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14.05.2019

Flexibilität total – die Abfüllung der Zukunft

Interview | Pünktlich zum 25. Flaschenkellerseminar in Weihenstephan wurde am 4. Dezember 2018 die Demonstrationsanlage RoboFill 4.0 am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie (BGT) der TU München (TUM) in Betrieb genommen. RoboFill 4.0 ist ein wissenschaftlicher Meilenstein in der Abfüllung. Die BRAUWELT widmet diese Ausgabe detailliert dem Projekt und den Partnern, die bis zum jetzigen Zeitpunkt an der Umsetzung des Projektes mitgearbeitet haben. Den Anfang machen wir mit einem Interview mit Christoph Neugrodda, der am BGT-Lehrstuhl maßgeblich beteiligt war.

Herr Neugrodda, für all diejenigen, die sich bisher noch nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben: Was ist RoboFill 4.0

Christoph Neugrodda: Das ist eigentlich nicht schwierig zu erklären. RoboFill 4.0 betrachtet digitale Technologien für die Getränkeproduktion der Zukunft mit folgender Zielsetzung: größtmögliche Individualität in der Ausführung, Integration des Kunden in die Produktgestaltung sowie hohe Flexibilität in der Produktion. An dem Projekt haben wir jetzt drei Jahre gearbeitet und freuen uns nun, die Ergebnisse in Form eines Forschungsdemonstrators bei uns in der Forschungsbrauerei vorführen zu können.

Christoph Neugrodda ist fasziniert von den Möglichkeiten, die RoboFill 4.0 bietet

RoboFill ist also das Ergebnis eines Forschungsprojektes

Neugrodda: Ja, genau. Das Projekt war zunächst auf drei Jahre – von 2015 bis 2018 – angelegt, ist aber verlängert worden. Hier gilt unser aller Dank der Bayerischen Forschungsstiftung für die Finanzierung über drei Jahre sowie dem VDMA Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen für die Ausstellung des Exponates auf der drinktec 2017.

Die wissenschaftliche Bearbeitung und administrative Koordination erfolgte in Zusammenarbeit der TUM-Lehrstühle für Brau- und Getränketechnologie, Lebensmittelverpackungstechnik und des Fraunhofer Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), Projektgruppe IGCV. Beteiligt waren aber auch einige namhafte Unternehmen mit Expertise in speziellen Bereichen des Projektes. Die Aufgabe lautete, ein völlig neuartiges, flexibles und modular erweiterbares Konzept zur industriellen Bereitstellung von personalisierten und kundenindividuellen Getränken in kleinster Auflage zu entwickeln. Oder einfacher ausgedrückt: Es geht um ein Konzept zur automatischen Abfüllung von Getränken nach individuellem Kundenwunsch und mit der Losgröße 1.

Und wie sieht das nun konkret aus

Neugrodda: Wenn man ins Detail geht, wird es natürlich komplizierter. Anstelle einer starren Verkettung der einzelnen Prozesse in der Abfüllung, wie wir es heute kennen, werden alle autonomen Anlagenkomponenten als cyber-physische Systemkomponenten intelligent miteinander vernetzt. Das bedeutet, es gibt eine physisch vorhandene Abfüllanlage und dazu einen digitalen Zwilling. Sogar jede einzelne Flasche hat einen digitalen Zwilling. Über den digitalen Zwilling sind alle Komponenten in der Lage, miteinander, mit dem Kunden oder auch dem Betreiber der Anlage zu kommunizieren. Auf diese Weise ist es jetzt möglich, die Produktion individuell und autonom zu steuern. Die Flasche wird zu einem intelligenten Produkt und steuert sich sozusagen selbst durch die Produktion. Ich kann als Kunde also z.B. ein Biermischgetränk in einer individuellen Zusammensetzung ordern, das in eine bestimmte Flasche gefüllt wird und ein individuelles Etikett erhält.
Gleichzeitig bildet dieses Verfahren aber auch die Grundlage für den Einsatz verschiedener Optimierungsverfahren in der Produktionstechnik. Als Beispiel lässt sich die vorbeugende Wartung nennen.

Was ist in Weihenstephan entstanden

Neugrodda: Die Forschungsergebnisse sind in eine Pilotanlage mit einer Leistung von 150 Flaschen pro Stunde in der Forschungsbrauerei des TUM-Lehrstuhls für Brau- und Getränketechnologie eingeflossen. Das ist die Anlage, die im Dezember in Betrieb gegangen ist. Ziel ist – wie schon gesagt – die Herstellung verkaufsfähiger Produkte, sodass die konkrete Umsetzung des Konzepts im Mittelpunkt stand.

 

RoboFill 4.0 bietet Flexibilität pur

Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan war als Industriepartner dabei, um bereits in der Forschungsphase die zukünftige Transferfähigkeit der Ergebnisse in die Praxis sicherzustellen. Kern des neuen Konzepts bilden flexible Verfahren,
die die Herstellung dieser Unikate erst ermöglichen: eine direkte Tintenstrahlbedruckung (Dekron GmbH) und ein neuartiges Abfüllsystem zur flexiblen Dosage unterschiedlicher Flüssigkeiten in einem Abfüllvorgang (Krones AG). Zur Vernetzung dieser Module kommt ein hochflexibles Materialflusssystem zum Einsatz, das die Aufgabe eines systeminternen Logistik-Dienstleisters übernimmt. Es besteht aus Robotern der Firma Yaskawa Europe GmbH, die Greifer wurden von der Zimmer GmbH entwickelt und von der Beckhoff Automation GmbH wird das XTS-System eingesetzt.

Die Produktionssteuerung sowie die Synchronisierung der einzelnen Materialfluss- und Anlagenmodule erfolgt durch das Produkt selbst. Mit dem Multiagentensystem iAgent bringt die infoteam software AG hierfür eine Kernkomponente in das Forschungsprojekt mit ein. Ein QR-Code ermöglicht individuelle Identifikation und garantiert Rückverfolgbarkeit. Die virtuelle Produktionsumgebung setzt sich dabei aus sicher vernetzten (Siemens AG) Cloud-basierten Diensten zusammen, die ein Multiagentensystem, ein webbasiertes Kundenportal sowie die Auftrags- und Datenverwaltung (ProLeiT AG) mit einem Datenbanksystem umfasst.

Herr Neugrodda, herzlichen Dank für den Überblick. Wir werden im Folgenden mit den Beiträgen der am Projekt beteiligten Firmen das Konzept näher betrachten.

Neugrodda: Sehr gerne. Und wer RoboFill 4.0 in Aktion sehen möchte, kann gerne nach Weihenstephan kommen oder unsere Homepage http://robofill.wzw.tum.de besuchen.

Das Interview führte Dr. Lydia Junkersfeld.

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