Die Unternehmerwelt der Zukunft
Getränke Impuls Tage | Bei den Getränke Impuls Tagen (19. - 22. Januar 2020) im österreichischen Leogang ging es in diesem Jahr vornehmlich um menschliche Werte und das Miteinander im Unternehmen, und so lautete das Motto „Leadership, Menschen und Emotionen“. Dieter Klenk hat mit seinem leicht veränderten und verjüngten Beirat wieder ein abwechslungsreiches Programm gestrickt – und wie immer bot sich für die rund 120 Teilnehmer genügend Raum zur Pflege bestehender und neuer persönlicher Kontakte.
Vor Normalität in der Kommunikation warnte Robert Seeger, Seeger Marketing GmbH, Wien, Österreich, und empfahl sich eher „verrückt, clever und sexy“ zu geben. Vorhersehbarkeit löse nur Langeweile statt Freude aus und so hält er Bonuskarten mit festen Prämien für unpassend. Besser sei es, den Kunden mit spontanen Aktionen zu überraschen und damit für die Kunden Momente zu schaffen, die positiv in dessen Erinnerung bleiben. Es sei Mut erforderlich, die 3-H-Methode anzuwenden, denn mit „Hirn, Herz und Haltung“ gefalle man nicht jedem. Neben Kreativität und Improvisation schwärmte Seeger von der Prokrastination – gezieltes Aufschieben als schöpferische Pause. Für ihn gehört die Zukunft den Mutigen und Frechen, die mit Herzblut, Leidenschaft und Fachwissen glänzen.
Nicht so rockig präsentierte Johannes Gutberlet, Business Coach, St. Gilgen, Österreich, die Frage, wie „Leadership die Mitarbeiter erreicht“. Das alte Führungsmodell des „Bergführers“ oder „Helden“ an der Spitze eines Unternehmens funktioniere nicht mehr. Darauf hätten einerseits die Menschen keine Lust, und außerdem sei heute die Informationsflut für einen alleine nicht mehr zu bewältigen, so Gutberlet. Zum Führen gehört für ihn auch das „Sich-Führen-Lassen“, es ist also keine einseitige Angelegenheit. Wenn man Veränderungen in einem Unternehmen erreichen möchte, müsse man immer die drei Ebenen betrachten, die aus den Individuen, dem Team und der ganzen Organisation bestehen.
Markus Wasserle, Wasserle GmbH, Kaufering, zeigte, dass man auch im hart umkämpften Markt der Gebäudedienstleister seine Nische finden kann. Sein Unternehmen ist auf Wachstumskurs, besteht seit 15 Jahren und beschäftigt inzwischen mehr als 300 Mitarbeiter. Für Wasserle steht der Mensch im Mittelpunkt, und so schafft er durch Sprachkurse, Unterstützung bei Behördengängen, Mitarbeiterdarlehen oder weiteren Maßnahmen ein positives Arbeitsumfeld, ohne Spitzenlöhne zu zahlen.
Wie sich durch die Änderung der Rahmenbedingungen und den gesellschaftlichen Wandel das Geschäftsmodell ändern kann, zeigte Denny Witt vom Tabakkonzern Philipp Morris. Die klassische Zigarette wurde zu lukrativen Konditionen ausschließlich über den Fachhandel verkauft. Durch intensive Forschung wurden vier weniger schädliche Alternativen des Tabakkonsums gefunden. Mit dem Produkt IQOS wird Tabak nur noch verdampft und damit werden wesentlich weniger Schadstoffe freigesetzt. Der eigentliche Wandel bestehe für Philip Morris aber in der Schaffung neuer Vertriebswege und dem direkten Kundenkontakt, so Witt. Denn das elektronische Trägersystem werde auch direkt online an Kunden verkauft, und deshalb mussten diese Vertriebskanäle einschließlich Kundenservice erst entwickelt werden.
Für Sylvia Etter, Assistant Vice President International bei AT & T, Böblingen, liegt im richtigen Management des Themas „Diversity“ ein großes Umsatzpotential. Es geht aber um mehr als den prozentualen Anteil von Frauen im Unternehmen oder Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und verschiedener Hautfarbe. Für Etter neige man dazu, Personen in „Schubladen“ einzuteilen, und in der Kommunikation gehe es beim Zuhören um das Verstehen und nicht um ein reflexartiges Antworten. Für große, internationale Firmen ist Diversity also eine komplexe Aufgabe, aber auch im Mittelstand lohnt es sich, sich damit zu beschäftigen, wie das Beispiel Wasserle gezeigt hat.
Kultur- und Klimawandel
Laura Himmler und Thomas Raiser, BarthHaas GmbH & Co. KG, Nürnberg, zeigten den Kulturwandel des 225-jährigen Unternehmens, der in der Umfirmierung Ende des Jahres 2019 auch nach außen hin kommuniziert wurde. Der Hopfenmarkt hat sich durch die weltweite Craft Bier-Bewegung geändert. BarthHaas hat darauf reagiert und kann heute nicht nur kleinere Hopfenmengen liefern, sondern bietet ein Beratungsteam aus zehn Brautechnologen, die Hops-Academy zur Vermittlung von Hopfen-Know-how, ein eigens entwickeltes Verkostungsschema Hopsessed® sowie eine neue Versuchsbrauerei mit Sensorik-Bereich und einer Küche für Foodpairing am Standort Nürnberg. Mit externer Unterstützung durch Weissmann & Cie, Nürnberg, wurde dann das Kulturprojekt gestartet mit dem Ziel, den Mitarbeitern die Notwendigkeit des Wandels zu erklären und das Unternehmen dynamisch und agil zu gestalten (Der gesamte Prozess gleiche einem Marathon und keinem Sprint, so Raiser).
Mit einem ganz anderen Wandel, nämlich dem des Klimas, befasste sich der Vortrag von Sven Plöger, Dipl. Meteorologe und TV-Moderator, Köln. Für ihn sprechen die wissenschaftlichen Fakten eine klare Sprache, und der Klimawandel werde nun „haptisch“ – denn die letzten 23 Jahre waren in Deutschland „zu warm“ und zeigten damit einen eindeutigen Trend. „Populismus ist kein Scherz“, stellte Plöger fest, und außerdem seien damit noch nie Probleme gelöst, sondern nur neue erzeugt worden. „Klimawandel-Leugner haben die Physik nicht verstanden“, wetterte er und zeigte, welch dramatische Vorgänge bereits jetzt im Gang sind und dass der CO2-Ausstoß dringend verringert werden müsse. Als Ausweg sieht Plöger neben der Nutzung der Wind- in erster Linie die Sonnenenergie und verstärktes Energiesparen.
Dr. Alexander Smerz, Doehler Group, Darmstadt, gab mit seinem Vortrag einen Einblick in die aktuellen Trends bei den Ingredienzen für die Lebensmittel- und Getränkeherstellung. Ungebrochen sei die Fragmentierung im Markt, die mit einer Vielzahl von Verpackungs- und Geschmacksvarianten zu einer individuellen Ansprache des Konsumenten führe. Die Megatrends zu Nachhaltigkeit, Natürlichkeit und Gesundheit, aber auch Convenience, multisensorische Eindrücke und die Digitalisierung beeinflussen die Gestaltung von neuen Rezepten für Getränke. „Schnelllebige Trends erfordern rasche Supply-Chain-Lösungen“, erklärte Smerz. So könne man mit Botanical Extracts oder natürlichen Feinstpulvern eine Vielzahl von natürlichen Inhaltsstoffen ohne künstliche Anreicherungen bieten. Am Beispiel eines Apfel-Fruchtsaft-Getränks zeigte Smerz, wie man heute durch „intelligentes Blending“ eine deutliche Reduktion des Zuckergehaltes erreichen kann.
Durch „Intrapreneurship“ kann sich ein Unternehmen die Mechanismen der Start-ups zu Nutze machen. Robin Weninger, shapingwork GmbH, Frankfurt, zeigte, mit welchen agilen Methoden man die Geschäftsmodelle von morgen entwickeln kann und dabei den Ideenreichtum der Mitarbeiter nutzt. „Traditionelle Modelle wirken nicht mehr“, stellte er fest, weil diese die Entwicklungskosten neuer Produkte meist unnötig in die Höhe treiben würden. Das Produkt eines Start-ups, das vielleicht in der Getränkelogistik Fuß fassen könnte, zeigte Jonas Mast von Hunic, Baiersbronn, mit einem Exo-Skelett. Ursprünglich mit Motoren und Steuerung angedacht, stellt sich „Softexo“ jetzt als ein leicht zu tragendes Stütz-Korsett aus Bändern dar, mit dessen Hilfe die Wirbelsäule und Gelenke bei der Arbeit entlastet werden.
Ausgerechnet ein Professor für das Design digitaler Prozesse empfiehlt, sich von der Digitalisierung nicht vereinnahmen zu lassen. „Wir haben doch keine Zeit“, beschrieb Prof. Sascha Friesike von der Universität der Künste, Berlin, ein grundsätzliches Problem von heute. Der Glaube an den Prozess und die Technik als grundsätzliche Lösung reduziere die Kreativität. „Neues entsteht, wenn wir Dinge verbinden“, resümierte er. Als positive Beispiele nannte Friesike die Nutzung digitaler Technik bei der Steuerung von Wärmekammern, die dem Bäckerhandwerk wieder traditionelles Backen ermöglichen, Zimmerleute im Bregenzer Wald, die mit Abbinderobotern wieder alte Holzverbindungstechniken nutzen können und minimalinvasive Roboter im Operationssaal. Er empfahl bei der Digitalisierung besser einen kontinuierlichen Prozess voranzutreiben als sich an den vermeintlich richtig großen Wurf – den Moonshot – zu wagen.
Kamingespräch und Weltpolitik
Das Kamingespräch gehört bei den Getränke Impuls Tagen inzwischen zum festen Bestandteil. Peter Traa, ErfolgsCoaching, Großbottwar, hatte dieses Mal Deutschlands einzige Master Sommelière Helga L. Schroeder aus Stuttgart zu Gast. Anschaulich beschrieb sie, welch intensive Ausbildung und welch umfangreiches Prüfungsprogramm dazu durchlaufen werden musste. Abgehandelt werden dabei alle Getränkegattungen außer Milch mit einem Schwerpunkt auf Wein – die durchschnittliche Dauer dieser vier Module dauert neun Jahre. Nach ihrer Ausbildung in Gastronomie und Hotellerie hatte sie die Motivation, sich noch weiterzubilden. Neben dem Fachwissen lerne man fürs Leben dabei durchzuhalten, persönliche Niederlagen zu verkraften, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen, so Schroeder.
Die meiste Redezeit hatte zweifellos Börsenexperte und Bestsellerautor Dirk Müller, Reilingen, denn er stimmte die Teilnehmer bereits am Hüttenabend thematisch auf seinen Vortrag am nächsten Tag ein. Letztendlich geht es für ihn bei vielen der aktuellen Konflikte und Krisen weltweit um den geopolitischen Machtkampf zwischen China und den USA. Letztere wollten ihre Vormachtstellung der letzten Jahrzehnte sowohl als Wirtschaftsmacht als auch Militärmacht verteidigen, erstere strebten systematisch danach, die Nummer Eins weltweit zu werden. Für Müller setzt US-Präsident Trump zurzeit alles daran, mit seiner Unberechenbarkeit Chinas Präsident Xi Jinping das Leben zu erschweren oder ihn sogar aus dem Amt zu hebeln. Für die Aktienmärkte rechnet er mit einem stabilen Dow Jones bis zur US-Wahl, denn einerseits habe die Steuerpolitik der USA den Unternehmen dort gute Gewinne beschert und anderseits stütze sich die Altersvorsorge vieler Amerikaner auf Aktien. Zur Beurteilung von Aktien lautete Müllers Empfehlung, nicht nur die Unternehmen sehr sorgfältig auszuwählen, einen Anlagehorizont von ideal fünf bis zehn Jahren zu haben, sondern stets auch den geopolitischen Einfluss auf die Börse zu berücksichtigen. Zusammenfassend fand er „ging es uns noch nie besser!“ und riet den Anwesenden, sich ihre persönliche Welt und ihr Umfeld „besser und schöner“ zu gestalten. Die Familie als Backbone, lokal einkaufen und regionale Netzwerke bilden. Ein „wertschätzender Freundschaftspreis“ könne da durchaus auch mal höher ausfallen, riet Müller.
Der Generation Award für erfolgreiche Unternehmensübergabe wurde in unregelmäßigen Abständen verliehen und bisher wurde die beiden Familienunternehmen Boecken aus Köln und Tack aus Burgbrohl ausgezeichnet. Dieses Mal wurden Günther Guder und sein Nachfolger Jens Reinsberg vom Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels e.V., Düsseldorf, geehrt.
Kurz zusammengefasst lässt sich folgendes Resümee aus den Vorträgen ziehen: Treiben Sie mit agilen Methoden die Digitalisierung im Unternehmen voran, begegnen Sie den Menschen bzw. Mitarbeitern offen und wertschätzend, bilden und nutzen Sie regionale Netzwerke.
Das zehnjährige Jubiläum der GIT findet von 17. - 20. Januar 2021 wieder in Leogang statt. Anmeldungen dazu sind ab sofort unter www.getraenke-impulstage.de möglich.
Schlagworte
Getränkemarkt Unternehmensführung Digitalisierung Seminar
Autoren
Michael Schmitt
Quelle
BRAUWELT 7, 2020, S. 188-191
Firmen
- Konzept & Service marketing + eventmanufaktur GmbH, Rosengarten, Deutschland