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15.05.2023

Giganten der Biergeschichte: Louis Pasteur

Vater der Haltbarmachung | Diese Reihe beschäftigt sich normalerweise mit Menschen, die direkt mit dem Brauen in Verbindung standen – diese neue Folge geht in den Bereich der Wissenschaft. Fast jeder von uns kennt den Namen Louis Pasteur in irgendeinem Zusammenhang. Doch hat dieser bedeutende Biologe, Chemiker und Physiker auch für die Bierbranche viel geleistet, und sein Leben und Wirken war so reich und vielseitig, dass es fast nicht möglich ist, all dies im Umfang eines Artikels zu würdigen.

Louis Pasteur wurde am 27. Dezember 1822 im ostfranzösischen Dole im Département Jura, nahe der Grenze zur Schweiz, als drittes von fünf Kindern des Gerbers Jean-Joseph Pasteur und seiner Frau Jeanne Etiennette Roqui geboren. Die Region Jura war als Teil der Region Bourgogne-Franche-Comté traditionell stark mit Weinbau und Rinderzucht verbunden. Insofern war Pasteurs späteres Wirken im Lebensmittelbereich ihm schon in die Wiege gelegt. Nach drei Jahren zog die Familie um ins nahe gelegene Arbois, wo Pasteur aufwuchs.

Interessant an seiner schulischen Laufbahn ist, dass Pasteurs offensichtliche Talente anfangs mehr ins Künstlerische gingen – er malte viele Porträts und Landschaften, während seine Bewertungen in Chemie lediglich mittelmäßig waren. 1842 erreichte er am Collège Royal in Besançon das Baccalauréat (vergleichbar mit dem deutschen Abitur).

Danach schien sich seine Vorliebe für die Wissenschaft durchgesetzt zu haben, denn er studierte die nächsten fünf Jahre an der Pariser Universität École normale Supérieure. 1847 promovierte er zum Doktor der Naturwissenschaften mit zwei Dissertationen, die je ein chemisches und ein physikalisches Sujet zum Thema hatten.

Bereits als Student beschäftigte er sich experimentell mit der Kristallstruktur und Aktivität von Weinsäure. 1849 verbrachte er als Assistent an der Universität Straßburg, wo er Marie Anne Laurent, die Tochter des Rektors der Universität, kennenlernte und noch im selben Jahr heiratete. 1854 erfolgte eine Berufung an den neu gegründeten Lehrstuhl für Wissenschaften in Lille, im Nordosten des Landes. Seine akademische Karriere war voll in Gang gekommen und Pasteur beschäftigte sich mit Rübenzucker und Alkoholproduktion. Dabei kam er zum ersten Mal mit dem Phänomen der Gärung in Berührung.

Pasteur-Monument vor der Fassade des Pasteur-Instituts in Lille (Foto: Lamiot, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LouisPasteurMonumentLille.jpg)

Mit 34 Jahren kehrte er nach Paris zurück und wurde Kanzler der École Normale, also Leiter der universitären Verwaltung. Er förderte die Studierenden nach Kräften und ermutigte sie zu mehr Promotionen. Dem Ruf der Akademie war dies förderlich, obwohl Pasteur selbst als sehr autoritär und extrem humorlos galt. In den folgenden Jahren reiste er viel zwischen Paris, Südfrankreich und seiner Heimat Jura.

Alte Kardinalfrage: Wie entsteht Leben?

Eine der ältesten und wichtigsten Fragen der Wissenschaft war die nach der Herkunft des Lebens. Seit Aristoteles hielten die meisten Menschen die Theorie einer spontanen Entstehung des Lebens (lateinisch ‚Generatio spontanea‘ oder ‚Generatio aequivoca‘) für plausibel. Unterschiede in der Auslegung betrafen lediglich Argumente, ob dies mit oder ohne göttlichen Willen geschähe. Aber nach allgemeiner Ansicht war die Entstehung von Leben aus unbelebter Materie möglich.

Pasteur beschloss, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Denn nicht nur der Mechanismus der Gärung könnte damit entschlüsselt werden, sondern auch das Verderben von Getränken und Lebensmitteln. In den Jahren zuvor hatte die Wissenschaft bereits einige Rätsel rund um die Gärung lösen können. Dass ein Hefepilz dafür zuständig war, wurde mittlerweile als gegeben angenommen. Aber woher kam dieser wundersame Organismus?

Hier begann ein langjähriger Disput mit einer anderen Leuchte der Wissenschaft, dem Deutschen Justus von Liebig. Ein öffentlich ausgetragener Disput, den Pasteur damals gewinnen konnte. Von Liebig – wie die Mehrheit der damaligen Wissenschaftler – war ein Verfechter der so genannten abiotischen Gärungstheorie. Er hielt eine ‚instabile organische Substanz‘ (gemeint waren Stickstoffverbindungen) für notwendig, um eine Gärung zu starten. Pasteur bewies experimentell das Gegenteil.

Für Pasteur war damit der Nachweis erbracht, dass es zur Gärung einen lebenden Organismus brauchte, nicht nur ‚Fermente‘, die von der Hefe oder anderen Organismen ausgeschieden würden. Den Begriff Enzyme kannte man seinerzeit noch nicht, in der Gärung wurden sie als ‚Zymase‘ erst durch Prof. Eduard Buchner (siehe Teil 2 dieser Reihe in BRAUWELT Nr. 14, 2021, S. 352–354) nachgewiesen. Die Frage, ob Leben mit Spontanzeugung aus unbelebter Materie möglich ist, musste jedoch auch Pasteur unbeantwortet lassen.

Pasteur beschäftigte sich mehr und mehr mit Bier und seiner Herstellung. Ein Produkt, bei dem er Frankreich gegenüber dem Nachbarn Deutschland im Nachteil sah. Er wollte seinen Beitrag leisten, diesen Rückstand aufzuholen.

1861 entdeckte er erstmals eine Stoffwechselregulation bei der Gärung von Bierwürze. Er stellte fest, dass die Hefe bei Sauerstoffmangel mehr Zucker verbrauchte. Diese Umschaltung von aerob auf anaerob (heute ‚Glykolyse‘ genannt) ist umkehrbar, bei Zugabe von Sauerstoff schaltet die Hefe um auf oxidativen Kohlenhydratabbau (oxidative Phosphorylierung). Dieses Phänomen ist bekannt als ‚Pasteur-Effekt‘.

Krieg mit Folgen

Der deutsch-französische Krieg 1870/71 zwang Pasteur zu einem Aufenthalt in seiner Heimat Jura. Einerseits nutzte er diese Zeit, indem er das Bierbrauen lernte, anderseits verstärkte dieser Krieg Pasteurs schon vorhandenen Patriotismus ins Fanatische, der sich in einen regelrechten Hass auf alles Deutsche oder Preußische auswuchs.

Noch in späteren Jahren, als er als Koryphäe der Wissenschaft und Forschung auch vom Nachbarn anerkannt war, schlug er Ehrungen aus (wie den preußischen Orden ‚Pour le Mérite‘) oder gab sie schon vorher zurück (wie den Ehrendoktor der Universität Bonn 1870). Nachdem er 1871 zurück in Paris war, ließ er sich von allen Lehrverpflichtungen entbinden und verhandelte erfolgreich eine Leibrente von 12 000 Franc. Von da an widmete er sich nur noch der Forschung.

Louis Pasteur an der École Normale Supérieure im Jahr 1845 (Zeichnung: Charles Lebayle, Public domain, via Wikimedia Commons, https://commons. wikimedia.org/wiki/File:Pasteur-lebayle-1845.jpg)

Eine weitere Entdeckung Pasteurs war der nach ihm benannte Kolben. Damit wies er nach, dass Bierwürze, die im Pasteurkolben gekocht wird, danach steril bleibt. Und zwar nicht nur, wenn sie luftdicht verschlossen ist, sondern auch nach Zugabe sterilen Sauerstoffs. In der Folge zeigte er auf, wie wichtig Sauerstoff für den Start der Gärung ist. Das damals übliche Kühlschiff hielt Pasteur für entbehrlich, wichtiger war ihm eine definierte Dosierung keimfreier Luft.

Viele Versuche mit diesem Kolben gingen in die Wissenschaftsgeschichte ein. Er wies nach, dass die Umgebungsluft Keime enthält, die je nach Konzentration Gärung oder Fäulnis verursachen. Auch definierte er Fäulnis als eine Form der Gärung.

Durch Versuche an verschiedenen Orten, bis hoch ins Gebirge, wies Pasteur nach, wie unterschiedlich die Luftqualität und Keimkonzentrationen sein können.

Erkenntnisse über Mikroorganismen

Er hatte mittlerweile nachgewiesen, dass andere unerwünschte Säuren wie Milchsäure oder Essigsäure auch von Mikroorganismen produziert werden. Daher stellte er nun die Themen Hygiene und Haltbarkeit bei der Bierproduktion in den Mittelpunkt seiner Forschungen.

Er baute bei der Bekämpfung dieser „Krankheiten“ des Bieres, wie er es nannte, auf Erkenntnissen anderer Forscher auf, z. B. seiner Landsleute Nikolas Appert oder Jean-Antoine Gervais, die bereits Jahrzehnte zuvor die Haltbarmachung von Lebensmitteln mittels Hitze propagiert hatten. Pasteur verfeinerte den Prozess, entwickelte ein Verfahren für flüssige Lebensmittel und mit Temperaturen unter 100 °C (im Gegensatz zur Sterilisation) und war mit der „Pasteurisierung“ von Wein zuerst erfolgreich. 1867 erhielt Pasteur dafür auf der Weltausstellung zu Paris den Großen Preis.

Seine jahrelangen Arbeiten und Erkenntnisse über Mikroorganismen bei der Bierherstellung, die auch von den Weinproduzenten gerne übernommen wurden, waren eine große Leistung, die Max Delbrück in seinem Illustriertem Brauerei-Lexikon von 1925 würdigte: „Vor allem hat er uns gelehrt, mit der Hefe als Substanz chemisch-physiologisch zu arbeiten.“ Der deutsche Professor Max Rees aus Erlangen benannte 1870 eine neue Bierhefe zu Ehren des großen französischen Kollegen Saccharomyces pastorianus. Diese Ehrung nahm Pasteur ausnahmsweise an.

Am 13. März 1873 beantragte Louis Pasteur ein französisches Patent über ein besonderes Brauverfahren (Nr. 98476). 1878 veröffentlichte er ein Buch über die Bierproduktion, nachdem er vorher bereits Studien über Wein (1866 und 1873) und Essig (1868) publiziert hatte.

Medizinische Forschung

Pasteurs Ruf war mittlerweile weltweit unantastbar, eine Koryphäe nicht nur eines einzelnen Wissenschaftszweiges, sondern quasi ein Allroundgenie. Was lag da näher, als die Erkenntnisse aus Bier und Wein, was die Keime und ihre diversen Theorien anging, auf die medizinische Forschung zu übertragen?

Auch hier war mittlerweile einiges an Vorarbeit geleistet worden. Dass Krankheiten nicht mehr über Ausdünstungen (‚Miasmen‘) aus der Luft übertragen wurden (siehe Artikel „Das Bier und die Cholera“ in BRAUWELT Nr. 8, 2023, S. 212–214), dass genau wie bei der Gärung winzige Lebewesen die Antreiber waren, war mittlerweile unbestritten.

In dieser Zeit entstand dann die legendäre Rivalität zu Robert Koch, obwohl beide sich bisweilen auch gut ergänzten. Bei der Entdeckung des Milzbrands als Infektionskrankheit haben beispielsweise beide Forscher Erkenntnisse des anderen genutzt und sind so zu gleichen Teilen für diese Pioniertat in die Geschichte eingegangen.

Porträtfoto von Louis Pasteur (Foto: Paul Nadar, Public domain, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Louis_Pasteur,_foto_av_Paul_Nadar,_Crisco_edit.jpg)

Pasteur ließ weitere Großtaten folgen: 1880 entwickelte er den ersten Impfstoff gegen Geflügelcholera. Bis dahin hatte es überhaupt nur eine einzige Impfung gegeben: die gegen Pocken des britischen Arztes Edward Jenner. Nur ein Jahr später impfte Pasteur erstmals Tiere gegen Milzbrand. Und 1885 impfte er einen Menschen mit seinem neuartigen Impfstoff gegen die Tollwut, die erste gezielte Humanimpfung (außer den Pocken).

Nach heutigen Maßstäben waren diese Menschenversuche höchst riskant, Pasteur war sich dessen bewusst und arbeitete anfangs auch im Geheimen. Als seine Impfversuche ans Licht kamen, wurden sie sofort untersagt. Da hatte er jedoch den Nachweis der Wirksamkeit bereits erbracht und die Welt feierte ihn, während Pasteur in Paris von echten oder eingebildeten Tollwut-Patienten überrannt wurde.

Ein Resultat dieser Erfolge war eine Flut an Spenden, so dass Louis Pasteur im November 1888, zu seinem 65. Geburtstag, sein eigenes Pasteur-Institut einweihen konnte, das weltweit erste Institut für medizinische Mikrobiologie. Auch hier war er Pionier, überall auf der Welt eröffneten in den Jahren danach Stätten mit ähnlichen Ambitionen. Bis heute ist das Pasteur-Institut eines der weltweit führenden biologischen und medizinischen Grundlagenforschungszentren, mit Ablegern weltweit.

Hochgeehrt und früh berühmt

Louis Pasteur wurde als Mensch von vielen seiner Zeitgenossen durchaus kritisch gesehen. Er war wenig kritikfähig, neigte zur Polemik und nahm durchaus Erkenntnisse von anderen in seine Forschungen auf, ohne dass diese irgendeine Würdigung erfuhren. Da allerdings die Wissenschaftskreise damals generell so arbeiteten, viel mehr lärmende Polemik und Nationalismus vorherrschten als heute, darf man seine Leistungen ohne weiteres über die Person stellen.

Louis Pasteur zählt ohne Zweifel zu den bedeutendsten Franzosen aller Zeiten. Er darf in einem Atemzug mit Louis XIV. oder Napoleon Bonaparte genannt werden. Einwände, viele seiner Erfolge seien vom Glück begünstigt worden, konterte er mit dem souveränen Zitat: „Das Glück bevorzugt den, der vorbereitet ist.“

Bereits zu Lebzeiten war er eine Legende. 1881 erhielt er das Großkreuz der Ehrenlegion. 1882 verdoppelte der Staat seine Leibrente auf 25 000 Franc und machte sie erblich für seine Frau Marie Anne sowie die beiden verbliebenen Kinder Lucien Jean-Baptiste und Marie Louise. Drei weitere Kinder, Marie Jeanne Amélie Louise, Marie Marguerite Cécile und Marie Camille, hatten die Kindheit nicht überlebt. Besonders der Typhustod seiner ersten Tochter Marie Jeanne mit neun Jahren hatte Pasteur hart getroffen und seinen Hang zur medizinischen Forschung verstärkt.

Mit der Erhöhung seiner Leibrente erhielt er nun das Doppelte eines Universitätsprofessors. Ebenfalls 1882 erfolgte die Ernennung zum ‚Unsterblichen‘ in die Académie française. Zweimal, 1856 und 1892, wurde er mit der Rumford-Medaille geehrt, 1874 mit der Copley-Medaille und 1885 mit der Leeuwenhoek-Medaille. Weitere Ehrungen wie Nennungen von Plätzen, Straßen, Asteroiden und Mondkratern, wurden ihm zu Lebzeiten oder posthum zuteil.

Ab 1888 lebte Pasteur in einer Wohnung über dem neuen Institut. Nach mehreren Schlaganfällen konnte er nicht mehr arbeiten und war, weitgehend gelähmt, ab 1890 an den Rollstuhl gefesselt. Louis Pasteur verstarb am 28. September 1895 in Paris und wurde in einem Grab unter dem Pasteur-Institut beigesetzt. Seine Frau überlebte ihn um 15 Jahre und wurde 1910 bei ihrem Mann bestattet.

Nur wenige Menschen sind mit ihrem Namen im Alltag bis heute so präsent geblieben. Louis Pasteurs Erkenntnisse zur Gärung und Haltbarmachung von Getränken stehen dabei gleichberechtigt neben Pasteurs Impfstoffen und pharmakologischen Verdiensten, auch wenn Letztere mehr Menschenleben retteten.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Dr. Max Delbrück: Illustriertes Brauerei-Lexikon, Parey, Berlin, 1925.
  2. https://www.biologie-schule.de/louis-pasteur.php (abgerufen am 26.2.2023).
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Pasteur#Leben (abgerufen am 26.2.2023).

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