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Auf dem  Alten Südlichen Friedhof in München befindet sich die Grabstätte von Joseph Pschorr (1770 – 1841) (Foto: HubertSt, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Grab-Joseph-Pschorr-Alter-Suedl-Friedhof-Muenchen-GF-9-1-6-9.jpg)
05.06.2023

Giganten der Biergeschichte: Joseph Pschorr

Erster Münchner Großbrauer | Obwohl es unter dem Namen Pschorr einige Brauer zu Ruhm und Ehre gebracht haben, war es doch keine Frage, wer aus dieser Dynastie der wahre „Gigant der Biergeschichte“ war. Joseph Pschorr stand nicht nur am Anfang einer großartigen Brauerei, sondern er war es, der den Münchnern als Erster zeigte, wie groß man eine Brauerei bauen kann, wenn der Wille stark genug ist. Für diese und andere Verdienste gab es Ehrungen – übliche und außergewöhnliche.

„Als Anerkennung bayerischen Verdienstes und Ruhmes ward diese Halle errichtet von Ludwig I., König von Bayern“. Diese Widmung König Ludwigs I. gilt der Ruhmeshalle bei der Bavaria in München. Diese Halle wird fast jedem Besucher Münchens schon einmal ins Auge gefallen sein, befindet sie sich doch gleich oberhalb der Theresienwiese. Leo von Klenze hatte von König Ludwig I. den ambitionierten Auftrag erhalten, diese Halle zu entwerfen, mit Büsten bedeutender Bayern anzufüllen und somit das neue Selbstbild des Freistaats zu dokumentieren.

Die dreiflügelige dorische Säulenhalle wurde in den Jahren 1843 bis 1853 errichtet. Es finden sich dort Büsten von Staatsmännern, Gelehrten, Wissenschaftlern, Künstlern, Schriftstellern, Erfindern, Baumeistern – aber auch eines Brauers: Joseph Pschorr! Und dass diese einmalige Ehrung kein Zufall war, davon soll hier berichtet werden.

Die Anfänge

Joseph Pschorr wurde am 2. Juni 1770 in Kleinhadern, das heute zu München gehört, geboren. Seine Eltern betrieben den so genannten Spitzweghof (heute Stürzerhof), der seit vielen Generationen im Besitz der Familie war. Mit 15 Jahren durfte er, entgegen der bäuerlichen Familientradition, nach München gehen, um beim Oberkandler Bräu eine Brauerlehre zu absolvieren. Als Geselle arbeitete er noch ein paar Jahre dort, bevor er an den elterlichen Hof zurückkehrte. 1793 zog es ihn jedoch endgültig zurück zur Brauerei. In diesem Jahr heiratete er die Tochter eines Brauereibesitzers, Maria Therese Hacker. 1738 hatte der Gastwirt Simon Hacker die Brauerei (damals Probstbrauerei) übernommen und mittlerweile an seinen Sohn Peter-Paul übergeben.

Porträt von Joseph Pschorr (Quelle: Wolfgang Sauber, Public domain, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:BIB_-_Portrait_Pschorr_1a.jpg)

Pschorrs Schwiegervater, Peter-Paul Hacker, war mit seiner Brauerei in der Sendlinger Straße 75 allerdings nicht sonderlich erfolgreich, und so war es naheliegend, sie an den Schwiegersohn zu übergeben. Jedoch war Hacker nicht willens oder fähig, dem jungen Ehepaar die Brauerei als Geschenk zu überlassen. 34 000 Gulden sollte der Betrieb kosten. Pschorrs Vermögen aus dieser Zeit wird mit 10 000 Gulden kolportiert, das seiner Gattin mit der Hälfte. 1797 verschuldeten sich die beiden und übernahmen den Hackerbräu. Damit begann eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Die Bierqualität musste stimmen

Gesellschaftliche Entwicklungen wie die Aufhebung des Zunftzwanges und die industrielle Revolution waren zusätzliche Erfolgsfaktoren. München hatte um 1800 nur etwa 40 000 Einwohner, wuchs aber ebenso schnell wie der Durst seiner Bürger. Pschorr lieferte offenbar sehr gute Qualität und kam mit der Produktion bald nicht mehr nach. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verdoppelte er erstmals das Sudhaus. Er erhöhte die Sudzahl von den üblichen 60 auf 260 im Jahr, dies auch noch bei größerer Ausschlagmenge. Bald schon war er der wichtigste Brauer Münchens.

Er saß dem sogenannten Handwerksvierer vor, einem Gremium, das neuen Brauern in München die Aufnahme ins Handwerk erteilte. Im Januar 1808 nahm dieser Vierer einen neuen Brauer in ihre Reihen auf: Gabriel Sedlmayr (den Älteren), Vater des jüngeren Gabriel Sedlmayr, (siehe Teil 1 dieser Reihe in BRAUWELT Nr. 8, 2021, S. 203–205). Pschorr ahnte sicher nicht, dass ihm in dieser Familie die größte Konkurrenz erwachsen und ihn letzten Endes entthronen würde. Einstweilen ging es jedoch nur aufwärts. Eine Zäsur und einen Meilenstein in der Münchner Biergeschichte stellte bereits das Jahr 1813 dar: Da begann Pschorr mit dem Bau eines neuen Kellers, der alle bislang bekannten Dimensionen sprengte.

Der Magistrat hatte 1808 die städtischen Galgen an der Richtstätte einer ausgebeuteten Sandgrube abbauen lassen und das Terrain zur Versteigerung freigegeben. Pschorr gewann die Auktion. Zehn Jahre dauerte der Bau in der Landsberger Straße. Auf den ehemaligen Sandgruben wuchsen Magazine, Remisen und Gartenanlagen. 400 000 Gulden kostete angeblich der Bau, also etwa das Zwölffache der ursprünglichen kompletten Hackerbrauerei. Der Lagerkeller lag auf einer Grundfläche von 4000 m2 und hatte eine Lagerkapazität von über 35 000 hl. Seine unterirdischen Kellerräume lagen zwölf Meter tief unter der Erdoberfläche.

Am Ende stand ein Bauwerk, das von der Münchner Bevölkerung bald „Bierfestung“ genannt wurde. Als dann 1840 die Eisenbahn Einzug hielt in München, mit einer ersten Strecke nach Augsburg, war der erste, noch eher provisorische Bahnhof auf dem Marsfeld zudem sehr verkehrsgünstig zu Pschorrs Brauerei gelegen.

Eine Brauerei allein ist nicht genug

Der enorm aggressive Expansionskurs zeigte sich auch darin, dass er noch während des Festungsbaus 1820 den insolventen Bauernhanslbräu in der Neuhauser Straße 11 samt Nachbargrundstücken übernahm, 250 000 Gulden investierte und ab sofort über eine zweite Braustätte verfügte, die er als ‚Pschorrbrauerei‘ von seinem Sohn Georg führen ließ. 1823 erzielte Josef Pschorr einen Bierausstoß von 80 000 hl und übernahm damit die Spitzenposition unter den Münchener Brauherren.

Die Brauereien Hacker und Pschorr machten sich eine Zeit lang nur gegenseitig Konkurrenz, denn die Pschorrbrauerei lag schnell auf dem zweiten Rang, gleich hinter dem Hackerbräu. Eine Steuerlast von 70 000 Gulden allein für den Malzaufschlag (Vorläufer der heutigen Biersteuer) machte bewundernd die Runde – damals waren die Unternehmer offenbar stolz darauf, viele Steuern zu zahlen, weil es doch ihren Erfolg nachhaltig demonstrierte (siehe Teil 8 dieser Reihe in BRAUWELT Nr. 50, 2021, S. 1298–1301).

Auch von Rückschlägen ließ Pschorr sich nicht entmutigen. In der Nacht des 13. März 1825 brannte sein Brauhaus in der Sendlinger Straße mitsamt allen Vorräten nieder. Bei der Bekämpfung des Feuers stand Pschorr in vorderster Reihe und kommandierte die Helfer dahingehend, dass zuallererst ein Übergreifen des Brandes auf die Nachbarhäuser verhindert wurde. Diese Geistesgegenwart ließ sein Ansehen in München weiter steigen. Der Schaden wurde auf 80 000 Gulden beziffert. Angebotene amtliche Hilfe lehnte er ab. Stattdessen kaufte er noch zwei Nachbarhäuser dazu, ließ sie abreißen und erbaute für 150 000 Gulden ein neues, stattliches Brauhaus, das ab sofort Hacker’sches Brauhaus hieß, im Unterschied zum Pschorr-Brauhaus.

Der Aufbau ging extrem zügig – schon einige Wochen nach dem Brand wurde wieder gebraut. Joseph Pschorr erwies sich weiterhin als vorausschauend. Am 21. September 1834, in seinem 64. Lebensjahr, übertrug er die Brauereien an seine Söhne. Der älteste Sohn, Kaspar, war schon in Wien als Essigbrauer erfolgreich und hatte kein Interesse. Auch Josef, der Zweitgeborene, kam als Offizier eher nicht in Frage. Daher kamen die beiden Jüngeren zum Zuge. Georg Pschorr d. Ä. (1798 – 1867) erhielt die Pschorr-Brauerei und Matthias (1800 – 1879) die Hacker-Brauerei. Über das Schicksal der „Bierfestung“ entschied das Los. Der nördliche Teil des Kellers fiel an Matthias, der südliche an Georg. Pschorr blieb zwar offiziell Direktor beider Brauereien, ließ seinen Söhnen jedoch völlig freie Hand.

Vier Ehefrauen, zwanzig Kinder – die Dynastie war gesichert

Joseph Pschorr war insgesamt vier Mal verheiratet und überlebte drei Ehefrauen. Die vier Töchter, die aus der üppigen Kinderschar von 20 Nachkommen das Erwachsenenalter erreichten, wurden wohl finanziell abgefunden.

Für seinen eigenen Ruhestand kaufte er am Schrannenplatz 7 (dem heutigen Marienplatz) gleich zwei Häuser, ließ sie abreißen und sich für 250 000 Gulden ein feudales Bürgerhaus errichten. An dieser Stelle steht heute der Rathausturm als Teil des neugotischen Neuen Rathauses. Nur 450 Meter entfernt, in der Neuhauser Straße 19, befindet sich seit 2013 ein Neubau, das Joseph-Pschorr-Haus, als Reminiszenz an seinen großen Bürger.

Dem Tod sah Joseph Pschorr gelassen ins Auge: Schon zu Lebzeiten ließ er für 6000 Gulden ein monumentales Familiengrab vorbereiten. Und der Sarg für seine sterblichen Überreste stand bereits Jahre vor seinem Tod in seinem Haus bereit. In seinem Testament hinterließ er, neben Prämien für seine Angestellten und Dienstboten, Legate für ein Waisenhaus, ein Krankenhaus, ein Blindeninstitut, einen Armenfonds, einer Kleinkinderbewahranstalt und die Kirche St. Stephan in München. Joseph Pschorr starb am 3. Juni 1841, nur einen Tag nach seinem 71. Geburtstag, in München. Seine imposante Grabstätte befindet sich in München auf dem Alten Südlichen Friedhof.

Ehrung als verdienter Bürger Bayerns

Als zu Ende des 19. Jahrhunderts die Entscheidung des Gremiums zur Erweiterung der Ruhmeshalle anstand, wer also mit zusätzlichen, neuen Büsten geehrt werden sollte, war Joseph Pschorr nicht nur als ehemaliger Besitzer der damals größten Brauerei Münchens ein Kandidat, sondern auch als Besitzer der zweitgrößten Brauerei. So war die Ernennung Pschorrs im Jahr 1898 fast schon eine Selbstverständlichkeit.

Joseph Pschorr wurde als einziger Brauer in der Ruhmeshalle an der Bavaria durch eine Büste geehrt (Foto: Bbb at wikivoyage shared, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Muc_Ruhmeshalle_W44_Joseph_Pschorr.jpg)

Und wie sehr der Erfolg dieser Brauereien an seiner Person hing, lässt sich an der weiteren Entwicklung ablesen: Bereits in den Jahren nach seinem Tod schlossen sowohl die Spatenbrauerei und auch der Löwenbräu zu Hacker und Pschorr auf, und überholten sie später. Dennoch würde man den Nachgeborenen Unrecht tun, würde man sie nur mit ihrem Übervater vergleichen. Den Münchner Bierkrawallen von 1848, bei denen das Pschorr-Brauhaus mehr litt als die anderen Brauereien und weitgehend zerstört wurde, hätte auch Joseph Pschorr sich sicher nicht erfolgreich entgegenstellen können. Die Söhne bauten beide Betriebe denn auch weiter aus und führten sie in die Moderne. Doch auch sie blieben vom Feuer nicht verschont: Im Jahr 1878 brannte die „Bierfestung“ in der Landsberger Straße, auf den ehemaligen Sandgruben, komplett ab.

Niemals geht es immer nur aufwärts

Danach folgte das unweigerliche Schicksal – offenbar der meisten erfolgreichen Brauereien: Zuerst erfolgte die Umwandlung der Hackerbrauerei in eine AG. Sohn Matthias d. J. (1834 – 1900), Sohn von Matthias und seit 1865 im Besitz der Hackerbrauerei, blieb ohne Nachkommen. 1881 überführte er daher das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft, deren Aufsichtsrat er bis zu seinem Tod angehörte. Georgs Nachkommen wandelten ihre Brauerei 1922 in die Pschorrbräu AG um. Fünfzig Jahre später, 1972, verschmolzen die Brauereien Hacker und Pschorr zur Hacker-Pschorr Bräu AG. Später ging diese Aktiengesellschaft zur Schörghuber Unternehmensgruppe. Heute gehört sie zur Paulaner Brauerei Gruppe, einem Joint Venture der Schörghuber Unternehmensgruppe (70 Prozent) und der niederländischen Heineken N.V. (30 Prozent).

Die Brauerei Hacker-Pschorr existiert nicht mehr. Die Hacker-Pschorr-Biere werden bei Paulaner gebraut. Ab 1993 wurden auf dem ehemaligen Gelände des Hacker-Pschorr-Sudhauses an der Hackerbrücke die Pschorr-Höfe (u. a. auch der Bürokomplex des Europäischen Patentamtes) errichtet.

Noch eine Trivia zum Abschluss: Kennen Sie die Verbindung zwischen der Familie Pschorr und Stanley Kubricks Kultfilm „2001: Odyssee im Weltraum“? Joseph Pschorrs Enkeltochter Josephine heiratete den Musiker Franz Strauss und wurde 1864 Mutter eines Sohnes, den sie Richard tauften. Richard Strauss wurde später ein berühmter Komponist. Sein Patenonkel Georg Pschorr unterstützte den talentierten Sprössling auch finanziell während seines weiteren Lebens. Zum Dank widmete Richard Strauss seinen „Rosenkavalier“ offiziell den „lieben Verwandten, der Familie Pschorr in München“. Und sein Werk „Also sprach Zarathustra“ ging – nicht nur als Filmmusik – in die Geschichte des Kinos ein.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Neuer Nekrolog der Deutschen, Erster Teil, Weimar, 1843.
  2. Borkenhagen, E.: Bedeutende Brauer, VLB, Berlin, 1959.
  3. Mikuláš Teich: Bier, Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland 1800 – 1914, Böhlau Verlag, Köln, 2000.
  4. Schäder, Chr.: Münchner Brauindustrie 1871 – 1945, Tectum Verlag, Marburg, 1999.
  5. Assél, A.; Huber, Chr.: München und das Bier, Volk Verlag, München, 2009.

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