Giganten der Biergeschichte: Frederick und Maximilian Schaefer
Lagerbier | Für diese Folge der „Biergiganten“ gehen wir wieder in die USA, beginnen aber im hessischen Wetzlar an der Lahn. Dort begann das Leben zweier Brüder, die heute nur noch Insidern bekannt sind – im Gegensatz zu den großen amerikanischen Brauernamen wie Anheuser, Busch, Coors oder Miller. Und doch haben sich diese beiden Männer aus Wetzlar unschätzbare und unwidersprochene Verdienste um die US-amerikanische Brauwirtschaft erworben.
Frederick Schaefer wurde am 29. September 1817 in Wetzlar geboren, sein Bruder Maximilian Karl Emil folgte ihm am gleichen Ort am 23. Juni 1819 nach. In Wetzlar, einer Kleinstadt mit damals etwa 5000 Einwohnern und seit 1815 zu Preußen gehörend, verbrachten die beiden auch Kindheit und Jugend. Über das Elternhaus ist nichts bekannt.
Maximilian erlernte das Bierbrauen. Frederick hingegen, der von seinem Bruder „Fritz“ genannt wurde, zog es nach Amerika, wo er am 23. Oktober 1838 völlig mittellos in New York City ankam. Überliefert ist eine Barschaft von genau einem Dollar. Jedoch er war motiviert und wollte etwas aus seinem Leben machen.
Bereits nach zwei Wochen arbeitete er in der Brauerei Sebastian Sommers, die sich am Broadway zwischen der 18th und 19th Street befand. Kurz darauf folgte ihm sein zwanzigjähriger Bruder nach. Am 6. Juni 1840 kam auch Maximilian in New York an.
Die Gründe für die Auswanderungen sind nicht bekannt. Aber es wird, wie bei anderen Auswanderern auch, die übliche Melange gewesen sein: schlechte wirtschaftliche Perspektiven, militärische Repression in Preußen, und andererseits die Hoffnung auf das „Gelobte Land“.
Maximilian führte ein Tagebuch, daraus ist eine Packliste für die USA erhalten. Wenig für unsere Verhältnisse, aber sicher gehörte er damit nicht zu den ganz Armen, die sich nach USA aufmachten.
In New York angekommen, fand der gelernte Brauer schnell Arbeit, und gemeinsam arbeiteten die Brüder an ihrem Traum, waren fleißig und sparsam. Bald fühlten sie sich bereit, als Unternehmer tätig zu werden. Sie kauften gemeinsam die Anteile Sommers‘ auf und gründeten im September 1842 die New Yorker F. M. Schaefer Brewery. 1880 wurde zwischen F. und M. noch ein „&“ hinzugefügt, F. & M. Schaefer Brewing Company hieß die Brauerei dann für die nächsten 100 Jahre.
Fleißig, sparsam und geschäftstüchtig
Aber warum wurde Maximilian dann der berühmtere der beiden Brüder? Es lag nicht nur am längeren Leben. Es war Maximilian, der das legendäre Rezept mit über den großen Teich gebracht hatte, welches nicht nur den Durchbruch für ihre Brauerei bedeutete, sondern generell für das Lagerbier in den USA. Denn in den 1840er-Jahren trank und kannte in den USA noch niemand diesen Bierstil. Man trank Ale, Porter oder andere obergärige Biersorten, die von Einwanderern aus verschiedenen europäischen Ländern mitgebracht worden waren.
Allgemein gilt das Jahr 1841 als Geburtsjahr des Lagerbiers. Als sein Erfinder wurde Anton Dreher (Folge 8 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 50, 2021, S. 1298–1301) reich und berühmt. Wenn Maximilian Schaefer also um diese Zeit bereits ein gutes Rezept für Lagerbier hatte, bedeutete das einerseits, dass er brautechnisch voll auf der Höhe der Zeit war, andererseits hielt er offenbar Kontakte nach Europa, da er doch bereits vor Drehers Durchbruch ausgewandert war.
Allerdings ist der erste Sud Schaefer-Lagerbier auf 1848 datiert. Offenbar braute man erst mal sechs Jahre lang die üblichen obergärigen Biere, dann aber war die Zeit reif. Die New Yorker Biertrinker begrüßten das erste helle, knackige, untergärige, kalt vergorene und kalt gelagerte Bier mit großem Enthusiasmus.
Und Maximilian Schaefer war es auch, der entscheidend am brautechnischen Fortschritt beteiligt war, nicht nur für seine eigene Brauerei, sondern für die gesamte Bierbranche der USA in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Ungebremstes Wachstum in New York
Die Schaefer-Brüder erwiesen sich als sehr geschäftstüchtig. In den Jahren nach der Brauereigründung kauften sie einige Grundstücke in Manhattan (damals noch erschwinglich). Die Grundstücke gewannen rasch an Wert und sicherten den Schaefer-Brüdern eine solide Finanzbasis, die sie für den Ausbau ihrer Brauerei auch brauchten.
Das Schaefer-Lagerbier wurde beliebt und erfolgreich. Man wuchs so rasch, dass die Brauerei gleich zwei Mal innerhalb New Yorks den Standort wechseln musste.
Bereits 1845 lag die neue Brauerei an der 7th Avenue, zwischen der 16th and 17th Straße. 1849 erfolgte der Umzug in die 4th Avenue, wo die Brauerei dann für die nächsten 67 Jahre verblieb.
1857 eröffnete in der Schaefer-Brauerei die erste eigene, ungewöhnlich große Malzfabrik. Ein Jahr danach kam ein geräumiges, vierstöckiges Gebäude hinzu, in dem eine der ersten modernen Kühlanlagen Amerikas Platz fand.
Gleich in der Nähe, nur ein wenig südlich, wurde dann 1871 die Grand Central Station eröffnet – die Schaefer-Brauerei lag nun also nicht nur extrem verkehrsgünstig, sondern auch inmitten in einer der begehrtesten, wachstumsstärksten Gegenden der USA.
Schaefer war mittlerweile die sechstgrößte Brauerei in den USA. Über die Jahre hinweg wuchsen Erfolg, Wohlstand und auch das Ansehen der Schaefer-Brüder. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum wurde ihr Lagerbier aufgrund seiner gleichbleibenden hohen Qualität als „Standardbier für den Handel“ gepriesen.
Mit 84 Jahren, also 1903, war Maximilian Schaefer angeblich der älteste Einwohner New Yorks – zu dieser Zeit hatte New York ca. 3,5 Mio Einwohner. Der älteste Lagerbier-Brauer war er sowieso.
Wohltäter und Menschenfreund für seine Landsleute
An ihrem Reichtum ließen die beiden Brüder bevorzugt ihre deutschen Miteinwanderer teilhaben. Dazu ist jedoch ein kleiner Einschub erforderlich: Auf der Lower East Side in Manhattan siedelten sich im 19. Jahrhundert mehr und mehr Einwanderer aus dem damaligen deutschen Bund an. 1840 wurde die Zahl der Deutschen in New York auf 24.000 geschätzt.
Armut, Arbeitslosigkeit, Hungersnot und religiöse Unterdrückung verstärkten die Einwanderungswelle nach 1848 noch einmal. In dieser Zeit entstand nördlich des heutigen Bowery Viertels und der Division Street das erste Kleindeutschland („Deutschländle“). 1855 hatte New York, neben Berlin und Wien, die größte deutschsprachige Bevölkerung. 1880 machten die Deutschen und ihre Nachkommen in New York City bereits ein Viertel der Bevölkerung aus. Die Zahl der Deutschen war auf 170.000 gestiegen und um den Tompkins Square Park blühte die deutsche Kultur.
„Deutschländle“ war das erste Viertel in der Geschichte der USA, das eine komplett andere Sprache als Englisch sprach. Bierhallen, Schützenvereine, Clubhäuser, Schulen, selbst eine eigene Bibliothek und Krankenhäuser waren speziell für die deutschen Einwanderer da. Und wer Erfolg hatte, gab seinen Landsleuten davon etwas ab.
Wie insbesondere Maximilian Schaefer, der offenbar mehr in der Öffentlichkeit stand als Frederick. Maximilian Schaefer war großzügiges Mitglied in allen erdenklichen deutschen Wohltätigkeitsvereinen New Yorks. Dazu gehörten das Deutsche Krankenhaus (1840 als „German Dispensary“ gegründet und bis 1870 in Betrieb), das „German Hospital and Dispensary“ (1868 als Poliklinik gegründet, heute heißt es „Lenox Hill Hospital“), die „Isabella-Heimat“ (ein Altersheim), das St. Markus Krankenhaus, der Öffentliche Hilfsverein, das Wartburg-Waisenhaus sowie der „Deutsche Verein“. Auch kulturell aktiv, gehörte er dem „Beethoven-Männerchor“ und dem „Deutschen Liederkranz“ an.
Fredericks Gesundheit verschlechterte sich jedoch dramatisch, so dass er sich Anfang der 1890er-Jahre aus dem Geschäft zurückzog. Er verstarb am 20. Mai 1897. Maximilian übernahm die alleinige Leitung der Brauerei. Maximilian Schaefer starb am 23. März 1904, drei Monate vor seinem 85. Geburtstag, als einer der angesehensten Brauer Amerikas. Beide Brüder liegen auf dem Woodlawn Cemetery im Stadtteil Bronx begraben.
Die Erben verdanken ihren Erfolg ihren Vorfahren
Zu diesem Zeitpunkt waren alleine die Grundstücke, auf denen die Brauerei stand, ein Vermögen wert. Als Maximilians Sohn Rudolph Jay Schaefer Maximilians Nachfolge übernahm, war er sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst. 1912 wurde er Präsident der Brauerei, gleichzeitig erwarb er 50 Prozent der Anteile von Fredericks Erben.
Nun hatte er die volle Kontrolle und begann den Umzug zu planen. 1914 verkaufte er Teile der Grundstücke für kolportierte 1,5 Millionen Dollar. Im Juni 1915 gab die Brauerei bekannt, dass die Schaefer-Brauerei zukünftig in Brooklyn, zwischen East River, Kent Avenue South 9th and 10th Street, ihr neues Zuhause hätte. Mit den hohen Erlösen der Grundstücksverkäufe errichtete Rudolph Schaefer bereits im nächsten Jahr die angeblich modernste und schönste Prä-Prohibitions-Brauerei der USA.
Noch 70 Jahre später profitierte der Nachfolger von der klugen Geschäftspolitik von Vater und Onkel. Umso tragischer, dass 1919 die Prohibition all dem ein vorläufiges Ende setzte. Rudolph beschloss, dass das so genannte „Near-Beer“, ein alkoholfreies Malzgetränk, besser war als die Brauerei zu schließen. So hielt man sich mit Near-Beer sowie der Produktion von Farbstoffen und Kunsteis über Wasser.
Rudolph Schaefer verstarb 1923, ohne seine Brauerei jemals wieder in richtigem Braubetrieb zu sehen. Seine Söhne Frederick M. E. und Rudolph Jr. übernahmen das Geschäft. 1933, nach dem Ende der Prohibition, wurde der reguläre Braubetrieb wieder aufgenommen. Die Brauerei warb nach der Prohibition mit dem Slogan „Our Hand Has Never Lost Its Skill“.
Nach dem 2. Weltkrieg wuchs Schaefer weiter, erwarb einige weitere Brauereien, auch in anderen Staaten. Die Brauerei in Brooklyn wurde 1976 geschlossen. 1981 ging alles in das Eigentum der Stroh Brewery Company über. Stroh wurde dann 1999 von der Pabst Brewing Company übernommen. Das Unternehmen mit Sitz in Los Angeles besitzt keine eigenen Brauereien mehr, so werden alle Biere im Lohnbrauverfahren gebraut.
2020 wurde die Marke „Schaefer“ in einer besonderen Kampagne mit neuem Design vermarktet, als „Leichtes Lager, mit vollem Aroma und 3,8 % vol. Alk.“
Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.
Quellen
- Borkenhagen, E.: „Bedeutende Brauer“, VLB, Berlin, 1959.
- https://brookstonbeerbulletin.com/historic-beer-birthday-maximilian-schaefer/, abgerufen am 18.06.2024.
- https://brookstonbeerbulletin.com/historic-beer-birthday-frederick-schaefer, abgerufen am 18.06.2024.
- https://www.beerhistory.com/library/holdings/schaefer_anderson.shtml, abgerufen am 18.06.2024.
- https://en.wikipedia.org/wiki/F._%26_M._Schaefer_Brewing_Company, abgerufen am 18.06.2024.
Schlagworte
Deutschland Historisches Porträt USA
Autoren
Günther Thömmes
Quelle
BRAUWELT 17, 2024, S. 633-635