Giganten der Biergeschichte: Antoni van Leeuwenhoek
Begründer der Mikrobiologie | Es gibt Forscher und Erfinder, die im Grunde nichts mit der Brauerei zu tun hatten, deren Werke und Erfindungen aber so universell, so fundamental und nachhaltig waren, dass sie bis heute gültig sind. Nicht nur für die Brauer. So begründeten von Linde und Newcomen/Watt neue Abschnitte der Industrie-, aber auch Biergeschichte, so stellte Pasteur nicht nur die Brauer auf wissenschaftliche Füße. Der hier vorgestellte Mann ging diesen aber noch voraus: Antoni van Leeuwenhoek.
Antoni van Leeuwenhoek schuf mit seinen Entdeckungen im 17. Jahrhundert einen neuen Zweig der Wissenschaft, in deren heutigem Namen sogar ein Teil dessen enthalten ist, was ihn berühmt machte: die Mikrobiologie.
Er sah als erster Mensch eine Hefezelle, beschrieb sie und folgerte (weitgehend) richtig daraus. Im Grunde ist er daher der wissenschaftliche Urahn von Eduard Buchner (Folge 2 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 14, 2021, S. 352–354).
Anton vom Löweneck, wie sein Name übersetzt lauten würde, hatte Zeit seines Lebens mit Bier herzlich wenig zu tun. Seine Mutter war die Tochter eines bekannten Braumeisters. Er trank später offenbar gerne Bier, weil er für seine Versuche immer welches zur Verfügung hatte. Das war es dann aber auch schon. Daher lassen wir in diesem Fall mal die Brauerei ein wenig beiseite und widmen uns dem Leben dieses ungewöhnlichen Mannes.
Van Leeuwenhoeks frühe Jahre
Antoni van Leeuwenhoek wurde am 24. Oktober 1632 in Delft geboren. Während in Deutschland der 30-jährige Krieg Not und Elend übers Land brachte, bildete Delft den krassen Gegensatz dazu: ein blühender Handelsstützpunkt und der kulturelle und wissenschaftliche Mittelpunkt Hollands. Gewürze, Kaffee, Tee und chinesisches Porzellan erreichten fast täglich den Marktplatz von Delft.
Im Gegensatz dazu ging es den Brauereien eher schlecht. Von den ursprünglich 140 Brauereien in Delft waren zur Zeit van Leeuwenhoeks nur noch etwa 25 in Betrieb. Der rege Schiffsverkehr hatte die Wasserqualität so verschlechtert, dass es unbrauchbar geworden war. Es wundert daher nicht, dass der Delfter Braumeister Jacob Bel van den Berch seine Tochter Margaretha nicht an einen anderen Brauer verkuppelte, sondern sie 1622 mit Philips Antonisz van Leeuwenhoek, einem angesehenen und nicht unvermögenden Korbmacher, verheiratete.
So wuchs der junge Anton im wohlhabenden Mittelstand Delfts auf. Beide Elternteile kamen aus angesehenen, gut vernetzten Familien. Zehn Jahre später erblickte Antoni das Licht der Welt, als fünftes Kind, aber als erster Sohn. Seine älteren Schwestern hießen Margriet, Geertruyt, Neeltje und Catharina.
Getauft wurde er als „Thonis Philipszoon“, also „Philips Sohn Antoni“, der Nachname war offenbar nicht erforderlich.
Generell gibt es mehrere Schreibweisen. Anton, Antoni, Antonie oder Thoni. Auch der Nachname wurde bisweilen „Leeuwenhoeck“, also mit „ck“ am Ende, geschrieben. Wir haben uns für die heute in Deutschland gängige Schreibweise entschieden.
Im Alter von acht Jahren besuchte er die Schule in Warmond, nördlich von Leiden, etwa 25 km nördlich von Delft. Da war er schon Halbwaise, sein Vater war früh verstorben. Mit vierzehn Jahren zog er zu seinem Onkel Cornelis Jacobsz van den Berch in Benthuizen, auch in der Nähe gelegen.
Die Mutter hatte derweil erneut geheiratet. Aber auch diese Ehe hielt nicht lange, der Stiefvater verstarb bereits 1648. Die Mutter schickte den 16-jährigen jungen Mann nun in die weite Welt, um etwas Anständiges zu lernen. In der weitverzweigten Familie der Mutter gab es auch Woll- und Tuchhändler in Amsterdam. Das war ein anständiges, krisenfestes Gewerbe.
Ein mit Wolle handelnder Schwager der Mutter namens Pieter Mauritz Douchy nahm Antoni bei sich auf. Er vermittelte ihm in Amsterdam eine Lehre bei dem schottischen Tuchhändler William Davidson. Antoni machte seine Sache wohl so gut, dass er insgesamt sechs Jahre lang als Buchhalter und Kassierer bei Davidson blieb.
Aufstieg zum Händler und angesehenen Bürger
1654, mit 21 Jahren, kehrte er nach Delft zurück, heiratete die drei Jahre ältere Barbara de May und eröffnete in der Straße Hippolytusbuurt ein eigenes Geschäft als Tuch- und Kurzwarenhändler. Von den fünf Kindern überlebte nur eine Tochter die Kindheit. Antoni van Leeuwenhoek war aber durchaus erfolgreich.
Als einer der angesehen Delfter Kaufleute übernahm er ab 1660 Ämter in der Stadtverwaltung; zuerst als Kammerwärter der Schöffen im Rathaus, dann als Landvermesser (1669) und Wein-Eichmeister (1679). Beim Tod des berühmten Malers Jan Vermeer 1676 wurde er sogar dessen Testamentsvollstrecker und leider auch Insolvenzverwalter.
Wie van Leeuwenhoek, ein Mann ohne jede technische oder wissenschaftliche Ausbildung, zum Mikroskopieren kam, ist nicht überliefert. Dazu gehört aber unbedingt der Hinweis, dass Antoni von Leeuwenhoek das Mikroskop nicht erfunden hat, wie oft kolportiert wird. Genau wie James Watt (Dampfmaschine) oder Carl von Linde (Kältemaschine) nahm er jedoch vorhandenes Wissen und verbesserte es derart, dass es ihm am Ende als Erfindung zugeschrieben wurde.
In diesem Fall: das Mikroskop. Und wie Watt oder Linde arbeitete van Leeuwenhoek nicht im intellektuellen Vakuum, sondern saugte bereits vorhandenes Wissen auf und tauschte sich mit anderen aus. Der Begriff Microscopia wurde in den 1610er-Jahren im Kontext der Accademia dei Lincei in Rom erstmals verwendet, um Insekten zu untersuchen.
Die frühen Vorläufer des Mikroskops hielten also bereits im frühen 17. Jahrhundert Einzug in die Welt der Wissenschaft und wurden bald in Italien verwendet. Bis heute gibt es Beschreibungen seiner Anwendung und die Ergebnisse der Beobachtungen.
Währenddessen stieg das Interesse an der Mikroskopie in den 1660er-Jahren auch in England. Insbesondere das Buch der Royal Society Micrographia (1665), geschrieben von Robert Hooke, entwickelten sich zum Ausgangspunkt für jeden, der sich für Mikroskopie interessierte.
Die niederländischen Tuchmacher verwendeten damals Lupen, plumpe Vorgänger des Mikroskops, um die Fäden eines Gewebes besser beurteilen zu können. Und höchstwahrscheinlich hatte van Leeuwenhoek bei seiner Reise nach London im Jahr 1667 oder 1668 eine Ausgabe von Robert Hookes Micrographia gesehen.
Berühmter Wissenschaftler ohne technische oder wissenschaftliche Ausbildung
Einfache Ein-Linsen-Mikroskope waren zu dieser Zeit in Europa weit verbreitet. Antoni van Leeuwenhoek begann vermutlich ab 1660, sich mit der Mikroskopie zu beschäftigen und in der Folge eigene Mikroskope herzustellen. Aus dieser Zeit stammt auch die erste Korrespondenz mit der Londoner Royal Society.
Das Entstehungsjahr des ersten Mikroskops ist umstritten. Unbestritten ist aber, dass van Leeuwenhoek weitaus größeren Erfolg hatte als seine Zeitgenossen. Das beste heute noch erhaltene Utrechter Mikroskop erreicht am Ende eine 500-fache Vergrößerung, was auch im Vergleich mit heutigen Lichtmikroskopen mit einer maximal tausendfachen Vergrößerung beachtlich ist.
Zu Beginn musste er sich mit 70-facher Vergrößerung zufriedengeben. Das Kernstück von van Leeuwenhoeks Mikroskop war eine wenige Millimeter große Linse, die zwischen zwei Metallplatten gehalten wurde. Die zu untersuchende Probe wurde auf einer Nadel hinter dem Loch fixiert. Ihren Abstand zur Linse konnte man mithilfe einer Schraube verstellen. Für flüssige Proben gab es eine Halterung für Glasröhrchen.
Van Leeuwenhoek ließ seine Proben von hinten mit Sonnenlicht durchleuchten. Er entwickelte großes Geschick bei der Herstellung der Gewebeschnitte. Neue Studien zeigen, dass die Linsen, die Leeuwenhoek für seine Mikroskope herstellte, nicht zwangsläufig besser oder stärker waren als andere übliche Linsen. Es lag vielmehr an der Kombination aus diesen Linsen in ihren konstruierten Metallgehäusen und der Art und Weise, wie es ihm gelang, seine Objekte aufzubringen und zu beobachten, die seinen Erfolg ausmachten.
Die Neugier, wirklich alles zu untersuchen
Van Leeuwenhoek nutzte seine Mikroskope, um sich alles in seinem Haus und Drumherum anzuschauen, inklusive menschlichen Materials von ihm und seiner Familie: von Haaren, Schweiß, Speichel, Sperma, Blut, Urin, Gartenerde und Zahnbelag bis hin zu Flöhen, Läusen und anderen Insekten sowie Wasser aus Seen rund um Delft.
Dabei sah er als erster Mensch überhaupt Mikroorganismen und sogar Bakterien, allerdings ohne zuerst die richtigen Folgerungen zu ziehen. Die „kleinen Tiere“ oder auch „Animalcules“, die er entdeckte, machten ihn aber berühmt. Denn wenn er auch nicht der Erfinder des Mikroskops war, so gilt er doch mit Recht als „Erfinder“ der Mikrobiologie. Er sah als Erster das winzige Leben unter der Mikroskoplinse. Und folgerte danach oft richtig.
Ein Meilenstein war das Jahr 1668: Da entdeckte van Leeuwenhoek die roten Blutkörperchen. Und, wichtig für uns Brauer: Er sah als Erster etwas, das er „Hefekügelchen“ nannte. Er verglich sie anfangs mit Blutkörperchen und schrieb ihre Herkunft dem Malz bzw. Schrot zu. Aber richtig schlussfolgerte er bereits die Gasentwicklung während der Gärung und die Zersetzung des Zuckers durch ebenjene Kügelchen.
Schwierig wurde die Erklärung der Herkunft, als er auch im Bodensatz von Wein „Hefekügelchen“ fand. Er untersuchte sogar den Hopfen und das Gerstenkorn als Erster mikroskopisch.
Durch geschickte Schnitte entdeckte er den korrekten Aufbau der Pflanzen mit allen notwendigen Teilen. Zum Beweis ließ er von Künstlern Abbildungen anfertigen.
Während van Leeuwenhoek sich in die Mikroskopie einarbeitete, starb 1666, nach zwölf Jahren Ehe, seine Frau Barbara. 1671 heiratete er ein zweites Mal, Cornelia Swalmius. Diese Ehe währte 23 Jahre, bis zum Tod auch dieser Gattin im Jahr 1694.
Van Leeuwenhoek war sich der Bedeutung seiner Erkenntnisse wohl bewusst. Er publizierte, korrespondierte mit Freunden und stritt mit seinen Gegnern öffentlich herum. Denn im 17. Jahrhundert gingen Erkenntnisse wie diese gleich nahtlos in den Bereich der Philosophie über.
Van Leeuwenhoek glaubte, nur Beweise gegen den allgemein gültigen Glauben an die sogenannte Urzeugung gefunden zu haben. Also der Glaube, dass das ursprüngliche Leben ohne Eltern, Eier oder Keime entstanden sei. Untermauert wurden diese Beweise durch Versuche mit Getreidekäfern. Diese Erkenntnisse polarisierten bis in höchste Kreise und bis an sein Lebensende.
Wohlhabend, geachtet, aber auch umstritten
Dennoch war Antoni van Leeuwenhoek gegen Ende seines Lebens nicht nur wohlhabend, sondern auch einer der bekanntesten und berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit. Sein Wohlstand erlaubte es ihm, sich „seiner“ neuen Wissenschaft, der Mikrobiologie, mit Hingabe und vollem Einsatz zu widmen. Dazu sei einmal ein Zitat aus Wikipedia gestattet: „Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war Leeuwenhoek der einzige ernsthafte Mikroskopiker weltweit. Er hatte weder Rivalen noch Nachahmer. Mikroskope wurden sonst nur zum Zeitvertreib eingesetzt.“
Van Leeuwenhoek war nicht nur durch seinen Handel reich geworden, sondern auch durch seine vorab erwähnten Nebeneinkünfte. Er versah seine diversen Aufgaben bis zu Beginn des neuen Jahrhunderts, sein Gehalt wurde ihm bis zu seinem Tod weitergezahlt. Er hinterließ nicht nur fast 60.000 Gulden, sondern auch Mikroskope aus Silber sowie drei aus Gold.
Antoni van Leeuwenhoek starb am 26. August 1723 in Delft, wo er fast 91 Jahre zuvor auch geboren worden war. Er liegt in der Oude Kerk begraben.
Es ließe sich noch so viel schreiben, aber an dieser Stelle muss ein einfaches Dankeschön ausreichen für den Menschen, der uns eine neue Welt entdeckte: die Welt des winzig Kleinen.
Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.
Quellen
- Hayduck, F.: Illustriertes Brauerei-Lexikon, Verlag Paul Parey, Berlin, 1925.
- https://www.britannica.com/biography/Antonie-van-Leeuwenhoek, abgerufen am 18.09.2024.
- https://www.forschung-und-lehre.de/forschung/die-geschichte-der-mikroskopie-5855, abgerufen am 18.09.2024.
- https://www.mpg.de/14597050/biblhertz_jb_2019, abgerufen am 18.09.2024.
- https://de.wikipedia.org/wiki/Antoni_van_Leeuwenhoek#R%C3%BCckkehr_nach_Delft_und_gesellschaftliche_Etablierung, abgerufen am 18.09.2024.
- https://flexikon.doccheck.com/de/Antonie_van_Leeuwenhoek, abgerufen am 18.09.2024.
Schlagworte
Niederlande Historisches Porträt
Autoren
Günther Thömmes
Quelle
BRAUWELT 25, 2024, S. 958-960