Eingabehilfen öffnen

26.06.2023

Giganten der Biergeschichte: Fritz Brinkhoff

Bierkönig im Ruhrgebiet | In dieser neuen Folge der „Bier­giganten“ stellen wir den Braumeister Fritz Brinkhoff vor, dessen Name bis heute im Ruhrgebiet ein Begriff ist – obwohl er seit fast 100 Jahren nicht mehr unter uns weilt. Sein berühmtestes Rezept wurde anlässlich seines 50. Todestages unter dem Namen „Brinkhoff’s No. 1“ neu aufgelegt und ist seitdem Teil der Dortmunder Bierkultur. Ein Braumeister, der zwar auch ein geschäftstüchtiger Unternehmer war, jedoch in erster Linie Angestellter seines Arbeitgebers.

Ende des 19. Jahrhunderts, die Industrialisierung war in vollem Gange, da konnte es nur eine Stadt mit München und Berlin aufnehmen, was die Bierproduktion und den Bierkonsum betraf: Dortmund. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde Dortmund Deutschlands Hauptstadt des Gerstensafts. In den 1860er-Jahren noch eher eine Kleinstadt, vervierfachte sich die Bevölkerungszahl innerhalb von nur 30 Jahren. Bald sorgten mehr als 70 Brauereien für Nachschub für die durstigen Zechenarbeiter.

Eine von ihnen war die „Hausbrauerei Wilhelm Struck“ am Dortmunder Westenhellweg. Wilhelm Struck betrieb hier eine Bäckerei mit kleiner Brauerei und angegliederter Schankwirtschaft. 1870 warb er den Braumeister Fritz Brinkhoff von der Dortmunder Löwenbrauerei ab – und änderte damit den Lauf der Dortmunder Biergeschichte.

Wer war dieser Fritz Brinkhoff? Geboren wurde er als „Friedrich Diedrich Heinrich Wilhelm Georg Brinkhoff“ am 8. Februar 1848 im heutigen Bochumer Stadtteil Harpen. Seine Eltern hießen Johann Wilhelm Heinrich Brinkhoff und Elsa Catharina Anna, geb. Overhoff. Er wurde in eine Familie hineingeboren, die bereits seit 1626 eine Landwirtschaft mit Brauerei und angeschlossener Mälzerei führte, zu der auch eine Gaststätte gehörte. In Bochum besuchte er das Königlich-Preußische Gymnasium. Die Frage nach seiner Berufswahl stellte sich nicht, alles andere als eine Brauerlehre war undenkbar.

Fritz Brinkhoff (1848 – 1927) (Foto: Brauerei-Museum Dortmund)

Die Brauerei Brand in Barmen war sein Lehrmeister. Danach ging er auf die damals übliche Wanderschaft durch Deutschland und Österreich. Er arbeitete als Geselle in Leipzig, Dresden, Berlin, Pilsen und Wien, vermutlich auch in Antwerpen und Brüssel. Mit jungen 21 Jahren wurde er danach bereits Betriebsführer bei der Dortmunder Kloster-Brauerei Gebr. Meininghaus. Kurz darauf, am 9. April 1870, heiratete er die zwei Jahre ältere Laura Wilhelmine Werth aus Herdecke an der Ruhr. Bald wechselte er zur Dortmunder Löwenbrauerei vorm. Peter Overbeck, von wo ihn Wilhelm Struck noch im gleichen Jahr abwarb.

Geschäftstüchtig auch als  Angestellter

Dortmund hatte eine lange Biertradition, die durch ein Privileg des Königs Adolf von Nassau bis ins Jahr 1293 zurückreichte. Damals wurde noch Gruitbier gebraut, ab dem 16. Jahrhundert wurde dann der Hopfen dominant. Die Zeiten danach, von Kriegen und Revolutionen geprägt, waren keine guten für Bierbrauer.

Erst mit der Industrialisierung ging es wieder spürbar aufwärts: Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begann durch die Kohleförderung und Stahlverarbeitung der erneute Aufstieg Dortmunds und der Wandel zu einer Industriestadt. Durch die Eisenbahn ab 1847 entwickelte sich die Stadt zum wichtigsten Verkehrsknotenpunkt im Ruhrgebiet. Im Jahr 1843, mit der Gründung der „Krone am Markt“ durch Heinrich Wenker, begann eine neue bierige Zeit in Dortmund, mit ersten hellen, untergärigen Bieren. Diese Biere waren offenbar auch die Spezialität von Fritz Brinkhoff, und der Grund für seinen Wechsel des Arbeitgebers. Brinkhoff handelte, normal für diese Zeit, eine zusätzliche Umsatzbeteiligung an der Bierproduktion aus. Neben 100 Talern monatlich bekam er eine mietfreie Wohnung, „Brand und Licht“ sowie eine Beteiligung von 2 Groschen (20 Pfennigen) je verkauftem Hektoliter. Diese Beteiligung wurde Kaßmännchen genannt.

Die freie Verfügungsgewalt Brinkhoffs über Hefe und Malzkeime der Brauerei sollte sich später noch bezahlt machen. Nun begann der Aufstieg der Dortmunder Union-Brauerei, wie Strucks Brauerei sich 1873, nach Umzug und Umfirmierung, nannte. Kolportiert wird, dass der neue Name eine Idee Brinkhoffs war. Der Start erfolgte mit 39 Mitarbeitern und 20 000 hl Jahreskapazität.

Ein Bierstil, der zu Land und Leuten passte

Den Bierstil, den die Dortmunder am liebsten tranken, wurde bald „Dortmunder Export“ genannt. Dieser Stil passte einerseits perfekt zum mittelharten bis harten Dortmunder Brauwasser, das robustere Biere verlangte, andererseits auch zum umgänglichen, jovial-rauhen Kumpeltyp des Reviers, dem klassischen Biertrinker dieser Zeit. Die Brauerei kam nicht mehr hinterher mit der Produktion.

Ein Fehler sorgte dann für den weiteren Durchbruch: 1887, die Brauerei produzierte damals etwa 75 000 hl pro Jahr, schickte man ein mit zu hellem Braumalz eingebrautes Bier, eigentlich ein Fehlsud, nach Aachen. Die Aachener waren begeistert – und Brinkhoff optimierte das sogenannte Dortmunder Export zur Perfektion.

Das Illustrierte Brauerei-Lexikon von 1910 beschreibt das Dortmunder Bier wie folgt: „Es ist heller als Pilsener, höher vergoren, alkoholreicher und aus stärkerer Stammwürze hergestellt als dieses. Es schmeckt zart-vollmundig, weniger edel, steht aber in der Schaumhaltigkeit hinter dem Pilsener zurück. Der Hopfengeschmack tritt infolge der schwächeren Hopfengabe und der kürzeren Hopfenkochdauer zurück. Es wird aus langgewachsenen, sehr weit aufgelösten und nicht hoch abgedarrten Malzen hergestellt, denen auch dieses Bier seinen Charakter in der Hauptsache verdankt.“

Der bestbezahlte Braumeister der Nation

Der Erfolg forderte auch Opfer: Eine erste „Flurbereinigung“ reduzierte die Zahl der Brauereien auf etwa 30. Jedoch hatte sich zwischen 1870 und 1913 der Dortmunder Bierausstoß von 140 000 hl auf 1,7 Mio hl erhöht – Dortmund zählte nicht nur eine Viertelmillion Menschen, sondern auch zu den größten Bierproduzenten der Welt. Der Anteil der Union-Brauerei belief sich 1900 bereits auf 200 000 hl. Fritz Brinkhoff, der mittlerweile seinen markanten Bart trug, der sein Markenzeichen werden sollte, war zum bestbezahlten Braumeister Deutschlands aufgestiegen.

Elternhaus von Fritz Brinkhoff (gezeichnet 1886) (Quelle: Brauerei-Museum Dortmund)

Er war mittlerweile so prominent und wohlhabend, dass die folgende Anekdote wahr zu sein scheint: Der Dortmunder Braumeister Fritz Brinkhoff und der deutsche Reichskanzler Fürst Bismarck, gewiss auch kein armer Mann, trafen sich 1890 bei einer Kur in Bad Kissingen. Dabei tauschten sie wohl Details über ihre Bezüge und ihren jeweiligen Wohlstand aus. Später, als in der Öffentlichkeit Bismarcks Gehalt als zu hoch kritisiert wurde, konterte der mit dem Argument, er verdiene ja nicht einmal so viel wie ein Dortmunder Braumeister.

1894 wurde Brinkhoff zum ordentlichen Vorstandsmitglied der Dortmunder Union-Brauerei AG gewählt. Da war er bereits ein reicher Mann. Denn er hatte, neben seinem Gehalt und seinem Kaßmännchen, einen weiteren Geschäftszweig entwickelt: Als erster Brauer handelte er überregional und in großem Umfang mit der Hefe seiner Brauerei. Ein Privileg, das er clever in seinen Arbeitsvertrag hineinverhandelt hatte.

Hochgeachtet als Mensch, Familienvater und Braumeister

Fritz Brinkhoff war bekannt für seine laute Stimme, die ihm Autorität verlieh, ohne dass die Belegschaft der Brauerei sich vor ihm fürchten musste. Er war geachtet, auch weil er Sparsamkeit und Bescheidenheit vorlebte. Er ließ sich nicht mit „Herr Direktor“ anreden, wenn die Situation es nicht zwingend erforderte. Auch in späteren Jahren, als gefeierter Erfolgsmensch, lehnte er Orden und Titel stets ab.

Es gab nur zwei Dinge, bei denen er die Bescheidenheit sein ließ: Überliefert ist die sprichwörtliche „gepflegte Häuslichkeit“, für die ihm kein Aufwand zu viel war, was immer man heute darunter verstehen mag. Mit mittlerweile sieben Kindern, die zwischen 1871 und 1891 geboren wurden, und einigen schnell folgenden Enkelkindern, war es sicher eine sehr lebendige Häuslichkeit. Und sein Urlaub war ihm heilig: Einmal im Jahr fuhr er für vier Wochen in ein Heilbad, wo er beispielsweise den Reichskanzler Bismarck traf.

Seine Forschernatur lebte er auch privat aus, mit seinem Interesse für Geografie, Geschichte und Mathematik. Und im Prä-Automobil-Zeitalter besaß ein Mann von Rang auch Pferde, denen er, stets als letzten Gang am Abend, einen Besuch abstattete. Seine Genügsamkeit bezog sich auch auf sein Produkt, denn er trank kaum Bier und noch seltener Wein oder Branntwein.

Fritz Brinkhoff lebte ein ausgefülltes, ereignisreiches Leben, mit den beiden Fixpunkten Brauerei und Familie. Nach 53 Jahren in Diensten der Dortmunder Union-Brauerei ging Brinkhoff am 1. Mai 1923 in den Ruhestand. Das Jahr 1929, als seine Brauerei die 1-Mio-hl-Schallmauer durchbrach, erlebte er nicht mehr. Er verstarb, 79-jährig, am 21. März 1927 in Dortmund. Laura Wilhelmine folgte ihm nur ein Jahr später. Alle sieben Kinder – vier Jungen und drei Mädchen – überlebten die Eltern, wobei der Erstgeborene, Friedrich Emil Daniel, ebenfalls Brauereidirektor wurde, aber seinen Vater aufgrund eines tödlichen Unfalls nur um zweieinhalb Jahre überlebte. Das Familiengrab der Brinkhoffs steht auf dem Dortmunder Ostfriedhof.

Der Untergang der Dortmunder Bierkultur

In Dortmund waren die Brauer neben Kohle und Stahl mittlerweile drittgrößter Arbeitgeber und beschäftigten fast 7000 Menschen. In den besten Zeiten kamen etwa zehn Prozent der gesamten deutschen Bierproduktion aus Dortmunder Sudkesseln. Und vier von sechs deutschen Hektoliter-Millionären stammten aus Dortmund: Union, Ritter, DAB und Krone. Ganz unbescheiden ergänzte die Stadt eine Zeit lang die Ortseingangsschilder Dortmunds durch die Aufschrift „Europas Bierstadt Nummer 1“.

Die Union-Brauerei wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer der modernsten Braustätten der Welt ausgebaut, aber auch sie überlebte den Konzentrationsprozess der Globalisierung nicht, der hier bereits in den 1970er-Jahren einsetzte. Von den ca. 7,5 Mio hl der Dortmunder Gesamtproduktion 1972/73 steuerte Union 2 Mio hl bei. Dieser Gipfel war auch der Beginn des Untergangs. Ein Wechselspiel aus gegenseitigen Übernahmen und Verkäufen der großen Dortmunder Brauereien folgte. Zechenschließungen und Massenentlassungen sorgten für rückläufigen Bierkonsum. 1994 übernahm die Union-Brauerei die Ritter-Brauerei und nannte sich fortan Dortmunder Union-Ritter-Brauerei GmbH. Die Produktion wurde aus der Innenstadt zur bisherigen Produktionsstätte der Ritter-Brauerei an den Stadtrand in Lütgen­dortmund verlegt. Im Jahr 2000 waren nur zwei aktive Brauereien übriggeblieben.

2002 wurde die Union-Ritter-Brauerei in „Brauerei Brinkhoff“ umbenannt, die jedoch bereits drei Jahre später geschlossen und ihre Produktion zur Dortmunder Actien-Brauerei verlagert wurde. Diese ist seither das einzige Unternehmen im Dortmunder Braugeschäft. Die ehemalige Union-Brauerei in der Dortmunder Innenstadt wurde 2004 abgerissen. Nur der sieben Stockwerke umfassende und 70 Meter hohe Gär- und Lagerkeller mit dem weit sichtbaren vergoldeten Dortmunder „U“, das 1968 auf dem Turm installiert wurde, steht noch. Heute ist es eine Art Dortmunder Wahrzeichen, das von vergänglichem Ruhm kündet.

Anlässlich seines 50. Todestags entwickelte die Union-Brauerei 1977 ein Bier, dass als „Brinkhoff’s No. 1“ so erfolgreich war, dass es bis heute produziert wird. Allerdings ist es eher ein Pils als ein Export, insofern ist es wahrscheinlich weniger Fritz Brinkhoffs Originalrezept als vielmehr cleveres Marketing. Und die Dortmunder Union-Brauerei existiert als Name auch nicht mehr. Brinkhoff’s No. 1 wird von der „Dortmunder Brauereien GmbH“ innerhalb der Radeberger Gruppe hergestellt.

Eine zusätzliche, posthume Ehrung erfuhr Fritz Brinkhoff im Jahr 1981: Die ehemalige Sedanstraße in Dortmund, Anliegerstraße der Union-Brauerei, wurde in Brinkhoffstraße umbenannt.

Das Dortmunder Biererbe ist kulturell und touristisch jedoch in guten Händen. Ein sehr gelungenes Brauereimuseum (ebenfalls im Besitz der Radeberger Gruppe) an Stelle der früheren Hansa-Brauerei bietet als Dauerausstellung eine gelungene Schau der Industrie- und Brauereigeschichte im Revier.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Dr. Max Delbrück: Illustriertes Brauerei-Lexikon, Parey, Berlin, 1910.
  2. https://bier-und-brauhaus.de (abgerufen am 27.4.2023).
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Brinkhoff#Posthum (abgerufen am 27.4.2023).
  4. https://brinkhoffs.de/175-jahre-fritz/ (abgerufen am 27.4.2023).
  5. https://www.brauereierlebnis-dort mund.de/dortmunderbrauer_brink hoff.php (abgerufen am 27.4.2023).

Brauwelt-Newsletter

Newsletter-Archiv und Infos

Pflichtfeld

Brauwelt-Newsletter

Newsletter-Archiv und Infos

Pflichtfeld

BRAUWELT unterwegs

kalender-icon