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Anton Trampitsch (1860 – 1940) (Foto: unbekannter Fotograf, public domain, via Wikimedia Commons)
16.09.2024

Giganten der Biergeschichte: Anton Trampitsch

Weltbürger des 19. Jahrhunderts | Auf unserer historischen Weltreise durch die Biergeschichte betreten wir nun Neuland. Vorgestellt wird der erste Biergigant slawischer Herkunft. Einen Slowenen aus Kärnten, der aber zuerst in Österreich lebte und arbeitete, bevor er in Frankreich großen Erfolg hatte: Anton Trampitsch (slowenisch Trampič).

Anton Trampitsch wurde am 4. April 1860 in Wegscheide, einem Ortsteil von Köttmannsdorf, geboren. Der Ort gehört heute zum Bezirk Klagenfurt im österreichischen Kärnten, etwa 15 km nördlich der Grenze zu Slowenien. Auch wenn Kärnten meist Teil des habsburgischen Vielvölkerstaates war, war die Prägung von Köttmannsdorf nicht rein österreichisch, sondern slawisch-slowenisch.

Bis heute ist die Region zweisprachig und seit jeher eng mit der slowenischen Geschichte verbunden. Das war und ist wichtig für die Identitätsfindung des jungen Anton, wie auch seine späteren Würdigungen.

Antons Vater, Kristijan Trampitsch, wurde 1811 im gleichen Ort geboren. Auch seine Mutter, Magdalena Helena, geboren 1829 als Klatzer, war ein Kind der Region. Wie nicht unüblich bei einem Altersunterschied von 18 Jahren, kam für den Vater die Hochzeit relativ spät (mit 37 Jahren), für die Mutter recht früh (mit 19 Jahren). Auch die Anzahl der aus der Ehe hervorgehenden 14 Kinder waren durchaus in der Norm.

Bevor wir uns dem Sohn Anton widmen, gibt es eine schöne Anekdote über den Vater Kristijan: Dessen Geburt fiel genau in die Zeit der Eroberungskriege Napoleons, und wie der Zufall wollte, schlug dessen Generalstab nur 100 Meter entfernt vom Trampitsch-Haus sein Lager auf. Der große Franzose nahm das Baby Kristijan öfter in den Arm, so wird berichtet. Wurde hier schon unbewusst die Liebe zu Frankreich ins Bewusstsein eingepflanzt und später auf den Sohn weitergegeben?

Nicht überliefert ist, wie viele der 14 Kinder überlebten, aber offenbar gehörte der kleine Anton zu den jüngeren, die nicht nach Klagenfurt aufs Gymnasium durften, sondern deren Zukunft als Landarbeiter angedacht war. Dafür genügt normalerweise die einfache Volksschule, in diesem Falle in Köttmannsdorf.

Doch der junge Anton war ehrgeizig. Biografische Daten sind rar – aber der Kärntner Autor und Verleger Loize Wieser hat Anton Trampitschs Autobiografie ausgegraben, in den 1930er-Jahren in Nancy verfasst und auszugsweise veröffentlicht.

Aus Trampitschs Autobiografie

„Als ich 13 Jahre alt war, hörte ich auf, zur Schule zu gehen und mein Vater beschäftigte mich sofort zu Hause mit landwirtschaftlichen Arbeiten. Mir wurde schnell klar, dass wir zu viele Kinder im Haus hatten. Einer meiner älteren Brüder und meine ältere Schwester fuhren in die Vereinigten Staaten, wo sie dauerhaft blieben. Die Arbeit daheim, auf dem Bauernhof, die mir mein Vater anvertraute, machte mir keine Freude. Am liebsten hätte ich den Beruf eines Fassbinders, Zimmermanns, Schmiedes oder so etwas erlernt, aber mein Vater war dagegen. Ich wusste nicht, an wen ich mich wenden sollte.

Am 2. Februar 1877, zu Lichtmeß, erzählte ich meiner Mutter, dass ich zur Messe in Unterbergen gehen würde, das am Fuß des Loiblpasses liegt. Aber anstatt zur Messe zu gehen, ging ich zum Dorfbrauer und bat ihn, mich als Lehrling aufzunehmen. Dieser Gastwirt namens Pahatz war bereit, mich aufzunehmen, allerdings unter der Bedingung, dass ich die Zustimmung meines Vaters einholte. Als ich meinem Vater von meiner Absicht erzählte, widersetzte er sich. Ich beharrte jedoch so lange darauf, dass er, nach Vermittlung meiner Mutter, nachgab. So wurde ich Braulehrling in Unterbergen. Dort arbeitete ich zwei Jahre, ohne einen einzigen Cent zu verdienen. Meine Ersparnisse (um die 200 Gulden) musste ich sogar als Lehrgeld einbringen.

Währenddessen war mein Vater gestorben. Ich verließ die Vorbereitungsschule und ging von Brauerei zu Brauerei in Richtung Wien, um dort Arbeit zu bekommen. Schließlich wurde ich als Kellner in einem Lokal in der Nähe von Wien angenommen. Dort erfuhr ich, dass es in Mödling, sieben Kilometer von Wien entfernt, eine Brauerschule gab. Ich wollte unbedingt auf diese Schule gehen. Leider musste das Schulgeld bezahlt werden, und ich hatte kein Geld. Meine Schwester, die ein paar Jahre zuvor geheiratet hatte, überließ mir das nötige Geld.

Da ich unter den 40 Bewerbern die niedrigste Schulbildung hatte, wurde ich als Letzter in die Schule aufgenommen. Diese Schule hatte die Gewohnheit, jedes Jahr die zwei oder drei schlechtesten Schüler auszuschließen. Nach drei Wochen (in dieser Schule) wurde ich an die Tafel gerufen, um eine Aufgabe zu lösen. Aber ich hatte nichts verstanden und konnte kein einziges Wort antworten. Der Schulleiter sagte mir, dass ich von der Schule verwiesen würde, wenn ich mich nicht innerhalb von acht Tagen verbessern würde. Ich hatte mehrere Freunde, die mich ermutigten. Zwei von ihnen, die eine höhere Ausbildung hatten, gaben mir kostenlosen Unterricht. Als mich acht Tage später ein anderer Professor an die Tafel rief, beantwortete ich alle Aufgaben richtig. Der Schulleiter beglückwünschte mich zu meinem Erfolg, und ich durfte mein Studium fortsetzen. Obwohl ich der letzte Student war, der an der Schule zugelassen wurde, belegte ich am Ende meines Studiums den zweiten Platz. Ich hätte auch den ersten Platz belegt, wenn es nicht üblich gewesen wäre, den ersten Platz an den Förderer der Schule zu vergeben.

Nach Abschluss meines Studiums kehrte ich in dieselbe Brauerei zurück. Diesmal wurde ich jedoch schlecht aufgenommen, denn sie mochten keine ausgebildeten Leute. Sie bevorzugten Ungebildete. Ich verließ dann diese Brauerei und nahm eine Stelle in einer anderen Brauerei in Brunn am Gebirge an. Das Personal dieser Brauerei bestand hauptsächlich aus Bayern und Preußen, die eher unfreundlich waren. Ich hielt es in dieser unfreundlichen Atmosphäre nicht lange aus und musste bald darauf gehen.“ Soweit O-Ton Anton Trampitsch.

Über Pilsen nach Frankreich

Weiter ging es nach Pilsen, wo er sich als ungebildeter, einfacher Arbeiter vorstellen musste, um Arbeit zu bekommen. In der Pilsner Brauerei blieb Trampitsch ein Jahr lang. Er berichtete von seinen Reisen – eine Zugfahrt nach Hause zu seiner Mutter in Kärnten dauerte 48 Stunden – und wie sein Vater ihn als Bürgermeister einst vorsorglich vom Wehrdienst befreit hatte.

Anton Trampitsch beschloss endgültig, sein Glück im Ausland zu suchen. England schwebte ihm vor, doch in Basel traf er zufällig drei Burschen, die ihn zur Arbeitssuche mit ins Elsass (damals noch Teil des Deutschen Reichs) nahmen. In Lutterbach kam er unter, in einer Brauerei, die einem französischen, ehemaligen Hauptmann gehörte. Die Brauerei hatte besser ausgebildetes Personal. Trampitsch war geschätzt und erfolgreich. Im September 1884 wurde er zum Leiter der Malzabteilung befördert.

Sein direkter Vorgesetzter war jedoch neidisch und betrieb das, was man heute als Mobbing bezeichnen würde. Er verließ die Brauerei Ende Juli 1885 mit einem französischen Zeugnis.

Es folgten Braustationen in Masevaux/Masmünster, Cravanche/Cranwelsch, Montbéliard/Mömpelgard und Châlons-sur-Marne. An der Brauerei im letztgenannten Ort wurde er Teilhaber, machte die Brauerei profitabel und verdiente gutes Geld. Es gab jedoch immer wieder Streit mit den Partnern.

In der Zwischenzeit behob er die Schwächen in seinem Französisch und wurde um 1887 sogar französischer Staatsbürger.

Eigene Brauerei mit endlosem Wachstum

Trampitsch beschloss, sein eigener Herr zu werden. Schließlich erwarb er 1897 im 6000-Einwohner-Ort Champigneulles in Lothringen (heute ein Vorort von Nancy) ein 14 Hektar großes Grundstück für seine künftige Brauerei.

Weil er keine Partner mehr wünschte, konzipierte er die neue Brauerei als Aktiengesellschaft und trieb, mit tatkräftiger Mithilfe des Finanziers Victor Hinzelin, tatsächlich 1 Million Franc auf.

Luftbild der Großbrauerei „Grande Brasserie de Champigneulles“ (Foto: unbekannter Fotograf, public domain)

Am 20. Juni 1897 war Grundsteinlegung für die Brauerei, die in der Folge als „Grande Brasserie de Champigneulles“ bekannt wurde. Die geplante Kapazität war 25.000 hl/Jahr. Ende März 1898 war die Brauerei fertig, am 26. Juni kam das erste Bier in den Verkauf.

Bereits in den ersten sechs Monaten wurden 7500 hl verkauft, im nächsten Jahr war die Brauerei bereits am Kapazitätlimit. Trampitsch ließ neue Keller anlegen, der Ausstoß stieg auf 41.000 hl im Jahr 1900 und auf 215.000 hl im Jahr 1911.

Trotz des dann ausbrechenden Ersten Weltkriegs und ständigen Bombardements der deutschen Luftwaffe – die Brauerei war nur zwölf Kilometer von der Grenze entfernt – stieg die Produktion bis 1917 auf über 308.000 hl/Jahr. Trampitsch plante auch im Krieg klug voraus, so dass nach Kriegsende nahtlos weitergemacht werden konnte.

Nach dem Krieg war alles viel zu klein. Trampitsch ließ die Brauerei abreißen und investierte über 50 Millionen Franc in eine neue Brauerei. 1930 waren es 410.000 hl. Das war der Höhepunkt.

Anton Trampitsch zog sich aus gesundheitlichen Gründen zurück ins Privatleben. Er war mittlerweile nicht nur steinreich, sondern auch Vorsitzender einer Immobilien- und Finanzierungsgesellschaft, die im Auftrag der Brauerei Immobilien kaufte und Wirten Geld lieh.

410.000 Hektoliter – derartige Größenordnungen hatte es in Frankreich noch nie gegeben. (Anm.: Die einzige Brauerei, die da noch mithalten konnte, war Kronenburg in Straßburg. Durch Kriege und wechselnden Besitz zwischen Deutschland und Frankreich war jedoch eine Zuordnung „größte Brauerei Frankreichs“ schwierig. Aber Trampitschs Brauerei war unter den rein französischen eine absolute Ausnahme und in ihren besten Jahren die größte Brauerei des Landes.)

Der Zweite Weltkrieg traf das Unternehmen dann stärker als der Erste. René Hinzelin, der Enkel des zweiten Gründervaters, führte nach dem Krieg den Betrieb weiter.

Erst 1970 ging die Brauerei in familienfremde Hände über, u. a. Danone und Scottish & Newcastle. Seit 2006 gehört die Brauerei zur Beteiligungsgesellschaft TCB-Beverages in Frankfurt/Oder, zu der u. a. das Frankfurter Brauhaus, Gilde und Feldschlößchen gehören.

Familie und Identität

Anton Trampitsch war zweimal verheiratet. Seinen Sohn Armand Trampitsch hielt es nicht lange im väterlichen Unternehmen. Er stieg 1911 aus. Seine Tochter Emma Jeanne Gabrielle heiratete einen französischen Offizier. Über seine Ehefrauen ist nichts bekannt. Sie werden auch in seiner Autobiografie nicht erwähnt.

Wichtig war Trampitsch Zeit seines Lebens jedoch seine Identität. Obwohl seit 1887 französischer Staatsbürger, fühlte er sich zeitlebens als Kärntner und Slowene. Er vereinigte drei Nationen in sich und darf somit als früher Weltbürger und Europäer gesehen werden.

Wenn die Bierwelt außerhalb Frankreichs zu Lebzeiten auch wenig Notiz von ihm nahm, so war er doch im Raum Nancy eine prominente Persönlichkeit.

Straßenschild „Place Antoine Trampitsch“ in Champigneulles (Foto: Lea Colombain, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons)

Als er am 7. März 1940 in Nancy starb, hatte er sich bereits seit zehn Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen. Der Zweite Weltkrieg war inzwischen in vollem Gange. Am 10. Mai 1940 wurde Nancy erstmals von der Deutschen Luftwaffe bombardiert. Am 18. Juni nahmen Soldaten der Wehrmacht Nancy kampflos ein. Die Einwohner von Champigneulles wussten jedoch, wem sie ihre Blütezeit zu verdanken hatten. So wurde ein zentraler Platz in der Stadt „Place Antoine Trampitsch“ genannt. Anton Trampitsch wurde in Nancy begraben. Seine Grabstätte war nicht aufzufinden (was sicher mit dem Krieg zusammenhing). Die Kärntner Slowenen betrachten ihn heute als Volksheld und als einen der ihren. Wir Brauer sollten das auch tun.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Trampitsch, abgerufen am 24.07.2024.
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Brasserie_Champigneulles, abgerufen am 24.07.2024.
  3. Wieser, L.: Geschmackshochzeit 3 – Die Vermählung von Alpen und Austria, Wieser Verlag, Klagenfurt, 2023.

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