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28.04.2025

Giganten der Biergeschichte: Moritz Traube und Oscar Brefeld

Die Entschlüsseler der Gärung | In der 42. Folge dieser Reihe werden wieder zwei Personen zugleich vorgestellt. Das hat mehrere Gründe: Sie waren Zeitgenossen, sie haben sich ihr Leben lang mit dem gleichen Thema befasst, und sie waren zeitweise in der gleichen Stadt aktiv. Und unbekannt sind sie den meisten von uns auch. Ihr gemeinsames, großes Thema waren die Gärung und die Hefe. Unterschiedlich waren ihre Ansätze, die Gärung zu entschlüsseln: Der Erste versuchte es auf chemischem Wege, der Zweite über die Botanik, die Mykologie.

Wir wollen mit dem zuerst Geborenen beginnen: Moritz Traube wurde am 12. Februar 1826 im damals preußisch-schlesischen Ratibor, Oberschlesien (heute Racibórz, Polen), geboren. Sein Vater war ein nicht sonderlich wohlhabender, jüdischer Weinkaufmann, sein Großvater ein Rabbiner in Krakau. Das Elternhaus war jedoch offenbar sehr wissenschaftsfreundlich, denn bereits Traubes acht Jahre älterer Bruder Ludwig studierte Medizin, wurde später ein sehr bekannter Arzt und gilt heute als Mitbegründer der experimentellen Pathologie in Deutschland.

Porträt von Moritz Traube (1826 – 1894) (Foto: Facebook/Ratibor_Community, gemeinfrei)

Im Haushalt der Traubes ging es wohl munter zu, denn der Bruder Ludwig (1818 – 1876) musste mangels eines Labors bisweilen Tierversuche in der Wohnung durchführen. Auch Moritz war ein so guter Schüler, dass er bereits sehr früh das Gymnasium abschloss. Auf Rat seines Arzt-Bruders studierte er ab 1842, also mit 16 Jahren, in Berlin und Gießen bis 1844 eine bunte Palette von Naturwissenschaften: Experimentalchemie, Physik, Mineralogie, Logik, Botanik und Geognosie (eine Abart der Geologie). Seine Professoren waren u. a. bekannte Koryphäen wie Eilhard Mitscherlich und Justus von Liebig. Seine Promotion hatte Verbindungen des Chroms zum Thema. 1848 wechselte er zum Medizinstudium, u. a. bei dem berühmten Rudolf Virchow und seinem eigenen Bruder Ludwig.

Dann starb Traubes zweiter Bruder, und das Familiendrama nahm seinen Lauf. Der zweite Sohn war vom Vater als Nachfolger für das Weingeschäft vorgesehen gewesen. Der Vater verlangte nun kategorisch Moritz‘ Rückkehr nach Ratibor, um das Geschäft zu übernehmen. Der wehrte sich nach Kräften gegen diese Änderung seines Lebensplans, gegen die erzwungene Rückkehr in die akademisch-wissenschaftliche Provinz, jedoch ohne Erfolg.

Ab 1849 war er nun ein Weinhändler, wie sein Vater. Nebenher betrieb er eigene Studien in einer Bodenkammer. Er litt dabei unter Zeit-, anfangs auch unter Geldmangel. Seine Experimente jedoch plante und führte er so akkurat durch, dass seine wissenschaftlichen Kollegen, mit denen er aus der akademischen Diaspora umfangreich korrespondierte, seine Forschungen trotz des mangelnden wissenschaftlichen Hintergrunds anerkannten.

Geschäftlich war er mittlerweile ebenfalls erfolgreich, so dass er 1855 mit Bertha Moll eine Familie gründen konnte, aus der drei Töchter und zwei Söhne hervorgingen. Die Söhne wurden ebenfalls angesehene Wissenschaftler.

Umzüge nach Breslau und Berlin

Das Geschäft ging so gut (Otto von Bismarck gehörte zu seinen Kunden), dass Traube 1866 nach Breslau umzog, wo er wieder Zugang zu einer Universität und deren Laboratorien hatte. Bald schon errichtete er sein eigenes Labor und beschäftigte zeitweise sogar Assistenten.

Traube nahm nun wieder aktiv am wissenschaftlichen Leben teil, hielt selber Vorträge und war bekannt oder sogar befreundet mit Koryphäen wie Robert Koch und Ferdinand Julius Cohn, einem Mitbegründer der modernen Bakteriologie.

Nach zwanzig Breslauer Jahren übergab er 1886 das Geschäft an seinen Schwiegersohn und zog 1891 nach Berlin. Er forschte weiter, bis er 1894 Diabetes und einer Herzkrankheit erlag.

Seine zahlreichen Forschungsthemen (Diabetes, Sauerstoffaktivierung, Auto-Oxidation, Osmose und Membranen) seien hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Am interessantesten für uns war seine Gärungstheorie. Er postulierte die Existenz von etwas Nicht-Lebendigem als Triebkraft der Gärung, lange bevor es den Begriff der Enzyme dafür gab. In vielen Versuchen wies er nach, dass Gärung auch ohne Hefezellen funktionieren konnte, wenn man die damals sogenannten Fermente (später Enzyme genannt) aus den Hefezellen extrahierte.

Mit seinen Veröffentlichungen dazu wurde er ein direkter Vorgänger Eduard Buchners (Folge 2 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 14, 2021, S. 352–354), der dafür 1907 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Dadurch geriet er in einen Disput mit dem großen Louis Pasteur (Folge 21 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 20, 2023, S. 502–504) und anderen. Die Geschichte sollte ihm recht geben. Er war bekannt, fast schon berühmt. Karl Marx und Charles Darwin korrespondierten mit ihm.

Die „Traube‘sche Membran“, die er in seinen Studien zur Osmose entwickelte, ist bis heute ein Thema in der Wissenschaft.

Zum Abschluss seines Arbeitslebens entwickelte er zudem eine Methode, Trinkwasser mit Chlorkalk zu entkeimen. Im Zweiten Weltkrieg wurde in den USA in rund 100 Städten das Wasser auf diesem Weg behandelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den Besatzungsmächten dieses Verfahren auch eine Zeit lang in Deutschland angewendet.

Oscar Brefeld hatte ein akademisches Leben

Trotz vieler Dispute und Diskussionen wurden die Ergebnisse und Abhandlungen Traubes von allen gelobt und oft auch bewundert. 1867 wurde ihm das Ehrendoktorat der Universität Halle-Wittenberg verliehen. Seine größte Anerkennung war jedoch die Wahl zum korrespondierenden Mitglied der Physikalisch-mathematischen Klasse der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahr 1881. Dieser Pionier der physiologischen Chemie ist heute leider weitgehend vergessen.

Porträt von Oscar Brefeld (1839 – 1925) (Quelle: [2])

Nun wollen wir uns Oscar Brefeld zuwenden. Dem exakten Gegenteil einer privat gelehrten Koryphäe.

Der spätere „Professor Doktor und Geheime Regierungsrat“ Julius Oscar Brefeld wurde am 19. August 1839 in Telgte bei Münster geboren. Er folgte dem Wunsch seines Vaters und wurde erst einmal Apotheker.

Gleich danach packte ihn aber doch die Freude an der Wissenschaft, er begann botanische und chemische Studien. 1873 habilitierte er an der Berliner Universität über Botanik und nahm danach einen Ruf als Dozent an der Forstakademie Eberswalde an. 1884 erfolgte eine ordentliche Professur in Botanik in Münster, 1898 ging es in gleicher Funktion nach Breslau.

Kurz darauf erkrankte Brefeld an einem Glaukom, aufgrund dessen er mit den Jahren vollständig erblindete. 1909 zog er sich aus dem akademischen Leben weitgehend zurück und verbrachte seine letzten Lebensjahre in einer Pflegeanstalt. Er diktierte in dieser Zeit jedoch noch zahlreiche Veröffentlichungen. 15 Bücher zwischen 1872 und 1912 fassten sein Werk zusammen.

Pilze statt Chemie

Der andere Ansatz als beim oben geschilderten Moritz Traube ist offensichtlich: Traube betrachtete die Gärung vom chemischen, enzymatischen Standpunkt, der Botaniker Brefeld widmete sein Leben der Mykologie, mit dem Schwerpunkt auf Hefe- und Schimmelpilzen.

Carl von Linnés Sytematik „Systema Naturæ“ aus dem 18. Jahrhundert war mit den Pilzen noch nicht eindeutig umgegangen. In der letzten Klasse, den „Kryptogamen“ (Pflanzen ohne Blüten), wurden bei Linné Farne, Moose, Algen, Pilze, Schwämme und Korallen zusammengefasst. (Anmerkung: Heute zählen die Pilze zu den Eukaryoten, also zu den Lebewesen mit Zellkern, sie sind den Tieren näher als den Pflanzen.)

Brefeld war der Erste, der Kulturmethoden für Pilze entwickelte und über diese Kultivierung verschiedener Pilze deren Unterschiede herausarbeitete. Bekannt war sein Satz, dass beim Arbeiten ohne Reinkulturen „nur Unsinn und Penicillium glaucum“ herauskomme.

Brefeld war der Erste, der für Pilze durch biologische und morphologische Untersuchungen eine verbindende Systematik entwickelte. Dadurch wurde er über vier Jahrzehnte wissenschaftlicher Arbeit zum Begründer der modernen Mykologie.

Zur Zeit der Habilitation begann auch seine Beschäftigung mit der Gärung, die mehrere Abhandlungen in den „Landwirtschaftlichen Jahrbüchern“ zur Folge hatte. Brefeld führte die Gärung auf die Atmung der Hefezellen bei ihrem Absterben zurück, er bezeichnete die Gärung als „pathologische Erscheinung“.

Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. verleiht seit 2004 alle 2 Jahre den Oscar-Brefeld-Preis (Quelle: https://www.dgfm-ev.de/veranstaltungen-und-foerderpreise/brefeld-preis)

Er wies nach, dass der Alkohol erst nach Verbrauch des vorhandenen freien Sauerstoffs gebildet wird. Nach seiner Ansicht hatte sich aus dieser intramolekularen Atmung das anaerobe Leben der Pilze erst weiterentwickelt. Auch die alkoholische Gärung verband er, wenn die sonstigen Bedingungen passen, direkt mit der anaeroben Entwicklung der Hefe- und auch der Schimmelpilze. Und im Gegensatz zu Moritz Traube waren die Ehrungen für Oscar Brefeld ein wenig dauerhafter: Die Schleimpilz-Gattung Brefeldia (Vertreter Brefeldia maxima) aus der Familie der Stemonitaceae ist ihm zu Ehren benannt worden. Und die Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V. verleiht seit 2004 alle zwei Jahre den mit 1500 EUR dotierten Oscar-Brefeld-Preis.

Ein gemeinsamer „Auftritt“

Wie der Zufall will, ist der Autor im Besitz eines Buches, in dem beide Wissenschaftler in einem Disput in einem Satz genannt werden. Dazu sogar noch der große Louis Pasteur. In „Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie“ (2. Auflage 1890) von Alfred Jörgensen (Laboratorium für Gärungstechnologie in Kopenhagen) findet sich folgende Passage: „Gegenüber Brefeld, welcher behauptete, dass die Hefe sich nicht ohne freien Sauerstoff ernähren könnte, und Traube, welcher wohl einräumte, dass die Hefe sich ohne freien Sauerstoff zu entwickeln vermag, …, spricht Pasteur den Satz aus, dass die Gärungsorganismen eine Gruppe von Lebewesen bilden, deren Funktion als Fermente gerade ‚eine notwendige Folge des Lebens ohne Luft, des Lebens ohne Sauerstoff‘ ist, und dass ferner eine solche Gärung auch in reinen Zuckerlösungen vor sich gehen kann.“

Dass dieses Buch auch noch dem Weihenstephaner Professor Prof. Carl Lintner (Folge 40, BRAUWELT Nr. 5, 2025, S. 168–170) gewidmet ist, bildet einen schönen Abschluss dieser Folge mit der Erkenntnis, dass Ruhm vergänglich ist, außer wenn vielleicht ein Schleimpilz nach einem benannt wird. Oder man ein „Gigant der Biergeschichte“ ist.

Ein herzlicher Dank geht diesmal nach Bamberg zu Dr. Rudolf Michel, der Moritz Traube ins Spiel brachte.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Jörgensen, A.: Die Mikroorganismen der Gärungsindustrie, 2. Auflage, Parey Verlag, Berlin, 1890.
  2. Delbrück, M. et al.: Illustriertes Brauerei-Lexikon, Parey Verlag, Berlin, 1925.
  3. https://www.dgfm-ev.de/veranstaltungen-und-foerderpreise/brefeld-preis
  4. , abgerufen am 25.02.2025.
  5. https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Traube, abgerufen am 25.02.2025.
  6. https://www.mtdialog.de/mt-intern/artikel/moritz-traube, abgerufen am 25.02.2025.
  7. https://de.wikipedia.org/wiki/Oscar_Brefeld, abgerufen am 25.02.2025.

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