Giganten der Biergeschichte: Franz Andreas Paupie
Tschechischer Biergott | Für die neue Folge der „Biergiganten“ begeben wir uns zum zweiten Male nach Tschechien, in eines der Bierländer schlechthin. Ging es beim ersten Mal um einen zugereisten Bayern, den Erfinder des Pilsner Biers, Joseph Groll (Folge 6, BRAUWELT Nr. 42, 2021, S. 1066–1068), so gehen wir nun in der Zeit noch ein wenig weiter zurück, ins späte 18. bzw. ganz frühe 19. Jahrhundert. Zu einem echten Tschechen – mit der leidvollen Erfahrung, dass aus dieser Zeit die persönlichen Informationen, abgesehen von einigen biographischen Daten, eher rar sind: Franz Andreas Paupie/František Ondřej Poupě.
Aber dafür kann man in diesem Fall das Werk für den Menschen sprechen lassen, denn damit legte dieser Herr seine Heimat endgültig als eine der führenden Biernationen fest. Er professionalisierte als Erster das Bierbrauen in Tschechien.
Ein Hinweis zur Namensgebung: Zu dieser Zeit war die ganze Region zweisprachig, genau wie unser diesmaliger Biergigant selber auch. Deutsch war die Minderheit – die Habsburger, das war die politische Macht. Tschechisch war die Volkssprache. Daher hat sich der Autor in diesem Fall entschlossen, die Namen zumindest einmal in beiden Sprachen zu verwenden, sofern vorhanden.
Wenn auch Paupies Biographie eher spärlich ist, ein paar Informationen gibt es dennoch. Geboren wurde er am 26. November 1753 im dem kleinen Dorf Böhmisch Sternberg/Český Šternberk im Bezirk Benešov in Böhmen. Wenn man in Tschechien einen geografischen Mittelpunkt suchte, läge er etwa dort.
Seine Eltern hießen Franz Paupie/František Poupě und Anna Paupie/Poupětová geb. Kratochvílová. Er war der dritte Sohn, nach dem viel älteren Johann/Jan (geboren 1740) und dem zweieinhalb Jahre älteren Anton/Antonín. Der Vater war Schmied.
Über die Kindheit wird nichts berichtet. Für seine Schulbildung blieb er zuerst einmal im Dorf, danach begann er eine Lehre bei seinem Bruder Jan. Der war mittlerweile Brauer im etwa 120 km südöstlich gelegenen Groß Bittesch/Velká Bíteš. Damit war er dem Lebensmittelpunkt für seine besten Jahre, nämlich Brünn/Brno, schon sehr nahe gekommen.
Nach seiner Lehre arbeitete er noch ein Jahr lang bei seinem Bruder als Mälzergeselle. Doch dann zog er ein paar Jahre umher und sammelte Erfahrung als Bierbrauer. Unter anderem in Trebitsch/Třebíč und sogar im Ausland (wo genau, ist nicht überliefert).
Ab 1780 konnte man ihn als Brauer in der Brauerei des Fürsten Windischgrätz in Strakonitz/Štěkní na Strakonicko finden, bis er 1787 Brauer in Tachau/Tachov wurde, westlich von Pilsen und nahe der bayerischen Grenze.
Ab 1791 arbeitete er in Horschowitz/Hořovice auf dem Gut des Grafen von Vrbno. Von 1793 bis 1794 war er Brauer in der Brauerei des Fürsten Schwarzenberg in Ninonitz/Jinonice, heute ein Stadtteil von Prag.
Weiter ging es zur Brauerei der Gräfin Clam-Martinicová in Schlan/Slané. Nach weiteren vier Jahren kam er (endlich) in Brünn/Brno an. Vorausgegangen war ein heute kurios anmutender Wettbewerb: Die dortige Stadtbrauerei schrieb einen Wettkampf um den besten Brauer aus. Paupie gewann den Wettbewerb und begann am 18. Juni 1798 als Brauer in der Stadtbrauerei in Brünn in der Straße Starobrněnská.
Mittlerweile, d. h. seit 1783, war er auch verheiratet mit Marie Anna Poupětová, geb. Herzová. Seine Frau hatte eine erfreulich hohe Mitgift in Höhe von 2000 Gulden mitgebracht in die Ehe. Die Hochzeit hatte in Sticken/Štěkeň stattgefunden, nahe des damaligen Arbeitsortes Strakonitz. Der Ehe entsprangen zahlreiche Kinder. Überliefert sind die Namen Anna Maria, Ernst Franz, Josef Jakob, Theresia und Johanna Franziska. Vier weitere Kinder haben offenbar das Kindbett nicht überlebt und blieben nackte Zahlen.
In Brünn wurde er zum gefeierten Brauer und Lehrmeister
Der Umzug nach Brünn (heute Starobrněnská 20/Dominikánská 15) erwies sich als Glückgriff für Paupie, auch für seinen Arbeitgeber. Dank ihm stiegen die Qualität des Bieres und die Einnahmen der Brauerei. Während seiner Amtszeit vergrößerte sich der Ausstoß von 16.000 hl auf 28.000 hl.
Paupie wollte eine Vergrößerung der damals streng regulierten maximalen Kapazität beantragen. Ob daraus etwas wurde, ist nicht bekannt.
Nun aber wollte er sein Wissen, erworben über viele Jahre in tschechischen, mährischen, österreichischen, deutschen und polnischen Brauereien, auch weitergeben. Er bot allen Brauern an, die von ihm lernen wollten, ihn zu besuchen und vor Ort zu lernen, wie man das beste Bier herstellt. Es gab, der Überlieferung zufolge, in dieser Zeit einen regen Brauer-Besucherstrom nach Brünn.
Schon während seiner Wanderjahre hatte er ständig versucht, sein theoretisches Wissen zu erweitern und praxisgerecht umzusetzen. Bereits in Ninowitz, als Brauer des Fürsten Schwarzenberg, hatte er sein erstes Lehrbuch geschrieben und 1794 veröffentlicht.
Das Buch mit dem heute etwas sperrig anmutenden Titel „Die Kunst des Bierbrauens physisch, chemisch und ökonomisch beschrieben“ erschien in Prag. Paupie musste es selbst finanzieren. Das Buch beschrieb den gesamten Bierherstellungsprozess und wurde somit zur ersten tschechischen (wenngleich noch deutschsprachigen) wissenschaftlichen Veröffentlichung über die Bierherstellung.
In der Zwischenzeit erkrankte Paupie offenbar schwer an einer Lungenkrankheit. Zugleich war er enttäuscht, dass sein Werk nicht die erhoffte Resonanz fand. In dieser schwierigen Zeit half ihm Gräfin Marianna Clam-Martinicová, die ihm eine Stelle als Brauer in Slané anbot.
Hier begann Paupie, als erster Brauer im Lande, eine Art Saccharometer zu verwenden. Und das lange vor Hermbstädt (Folge 4, BRAUWELT Nr. 31-32, 2021, S. 792–794) und Balling (Folge 17, BRAUWELT Nr. 47-48, 2022, S. 1251–1253). Offenbar hatte er das Buch von Richardson (ebenfalls Folge 17 dieser Serie, das Buch wurde 1788 auf Deutsch veröffentlicht) gelesen und auch verstanden. In der Folge entwickelte er dieses wichtige Gerät für seine Zwecke gezielt weiter. Das Thermometer hatte er sogar bereits 1790 in der Brauerei Tachau erstmals eingeführt.
Paupie festigte seinen Ruf als bedeutender Brauerei-Reformator, der sein praktisches Fachwissen durch die Arbeit in verschiedenen Brauereien und sein theoretisches durch intensive Studien ausländischer Publikationen zum Thema Bier und Brauwesen gesammelt hatte. Er war kein Wissenschaftler im heutigen Sinn, aber ein sehr guter empirischer Praktiker. Tschechische Zeitungen nannten ihn einen „genialen Brauer“.
Paupie bearbeitete alle Themen der Brauerei
Er machte sich nicht nur um Temperaturführung und die Weiterentwicklung des Saccharometers verdient, sondern auch um die Gärungschemie und die Betriebshygiene. Erstmals verschloss ein Brauer seine Gefäße, um sie vor Verunreinigungen zu schützen. Seine Themen innerhalb der Brauerei kannten keine Tabus, können hier aber nur kurz angerissen werden.
In der Mälzerei plädierte er für die Verwendung von reichlichem und frischem Weichwasser, ohne dass er bereits den Vorteil guter Belüftung erkannte. Interessant war auch seine Meinung zur Malzkeimung. In der Regel wurde damals eine lange Keimung (so genanntes Langmalz) gewünscht, da die Mälzer die Wurzel- und Blattkeime mit auslieferten und somit nachher ungefähr ein Achtel mehr Volumen verkaufen konnten als vorher.
Paupie beschimpfte diese Mälzer als „Pfuscher“, die das Malz verdürben, und forderte eine kürzere Keimzeit, um auch die Keimungsverluste zu minimieren. Dieses von ihm geforderte „Kurzmalz“ stand offenbar im totalen Gegensatz zur üblichen Praxis, auch in Deutschland (Anmerkung d. Autors: Heute beträgt der Schwund zwischen 15 und 20 Prozent je nach Malzsorte).
Im Sudhaus plädierte er von Anfang an für die Verwendung des (Réaumur) Thermometers. Die Gefäße wurden bisweilen immer größer, so dass eine präzise Temperaturführung zusehends schwierig wurde. Daher empfahl er drei Maischen mit zwei Aufgüssen. Nur so könnte man eine gleichmäßige Hitze erreichen, ohne getäuscht zu werden. Allen Appellen zum Trotz dauerte es lange, bis sich das Thermometer durchsetzte.
Bei der Gärung zeigte er sich als Gegner der Eiskeller-Vergärung. Es wurde bereits auch untergärig gebraut, wenn auch die Vorgänge noch nicht erforscht waren. Aber nach Paupies Meinung würden zu kalte Temperaturen den Geschmack des Biers verderben und zu viel schlechte „Unterhefe“ erzeugen. Er plädierte für 10 Grad Kellertemperatur.
Gründer der ersten Brauerschule
In Brünn gründete er in dieser Zeit die erste Brauerschule des Landes. Er blickte über den Tellerrand hinaus, und bot die Ausbildung zum „Sládek“, also Braumeister, nicht nur böhmischen und mährischen, sondern auch deutschen und österreichischen angehenden Braumeistern an. Im Jahr 1801 veröffentlichte er sein großes Lehrbuch erstmals in tschechischer Sprache. Der „Versuch einer Grundlehre der Bierbrauerei in katechetischer Form“, Originaltitel „Počátkové základního naučení o vaření piva“, führte für die nicht deutschsprachigen Brauer neue Qualitätsstandards ein. Ohne Zweifel wäre das tschechische Bier ohne dieses Buch (und seinen Autoren) nicht auf dem heutigen, hohen Niveau. Spätere Autoren ergänzten Paupies Werk um weitere Bände, aber den „Goldstandard“ hatte er selbst gesetzt.
Franz Andreas Paupie starb am 1. Dezember 1805, mit 52 Jahren, in Brünn. Er erlag offenbar der Lungenkrankheit, die ihm in früheren Jahren schon Probleme bereitet hatte. Sein Grab befindet sich auf dem Brünner Stadtfriedhof in der Kounicová-Straße.
Nach seinem Tod wurde die Brauerschule leider geschlossen. Aber bereits 1818 ersuchte die Zunft der tschechischen Braumeister eine weiterführende Ausbildung der Braumeister an der Technischen Universität Prag zu ermöglichen.
In Brünn wird seiner am Haus seines damaligen Wohnhauses in der Straße Starobrněnská 20 gedacht. An der Wand des Restaurants, welches sich heute in dem Haus befindet, ist eine Gedenktafel für Paupie angebracht.
Und auch wenn er nur kurz (1793/94) in Prag bzw. Ninonitz tätig war, halten ihn die Prager ebenso in Ehren: In der Prager Altstadt am Haus in der Martinská 360/2 (Ecke Na Perštýně) gibt es eine große Gedenktafel, die ihm gewidmet ist.
Seit 2007 verleiht der Tschechische Verband der Brauereien und Mälzereien an herausragende Fachleute der Brauwirtschaft einen Preis, der den Namen Franz Andreas Paupies trägt: die „Ehrenplakette/Čestná plaketa Františka Ondřeje Poupěte“. Mit dieser Auszeichnung würdigt der Verband einen außergewöhnlichen Beitrag zur tschechischen Brauerei, Mälzerei und verwandten Industrien, einschließlich Wissenschaft und Forschung.
Und zu guter Letzt: Wer in Brünn zu Besuch ist, kann auch gerne einmal in der „Pivovarský dům Poupě“ vorbeischauen. Denn die schönste Erinnerung an einen Brauer ist doch wohl, eine Brauerei nach ihm zu benennen.
Fehlende Anerkennung
Eine Anekdote zum Abschluss: Auf seinen frühen Reisen hatte Paupie eine Abneigung gegen Weizenbiere und eine eindeutige Präferenz für Bier aus Gerste entwickelt. Seinen Schülern trichterte er daher ein: „Weizen für Kuchen, Hafer für die Pferde, nur Gerste fürs Bier!“
Und ihm ist es auch wohl zu verdanken, dass die guten tschechischen Biere heutzutage größtenteils aus Gerstenmalz hergestellt werden. Ein dauerhafter Einfluss, der, wie sein Ruhm, leider nur auf sein Heimatland beschränkt blieb.
Die fehlende Anerkennung außerhalb der tschechischen Republik erkennt man unter anderem auch daran, dass es über ihn nur einen tschechischen Wikipedia-Eintrag gibt. Vielleicht kann dies einmal als Anregung aufgefasst werden, das zu ändern.
Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.
Quellen
- Teich, M.: Bier, Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland 1800 – 1914, Böhlau Verlag, Wien, 2000.
- https://www.geni.com/people/Franz-Andreas-Paupie/6000000128740675865, abgerufen am 24.10.2024.
- https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/FDC266UUVXXFR7ALCWBSAICR3IM72H6S, abgerufen am 24.10.2024.
- https://encyklopedie.brna.cz/home-mmb/?acc=profil_osobnosti&load=2315, abgerufen am 24.10.2024.
- https://ceske-pivo.cz/oceneni/cena-f-o-poupete, abgerufen am 24.10.2024.
- https://www.pivovar-poupe.cz/en, abgerufen am 24.10.2024.
Schlagworte
Tschechische Republik Historisches Porträt
Autoren
Günther Thömmes
Quelle
BRAUWELT 2, 2025, S. 58-60