Ist Bier aus der Mode gekommen?
Dieser Frage stellten sich zum einen die Marktforscher von Mintel bei ihren Untersuchungen über den Alkoholkonsum in Europa und seine Entwicklung seit 1999 (S. 1360) zum anderen, eher indirekt die Top-Manager der internationalen Brauszene, die sich beim 4. World Beer and Drinks Forum 2005 in München getroffen und miteinander über die Entwicklungen im internationalen Biermarkt diskutiert haben (S. 1355).
BIER VERLIERT BZW. STAGNIERT IN DEN GROSSEN LÄNDERN EUROPAS. In Deutschland
musste Bier in den letzten zehn Jahren die größten Einbußen aller alkoholischer Getränke hinnehmen. Bier steht hier im Wettbewerb mit Wein und alkoholischen Mischgetränken, die bei den jüngeren Konsumenten besonders beliebt sind. In Frankreich trinkt man Bier als Erfrischung bei warmem Wetter und sieht es nicht als „Ganzjahres-Getränk“. In beiden Ländern machen der Trend zu gesünderem Leben sowie die strengeren Gesetze aber auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dem Bier das Leben schwer. In Großbritannien hat der Bierabsatz stagniert, in Österreich hat er 2004 leicht abgenommen. Mit wesentlichen Steigerungen ist lt. Dr. Seeleitner, Präsident des Bundes Österreichischer Braumeister und Brauereitechniker, in naher Zukunft wohl nicht zu rechnen (S. 1360). Der Trend geht vor allem in Großbritannien und Frankreich zu einem geringeren Konsum bei höheren Ausgaben also zu höherwertigen Getränken.
INSGESAMT WIRD MEHR VIELFALT UND MEHR IMAGE FÜR DAS BIER GEFORDERT. An
und für sich nichts Überraschendes. Aber es erstaunt schon, wenn die Forderung von August A. Busch IV, CEO von Anheuser-Busch/USA, aktuell die Nummer 3 der Global Player im Biermarkt, kommt (S. 1355). Ihm geht es auch darum, das Bier für den Konsumenten wieder attraktiver zu machen, ihm einen höheren Wert zu verleihen. Daran müssten alle Brauereien weltweit mitarbeiten (s.a. Brauwelt Nr. 40, 2005, S. 1309). Auch John Brock, InBev, forderte Innovationen im Bierbereich, die sich in erster Line an jüngere Konsumenten und Frauen wenden, damit Bier nicht aus der Mode kommt. Interessant war, dass die Top-Manager der internationalen Brauszene dem Marketing und der Unterhaltung eindeutig einen höheren Stellenwert beimessen, als der Braukunst. Das passt zwar nicht ganz zur Forderung nach mehr Qualität, aber schon besser zum „Lean Management“ gerade in der Produktion. Nicht ganz klar dürfte auch sein, welche Innovationen das Image des Bieres anheben sollen, wenn Braukunst so unterbewertet wird. Oder soll nur immer der „alte Wein in neue Schläuche“?
Es ist natürlich nicht immer einfach für so große Unternehmen nach außen mit einer einheitlichen Strategie aufzutreten. Das gilt auch für den Fall, dass man einerseits verkündet, man wolle die Ebidta-Marge auf 30 Prozent anheben, und andererseits im hart umkämpften deutschen Biermarkt mit einer, vornehm ausgedrückt, „Preiseinstiegsmarke“ auf dem Markt kommen (Brauwelt Nr. 40, 2005, S. 1315), um sich so an der „Preispornografie“ des Handels, wie es der Marketing-Forscher Dr. Werner Beutelmeyer jüngst in Salzburg ausdrückte (s. nächste Ausgabe der Brauwelt), zu beteiligen.
IN DEUTSCHLAND RECHNEN DIE BRAUEREIEN auch für die nächsten drei Monate nicht mit einer Veränderung der Preise. Die Geschäftsaussichten allgemein werden teilweise skeptisch beurteilt, allerdings bei weitem nicht mehr so häufig wie bei der letzten Erhebung des ifo-Konjunkturtests (S. 1358). Bei den Erfrischungsgetränken machte sich zuletzt ein sogar „zarter Optimismus“ bemerkbar. Wenn dann die deutschen Brauer hinsichtlich Optimismus und Glaube an ihre eigenen Fähigkeiten noch mehr von den Global-Playern lernen sowie stärker auf die Wünsche der Konsumenten eingehen, könnten sie die Talsohle bald durchschritten haben, höhere Erträge einfahren und wieder mehr investieren, zum Wohle aller.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 41, 2005, S. 1353