Werte als Trumpfkarte im Mengenspiel
Zwei unterschiedliche Veranstaltungen, unterschiedliche Redner, ein anderes Publikum – und doch derselbe Fokus, dieselben Argumente, dieselbe Quintessenz. Es scheint langsam Bewegung in die Frage nach „Menge oder Marge?“ zu kommen. Oder zumindest die Erkenntnis einzutreten, dass Menge nicht für alle die richtige Strategie ist und also etwas passieren muss. Dies zeigen die aktuellen Veranstaltungsberichte in der heutigen BRAUWELT. Endlich – möchte man anfügen!
Vom krisenmotivierten Perspektivwechsel – Das Krisenjahr 2009 als Ursache für die aktuelle Situation auf dem deutschen Biermarkt zu betrachten – das sei zu wenig, sagte Brauerbund-Präsident Michael Weiß, Meckatz, bei der 55. Brauwirtschaftlichen Tagung in Freising. Ebenso das Hoffen auf schönes Wetter und guten Fußball als Ausweg. Die Krise berge vielmehr auch Chancen, die gerade kleine und mittelständische Brauereien wesentlich besser nutzen könnten als große: Die Rückbesinnung auf Werte wie Regionalität, Authentizität und Individualität. Das Streben nach Menge, wie die Großen es tun, sei eine Möglichkeit im Spiel um den Erfolg. Da aber nur wenige hierfür die Voraussetzungen haben, sollten sich alle anderen fragen, ob sie der Menge nicht besser Werte entgegensetzen, die der Verbraucher emotional wie finanziell wertschätze (S. 569).
Allzu selbstverständlich – Auch die Bier-Quer-Denker haben sich diesem Ziel verschrieben. Bei ihrem nun schon dritten Workshop stand der Einsatz verschiedener Getreidesorten im Mittelpunkt. Dr. U. Lebock, K&A BrandResearch AG, Nürnberg, stimmte die Teilnehmer auf das Thema ein. Und er vertrat dieselbe Position wie M. Weiß: Bier ist einerseits zu alltäglich geworden, andererseits gibt es „keinen Automatismus beim Biernachwuchs“. Die Bedürfnisse des Verbrauchers nach Emotionen werden vom Marketing immer noch nicht bedient, bemängelte Lebok. Es gibt noch viel Luft nach oben, um den Verbraucher zu verführen, so der Marketing-Experte (S. 570).
Allzu offensichtlich – Wem dies zu vage, zu wenig greifbar ist, dem sei der Beitrag über die Entwicklungen auf dem internationalen und nationalen Biermarkt 2008 empfohlen (S. 577). Diese Zahlen und Hintergründe zeigen auf der großen Weltbierbühne wie auch auf nationaler Ebene ein identisches Bild: Die Konzentration der Großen, die schwindende Lust der Verbraucher am alltäglichen Bier und Nischen, in denen innovative, unkonventionell denkende, Verbraucher-orientierte Brauereien aufblühen können.
Autoren
Lydia Junkersfeld
Quelle
BRAUWELT 19-20, 2010, S. 567