Giganten der Biergeschichte: Johann Baptist Caspary
Erfolgreicher Brauherr im Weinland | Man muss nicht eine millionenschwere Brauerei gegründet haben, um sich als „Gigant der Biergeschichte“ zu qualifizieren. Es genügt bisweilen ein spannender Lebenslauf (Alexander Rolinck, BRAUWELT Nr. 9, 2024) oder Erfindungen, die ihrer Zeit voraus waren (Dr. Leopold Nathan, BRAUWELT Nr. 3, 2023). Am besten ist jedoch eine Mischung aus Können, Glück und gutem Unternehmertum.
Wenn das Können dann noch breit gefächert ist, wie beispielsweise als Brauer und Erfinder beziehungsweise Ingenieur, dann steht einer derartigen Beförderung nichts mehr im Wege. So auch bei unserer neuen Kurzbiographie. Ein Mann, der viele Talente besaß und damit die Grundlage für eine Brauerei legte, die immerhin fünf Generationen lang bestand. Dazu begeben wir uns in eine der schönsten Weinregionen Deutschlands: an die Mosel.
Beginnen wollen wir unsere Erzählung in den nur durch die Mosel getrennten Weinorten Bernkastel und Cues (das sich seit 1836 Kues schreibt), die heute gemeinsam die schöne Stadt Bernkastel-Kues bilden. Der Weinbau hat dort eine uralte Tradition. Die heutigen Weinlagen wie der „Doctor“, das „Rosengärtchen“ oder das „Bratenhöfchen“ entstammen nicht der Fantasie von Loriot, sondern sind, ganz im Gegenteil, der Ursprung weltbekannter Weine.
Umso schwerer sollten es Bierbrauer in einer derart vom Wein geprägten Region haben. Sollte man meinen. Dennoch ist das Brauwesen dort bereit seit ca. 1650 nachweisbar. Für die 2000 bis 4000 Einwohner in diesen Zeiten, je nach politischer und kriegerischer Lage, genügte allerdings nicht eine Brauerei, es gab immer gleich mehrere Brauhäuser. Mit denen wir uns jedoch nicht weiter befassen wollen. Die Familiennamen, die die folgenden Jahrhunderte des örtlichen Brauwesens prägen sollten, waren Dillinger, Schmitgen, Cunen, Wagner, und eben auch Caspary.
Der Name Caspary ist seit 1477 an der Mosel nachweisbar. Die Familie trieb sich in vornehmen Kreisen herum, als Gutsverwalter von Liegenschaften des Aachener Münsters an der Mosel oder ähnlichem. Als Hofleute und auch Handwerksmeister waren sie wohlhabend und geachtet. Der erste für uns relevante Caspary schrieb sich noch Caspari, hieß mit Vornamen Nikolaus (18. Februar 1769 – 20. November 1855) und brach mit der vorgenannten, höfischen Familientradition.
Ab 1788 arbeitete er in der „Cunen’schen Brauerei“. Die war im April 1760 zwischen Hebegasse und der Straße „Hinterm Graben“ (seit 1906 Grabenstraße) an der Stadtmauer auf der Bernkasteler Moselseite neu errichtet worden. Nikolaus Casparis Mutter Anna Barbara, geborene Stein, war in erster Ehe mit dem Maurermeister (und Bürgermeister) Caspar Caspari aus dem Nachbarort Monzelfeld verheiratet gewesen. Caspar Caspari war 1781 mit 50 Jahren verstorben. Am 22. Juni 1783 heiratete Anna Barbara Caspari mit Anfang 40 in Bernkastel erneut, und zwar den Küfer, Gastwirt und Brauereibesitzer Johann Adam Cunen.
Der war nicht nur ein Beweis für die gelungene Verbindung von Wein und Bier (kolportiert wird auch noch eine Essigsiederei, als Mittelding aus beiden Getränken), sondern bereits 73 Jahre alt. Auch er war verwitwet und sicher froh, dass seine zweite Ehefrau einen damals 14-jährigen Sohn mit in die Ehe brachte, den er als Nachfolger und Brauereierben aufbauen konnte.
Die Brauerei als neue Familientradition
Über Nikolaus Casparis Leben ist wenig bekannt. Er legte, kurz vor seinem Eintritt in die Brauerei des Stiefvaters, die Gesellenprüfung bei der Trierer Fassbinderzunft ab. Mit etwa 25 Jahren, am 17. September 1794 (oder 1793, die Quellen sind nicht eindeutig), heiratete er die zwei Jahre jüngere Anna Catharina Arens. Ihr Sohn Johann Baptist wurde am 23. November 1796 getauft, also vermutlich auch geboren (damals wurden die Neugeborenen sehr schnell getauft).
Über Kindheit und Jugend ist auch hier wenig bis nichts bekannt. Als er alt genug war, begann er, in der elterlichen Brauerei in Bernkastel zu arbeiten. Hier bekam er das berufliche Rüstzeug für seinen späteren, eigenen Betrieb.
Zum weiteren Verständnis ist ein kurzer geschichtlicher Einschub erforderlich, der Napoleon geschuldet ist: 1794 war Bernkastel, ebenso wie Trier, französisch geworden. 1814, nach der Niederlage Napoleons bei der Leipziger Völkerschlacht, war der Rhein als Landesgrenze festgelegt worden. Bonaparte kehrte dann bekanntermaßen von Elba zurück, um in Waterloo endgültig geschlagen zu werden.
Als 18-Jähriger – und noch französischer Staatsbürger – nahm Johann Baptist Caspary als Soldat an diesen letzten Befreiungskriegen auf der Seite Preußens teil. Er wurde sogar ausgezeichnet.
Sein weiteres dokumentiertes Leben startete dann im September 1826, aber gleich richtig: Am 26. September 1826 feierte er Hochzeit mit Angela (oder auch Angelika) Day, Tochter der Kaufleute Anton Day und Maria Burkard, und gleich am nächsten Tag gründete er, fast 30 Jahre alt, in der Krahnenstraße Nr. 680 zu Trier seine eigene „Brauerei Caspary“ (offenbar schon in der neuen Schreibweise).
Warum er nach Trier zog, ist nicht bekannt. Man kann vermuten, dass er vielleicht Distanz zum elterlichen Betrieb brauchte. Auch wenn Trier, die älteste Stadt Deutschlands, längst nicht mehr die Bedeutung alter Zeiten hatte, gehörte sie doch, nach den Wirren der Neuordnung Europas rund um den Wiener Kongress, seit 1815 zu Preußen (wie Bernkastel auch). Es ging zwar noch nicht aufwärts – unter den Franzosen hatte die Stadt floriert –, denn nun ließen preußische Steuern und Regulierungswut die Wirtschaft stagnieren.
Aber dennoch wuchs die Bevölkerung langsam wieder an. Vielleicht sah er hier trotz allem bessere Zukunftsaussichten in Richtung des eher bierliebenden Deutschlands als des eher weinlastigen Frankreich? Denn Trier hatte nicht nur eine Weintradition seit römischer Zeit, sondern konnte eine ebenso alte keltische Bierkultur vorweisen. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit hatte die Stadt ein Braumonopol und ein eigenes städtisches Brauhaus besessen. In den zahlreichen Klöstern und Stiften der Stadt wurde reichlich für den eigenen Bedarf gebraut. Es gab drei gewerbliche Brauereien. Trotz dieser zu erwartenden Konkurrenz waren es gute Aussichten für ein neues Brauhaus.
Die Brauerei als Familien- und Generationenprojekt
Eine Brauerei nach der Gründung in diesen Zeiten erfolgreich zu machen, erforderte die Erfüllung einiger Randbedingungen. Man brauchte Familie, Nervenstärke, einen Plan und berufliches Können. Offenbar stimmte bei Caspary alles. Seine Frau Angela wird als tüchtige und fleißige Mitarbeiterin beschrieben, die zudem ein Jahr nach der Hochzeit auch noch den ersehnten Erben zur Welt brachte: Anton Caspary.
Johann Baptist Caspary war offenbar mit beruflichem Können und Nervenstärke versehen, die die Brauerei langsam aber stetig wachsen ließen. Überliefert ist auch sein Einfallsreichtum, mit dem er sich auftretenden Problemen stellte. Gab es keine technische Lösung, erfand er einfach eine. Er war Brauer, Ingenieur und Erfinder. Damals keine Seltenheit, denn es fehlte noch ein eigener Zweig des Maschinenbaus für die Brauereien. Die Brauerei wuchs und gedieh ebenso wie der Sohn Anton. Als der alt genug war, schickte sein Vater ihn zur Ausbildung in die Pfalz (damals zu Bayern gehörend), ins Großherzogtum Baden, und schließlich auch ins Königsreich Bayern. Beim heute nicht mehr nachweisbaren „Stubenvoll Bräu“ in München arbeitete er als Brauer.
Irgendwann war die Brauerei in der Krahnenstraße zu klein geworden, und Johann Baptist Caspary spürte das Alter. Er war mittlerweile Ende 60. Er beendete sein Berufsleben mit zwei zeitgleichen Entscheidungen: Er ließ eine neue Brauerei bauen. 1862 wurde in der Fahrstraße 13–14, nicht weit von der alten Brauerei gelegen, eine neue Brauereistätte mit Brauereiausschank in Betrieb genommen.
Gleichzeitig, 1862 war ein ereignisreiches Jahr, wurde er Großvater, und er übertrug seinem Sohn Anton Caspary die Geschäftsführung der neuen Brauerei. Der machte seine Sache offenbar danach sehr gut, denn bereits 1873 war die Brauerei erneut zu klein geworden. Anton Caspary hatte auf seinen Reisen viel gelernt. So hatte er die bislang produzierten obergärigen Biere durch das in Bayern kennengelernte untergärige Verfahren im neuen Betrieb ersetzt. Mit durchschlagendem Erfolg. Zwei Jahre dauerten diesmal Neubau und Umzug vor die Stadttore im Trierer Süden, nach Heiligkreuz. Die alte Brauerei in der Fahrstraße wurde im Dezember 1944 zerstört, in einem Neubau blieb aber an gleicher Stelle bis 1978 ein Caspary-Brauerei-Ausschank. Heute befindet sich dort ein Restaurant (die „Kiste“).
Ein erfülltes Leben neben der Brauerei
Für Johann Baptist war nach der Übergabe an die nächste Generation das Leben noch lange nicht vorüber. Mittlerweile war er ein angesehenes, hochrespektables Mitglied der Trierer Bürgerschaft mit einer Reihe von Ehrenämtern. Als Mitglied des Stadtrates und Förderer der Künste, insbesondere der „Trierischen Liedertafel“ und des Musikvereins, war er in der Öffentlichkeit mehr als präsent.
Der bekannte Trierer Maler Johann Anton Ramboux (1790–1866) fertigte ein staatsmännisch wirkendes Ölporträt von ihm an. (Anmerkung am Rande: Seit 1961 verleiht die Stadt Trier den „Ramboux-Preis“. Dieser dient zum einen der Förderung junger Künstler, zum anderen werden lokale Künstler für ihr Lebenswerk geehrt.) Am 15. Januar 1885, mit 88 Jahren, schloss Johann Baptist Caspary für immer die Augen. Er war bis zu diesem Zeitpunkt der letzte lebende Veteran der Befreiungskriege in Trier gewesen. Dementsprechend erhielt er ein Begräbnis mit allen militärischen Ehren. Seine Frau Angela verstarb am 4. August 1887 mit 80 Jahren. Das Ehepaar war 58 Jahre lang verheiratet gewesen.
Das Caspary-Familiengrab befindet sich auf dem Trierer Hauptfriedhof. Auch der Sohn Anton (25. Juli 1827 – 25. Oktober 1896) war aktives Mitglied der Trierer Bürgerschaft, als Stadtverordneter und Mitglied der Handelskammer.
Erfolge, Käufe und Verkauf im 20. Jahrhundert
Das 20. Jahrhundert bot, wie für viele Brauereien, ein Wechselbad aus Erfolg und Misserfolg. Zuerst kam die Eingemeindung von Heiligkreuz zu Trier im Jahr 1912. Damit war Caspary auch ganz offiziell wieder eine Trierer Brauerei. Im 1. Weltkrieg, mittlerweile führte Johann Baptist II. Caspary (6. August 1862–19. Februar 1931) das Unternehmen, gab es einen weiteren Ausflug zurück zu den Wurzeln.
Als 1916 kaum noch Gerste zu bekommen war, musste der Brauereibetrieb der Bernkasteler Schloßbrauerei eingestellt werden. Die Besitzerin Anna Wagner, geborene Dillinger, verkaufte nach dem Krieg die Braurechte an die Caspary-Brauerei. 1921 wurde die Brauerei in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Der Ausstoß betrug 1925, nur sieben Jahre nach dem Krieg, wieder beachtliche 93.000 Hektoliter. Die anderen Trierer Brauereien standen bei 65.000 Hektolitern (Actienbrauerei Union) bzw, bei 66.000 Hektolitern (Löwenbrauerei). Damit war Caspary eindeutig die Nummer 1 in Trier! Und (noch) auf Augenhöhe mit dem nur 27 km entfernten, in späteren Zeiten uneinholbaren Konkurrenten aus Bitburg. 1935 wurde die Brauerei in eine GmbH umgewandelt.
Im 2. Weltkrieg wurde die Brauerei sehr in Mitleidenschaft gezogen. 1948 nahm sie erneut als Kommanditgesellschaft den Betrieb wieder auf, und von 1973 bis 1977 war Caspary erneut eine GmbH. In ihren besten Zeiten wuchs die Mitarbeiterzahl auf 270 an, und die Brauerei war einer der führenden und wichtigsten Arbeitgeber der Stadt. Ein zweiter Anton Caspary (19. November 1895–5. Februar 1975) und Dr. Rudolf Caspary (22. Dezember 1897 – 15. November 1989) folgten als Eigentümer bzw. Mehrheitseigner.
Fünf Generationen hatten bis dahin die Geschicke der Caspary-Brauerei gelenkt. 1978 übernahm die zur Oetker-Gruppe gehörende Binding-Brauerei, und 1983 wurde der Braubetrieb eingestellt. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Brauereigelände ein Wohngebiet. Neben den Straßennamen „Anton-Caspary-Straße“ mit dem „Caspary-Park“, „Gambrinusstraße“ und „Im Hopfengarten“ verrät noch die Gaststätte „Altes Brauhaus“, dass dort einmal eine Brauerei war. Im „Alten Brauhaus“ wird mit diversen Fotos, Wandmalereien und Requisiten an die Brauerei erinnert.
Im Januar 2025 vermeldete der „Trierische Volksfreund“, dass sich die Caspary-Vermögensverwaltungs KG (im Familienbesitz) von den letzten Immobilien in Trier getrennt hat. Auch das Haus in der Fahrstraße 13, das Restaurant „Kiste“, ist nun nicht mehr in der Hand der Familie. Damit sind 199 Jahre Caspary-Bier in Trier endgültig Geschichte. Nicht aber in der Brauereibranche. Seit 1982 entwickeln Rudolf Caspary und seine Familie erfolgreich Gasthausbrauereien. Allerdings am Chiemsee und nicht in Trier.
Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.
Quellen
- Bedeutende Brauer, von Erich Borkenhagen, VLB Berlin, 1959.
- Rheinland-Pfälzische Personendatenbank: Johann Baptist Caspary, https://rppd.lobid.org/1051207339, abgerufen am 26.02.2025.
- Ehemalige Caspary-Brauerei in der Krahnenstraße: https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=11470, abgerufen am 26.02.2025.
- Schmitt, F.: Die Dillinger’sche Brauerei am Bernkasteler Gestade, https://www.roland-klinger.de/BKS/2015-4/Dillinger.pdf, abgerufen am 26.02.2025.