kameraden zu bleiben.

Sie zog mit den kaiserlichen Soldaten gegen die Woiwoden von Siebenbürgen und gegen die Türken. Sie blieb bei den Soldaten, überlebte alle Schlachten und überstand sogar die Pest.

Als sie dann, nach zwanzig Jahren, zurück ins heimatliche Schrobenhausen kam, fand sie überraschenderweise die Brauerei Oefele in Betrieb und ihren Sohn Franz bei der Arbeit. Nun packte sie wieder mit an, und gemeinsam bauten die beiden die Brauerei weiter aus. Die Brauerei Oefele bestand bis ins 20. Jahrhundert.

Legenden um Biere und Vampire

Der Name Schwarzenberg ist recht bekannt, steht er doch heute für hohe Politik und Diplomatie. Das war vor 300 Jahren nicht anders. Prinzessin Eleonore Elisabeth Amalia Magdalena von Lobkowitz (* 20. Juni 1682 in Wien; † 5. Mai 1741 im Palais Schwarzenberg in Wien) war ein Mitglied des Hauses Lobkowitz und wurde durch Heirat zur Fürstin zu Schwarzenberg.

Fürstin Eleonore Amalia mit ihrem Sohn Joseph, Öl auf Leinwand von Maximilian Hannel, um 1727 (Foto: Český Krumlov Castle, Public domain, via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Maximilian_Hannel_%E2%80%93_Eleonore_von_Schwarzenburg.jpg)

Ihr Gatte Adam Franz Karl Eusebius zu Schwarzenberg, mit dem sie angeblich keine glückliche Ehe führte, wurde von Kaiser Karl VI. erschossen – ein unglücklicher Unfall bei einer Hirschjagd. Nun übernahm Eleonore neben dem Erbe auch die Verwaltung der dreizehn (!) Brauereien. Es entstand eine Legende um diese Frau, die nicht nur mit Bier, sondern auch mit Vampiren zu tun hat. Bei einem Besuch in Krumau (Český Krumlov) in Böhmen kann man im Schloss und in der Brauerei ihren Spuren und ihrer Legende auch heute noch folgen.

Die Witwen des Industrie­zeitalters

Die Geschichte der Augustiner-Brauerei und Therese Wagners haben wir bereits in Folge 14 dieser Reihe geschildert. Ähnliches, wenngleich in etwas kleinerem Maßstab, geschah auch anderswo: Anna Katharina Wallenborn musste 1839, nach dem Tod ihres Ehemannes Johann Peter Wallenborn, alleine für drei lange Jahre die Hausbrauerei in Bitburg übernehmen, aus der sich dann die bekannte Bitburger Brauerei entwickelte. Ihre Tochter Elisabeth heiratete den Brauer Ludwig Bertrand Simon, dessen Nachkommen bis heute Besitzer einer der größten Brauereien in Familienbesitz sind.

Eine weitere erfolgreiche Familienbrauerei, die G. Schneider & Sohn GmbH, befindet sich heute im niederbayerischen Kelheim. Unsere Geschichte spielt jedoch noch in München. Im Jahr 1798 hatten die Wittelsbacher ihr Weißbiermonopol mangels Nachfrage aufgegeben. Im 19. Jahrhundert ging es weiter bergab mit der Nachfrage nach obergärigem Weizenbier. Georg Schneider I. hatte 1855 in München mit dem Weißbierbrauen begonnen, zuerst als angestellter Braumeister des königlichen Hofbräuhauses. Dann, nach Ende der Weißbierproduktion dort, im Jahr 1872 als Unternehmer mit seiner eigenen Brauerei. Mit Sohn und Enkel (Georg II. und Georg III.) sowie hervorragenden Bieren hatten die Schneiders die Nachfrage neu belebt, so dass Weißbier zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Blüte erlebte. Georg III. Schneider hatte schon früh die Brauerei für seinen jung verstorbenen Vater übernehmen müssen, und ihm widerfuhr ein ähnliches Schicksal. 1905, mit nur 35 Jahren, verstarb er plötzlich. Nun übernahm seine 1877 geborene Frau Mathilde Schneider – bis heute der einzige Mensch, der als Geschäftsführer der Brauerei nicht Georg Schneider hieß.

Die Witwe führte die Brauerei nicht nur über 19 Jahre lang, bis 1924, sehr erfolgreich, sondern unter ihrer Ägide entwickelte und produzierte die Brauerei auch einen völlig neuen Bierstil: das Weizenstarkbier. 1907 erblickte das „Aventinus“ das Licht der Welt.

Vor den Erfolg hatten die Götter jedoch mittlerweile – nicht nur in Bayern – einige bürokratische Hürden aufgebaut. Das fing damit an, dass es Frauen im Jahr 1905 noch verboten war, als Geschäftsführerin eines Unternehmens tätig zu sein. So wurde Mathildes Schwager zum Frühstücksdirektor ernannt, während sie selbst „mit großem Herz und eisernem Willen“ (Zitat ihres Urenkels Georg Schneider VI.) den Betrieb leitete.

Einen Heiligen als Namensgeber gesucht

Auch bei der Namensfindung gab es zunächst ein Veto. Standort der Brauerei in München war damals in der Aventinstraße – und so sollte indirekt der bayerische Geschichtsschreiber Johannes Aventin (* 4. Juli 1477 in Abensberg, † 9. Januar 1534 in Regensburg) als Pate für den neuartigen Weizenbock zur Verfügung stehen. Der Bayerische Brauerbund intervenierte: Ein Bockbier müsse traditionell nach einem Heiligen benannt werden.

Es gab zwar keine Findungskommission (wie man es heute machen würde), wohl aber einen umtriebigen Familienpfarrer, der tatsächlich unter einem der sieben Hügel Roms einen Hl. Aventinus ausfindig machte. Nun stand der Markteinführung endgültig nichts mehr im Wege.
Aus dem Starkbier „St. Aventinus“ wurde bald schon das einfache „Aventinus“. Dass auf dem Etikett bis heute kein Heiliger, sondern ein Geschichtsschreiber abgebildet ist, stört wohl niemanden.

Mathilde Schneiders genialer Wurf gilt bis heute als Referenzbier für die Gattung „Weizenstarkbier“ und gehört zu den am häufigsten bei Bierwettbewerben dekorierten Bieren der Welt.

Seine Erfinderin Mathilde Schneider wurde sehr alt. Sie lebte bis 1972 und konnte noch die Geschäftsführer-Karriere ihrer Nachfolger Georg Schneider IV. (1924 – 1958) und Georg V. (1958 – 2000) mitverfolgen. Auch den Umzug der Brauerei von München nach Kelheim im Jahr 1946, als Folge der Zerstörung der Brauerei im Zweiten Weltkrieg, erlebte sie mit.

Der neue Aufschwung am neuen Standort ging allerdings mit dem Verlust des Privilegs einher, am Oktoberfest Bier ausschenken zu dürfen. Auch wenn der Firmensitz nach wie vor in München ist, in Kelheim gebrautes Bier ist zur Wiesn nicht zugelassen. Aber das können die erfolgreichen Kelheimer Brauer sicher verschmerzen.

Fazit

Im 19. Jahrhundert waren die Brauereien, ihre Maschinen und Anlagen, aber auch die körperlichen Anforderungen an den Brauerberuf, unglaublich gewachsen. Das geforderte Durchhaltevermögen unter widrigsten Bedingungen, bei Hitze, Eiseskälte und Nässe, die schwere Arbeit, verbunden mit dem Tragen schwerer Lasten, sorgten dafür, dass aus einem einstmals auch weiblichen Beruf ein reiner Männerjob wurde.

Diese Zeiten sind gottlob vorbei. Fortschritte in der Maschinen- und Automatisierungstechnik haben die meisten harten Anforderungen erleichtert oder gar eliminiert. Insofern kann man als Fazit der modernen Zeit ziehen: Es gibt heutzutage keinen ernsthaften Grund mehr für eine junge Frau, warum sie nicht den Beruf der Brauerin und Mälzerin, der Braumeisterin oder der Brauingenieurin ergreifen sollte. Es gibt zwar immer mehr Frauen in diesen Berufen, aber noch immer sind die Männer in großer Überzahl. Wer weiß, vielleicht wird die eine oder andere Brauerin der jüngsten Generation auch einmal eine „Gigantin der Biergeschichte“.

Quellen

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/ (abgerufen am 12.9.2023).
  2. https://www.30jaehrigerkrieg.de/oefelin-clara-geb-baarin-de-bar/ (abgerufen am 12.9.2023).
  3. https://deutsch.radio.cz/eleonore-von-schwarzenberg-die-vampirfuerstin-auf-der-leinwand-8608507 (abgerufen am 12.9.2023).
  4. https://www.handwerksblatt.de/panorama/gesellschaft/die-geschichte-des-aventinus (abgerufen am 12.9.2023).
  5. Assél, A.; Huber, C.: München und das Bier, Volk Verlag, München, 2009.
  6. https://blogs.faz.net/bierblog/2016/06/17/wie-einmal-das-weizenbier-gerettet-wurde-821/ (abgerufen am 12.9.2023).
  7. Gattinger, K.: „Bier und Landesherrschaft“, Dissertation, Lipp Verlag, München, 2007.

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