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13.03.2023

Giganten der Biergeschichte: Fanny Leicht

Starke Schwäbin | Diese Folge der „Biergiganten“ ist wieder einer Frau gewidmet. Dass es erst die zweite in bereits 20 Folgen ist, liegt daran, dass die Leistungen der Frauen in der Historie des Brauwesens oft völlig verschwiegen wurden. So auch hier: Fanny Leicht. Zusammen mit ihrem Gatten Robert und dem Sohn Robert Junior erschuf sie mit der Brauerei Rob. Leicht, dem späteren Schwaben Bräu, eine der erfolgreichsten, modernsten und größten Brauereien des Landes. Und doch ist Fanny Leichts Name nur wenigen Menschen heutzutage ein Begriff.

Sicher kennt nicht jeder Schüler des Fanny-Leicht-Gymnasiums in Stuttgart-Vaihingen die Biografie der Schulnamensgeberin. Aber doch werden die allermeisten einen Bezug zum Bier herstellen können. Leichts erster Bezug liegt etwa 150 Jahre zurück. Damals war Vaihingen, das 1942 zu Stuttgart eingemeindet wurde, ein armes Bauerndorf. Häuser gab es im Grunde nur an der Hauptstraße und rund um die alte evangelische Stadtkirche – ansonsten reichlich Felder und Wiesen.

Die Brauereigeschichte Vaihingens beginnt allerdings nicht mit dem Namen Leicht, sondern Widmaier. Ein Ferdinand Adolf Widmaier aus dem Nachbarort Möhringen gründete 1876 die erste Brauerei am Ort. Johann Carl Widmaier hatte bereits im Jahr 1845 das Bürgerrecht in Möhringen erhalten, dank des großen Heiratsguts seines Vaters, eines Brauereibesitzers in Magstadt. Der neue Bürger eröffnete kurz darauf eine Brauerei. Ein Jahr später heiratete er die Müllerstochter Anna Barbara Münsinger aus Ostelsheim, die am 27. April 1854 in Möhringen ihre gemeinsame Tochter Fanny Amalia Widmaier zur Welt brachte.

Fanny Leicht (1854 – 1939) (Foto: Fanny-Leicht-Gymnasium, https://www.fanny-leicht.de/j34/images/Dokumente/Gemeinschaft/Geschichte/fanny.jpg)

Widmaiers Brauerei wuchs, und so suchte er einen tüchtigen Braumeister. Er fand ihn 1871 in der Person des Robert Leicht. Der junge Mann aus Schwäbisch-Hall war Sohn eines Posthalters und wollte eigentlich Landwirt werden. Zum Glück änderte er seine Meinung, lernte das Brauerhandwerk und war mit 22 Jahren bereits ein versierter Braumeister, der sowohl das Polytechnikum in Stuttgart wie auch Lehrjahre bei Dreher in Wien-Schwechat (siehe Teil 8 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 50, 2021, S. 1298–1301) absolviert hatte. Robert Leicht sorgte für den weiteren rasanten Aufstieg der Widmaier Filder-Brauerei. Bereits zwei Jahre später heiratete er Widmaiers 19-jährige Tochter, die dann Fanny Leicht hieß.

Im Jahr 1878 bekam Vaihingen eine zweite Brauerei, gegründet von Robert und Fanny Leicht, benannt nach Robert Leicht. Ohne die finanzielle Unterstützung des (Schwieger)-Vaters wäre der Kauf des Gasthofs „Zum Ochsen“ nicht möglich gewesen, trotz des schlechten Rufs des Gasthofs und des daher wohl günstigen Preises. Carl Widmaier wollte offenbar seiner Tochter ein unabhängiges Leben ermöglichen und sorgte daher für eine Starthilfe für die Jungfamilie Leicht.

Erst Starthilfe, dann großes Wachstum

Die neu eingerichtete Brauerei hatte es am Anfang schwer und konnte nur überleben, weil ein Großteil der Produktion von lediglich 150 hl im ersten Jahr an Kunden von Fannys Vater verkauft werden konnte. Um Personalkosten zu sparen, arbeitete Fanny als Buchhalterin und Kassiererin, Expedientin und Repräsentantin, dazu Hausfrau und Mutter.

Der wirtschaftliche Boom der Gründerzeit war ein Glücksfall für Fanny und Robert. Weitere Industrieansiedlungen in und um Stuttgart erfolgten rasch, die Menschen folgten den Arbeitsplätzen, und so fanden die Brauereien einerseits immer wieder neues Personal, aber auch wachsende Kundschaft. Im Jahr der Brauereigründung erhielt Vaihingen Gleisanschluss, damals ein wichtiges Signal für Wirtschaftswachstum. Weitere Fabriken zogen die Menschen aus den Dörfern in die Stadt. Die Brauereien profitierten davon in überdurchschnittlichem Maß.

Robert Leicht Sen. (1849 – 1921) (Foto: Public domain, via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Leicht-robert-Brauereibesitzer-1849-hie-gut- wuerttemberg-allewege-stuttgart-1916-s144-145.jpg)

Fanny und Robert ergänzten sich prächtig. Beide kaufmännisch wie technisch interessiert, waren sie sich gegenseitig Ratgeber und Rückhalt. Sie hatten Verständnis füreinander, ob es um technische Neuerungen, Anregungen für den Verkauf oder um Privates ging. Zeitzeugen beschrieben sie als „Vater und Mutter“ des Betriebs, die all ihre Mitarbeiter kannten und wertschätzten. Am 10. Juni 1885 kam Sohn Robert Junior zur Welt.

Die Brauerei Robert Leicht wuchs und wuchs. Vier Jahre nach Gründung betrug der Ausstoß bereits 8000 hl, 1891 waren es schon 100 000 hl und 1897 sogar 250 000 hl. Robert Leicht war tatkräftig, unternehmungslustig und innovativ. Fanny war eine starke Frau an der Seite eines starken Mannes. Beide ließen sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen, wie dem Brand eines neu errichteten Mälzereigebäudes.

Bei vielen technischen Neuerungen leistete die Brauerei Leicht Pionierarbeit. Ob Dampfmaschine, Kühlung, Feuerung, pneumatische Mälzerei, Dynamo oder Flaschenabfüllung: Fast immer standen die ersten Anlagen Württembergs in Vaihingen. 1897 lieferte die Brauerei ihr Bier mit einem LKW von Gottlieb Daimler aus, als erste Brauerei Deutschlands.

Gebäude der Brauerei von Johann Carl Widmaier in Möhringen, rechts die Mälzerei (Foto: Heimatmuseum Möhringen, https://www.möhringen.de/news-moehringen/fildergold-aus-moehringen.html)

Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs betrug der Bierausstoß schon 308 000 hl und prominente Besucher besichtigten die moderne Brauerei. Carl Jacobsen aus Kopenhagen, Sohn des Carlsberg-Gründers Jacob Christian Jacobsen (siehe Teil 7 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 45-46, 2021, S. 1174–1177), bescheinigte den Leichts den „am schönsten, besten und praktischsten eingerichteten Brauereibetrieb des Kontinents“.

Zäsur durch den Krieg

Der Erste Weltkrieg war eine Katastrophe für den Betrieb. Viele Mitarbeiter gingen verloren. Drei Jahre nach Kriegsende starb Robert Leicht mit 71 Jahren. Nun übernahm Fanny, unterstützt von Sohn Robert Jun., die Führung der Brauerei. Robert war zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt und gut vorbereitet für die Nachfolge des Vaters. Bald ging es wieder aufwärts. Das Mutter-Sohn-Gespann arbeitete fast noch erfolgreicher als das Ehepaar Leicht. Im Jahr 1923 war der Schwabenbräu Rob. Leicht die größte Privatbrauerei Deutschlands. 1930 kam neben der Brauerei eine Fruchtsaftproduktion hinzu.

Fanny Leicht überlebte ihren Gatten um 18 Jahre. Sie stand die ganze Zeit aktiv an der Spitze der Brauerei. Sie überstanden Inflation und Wirtschaftskrise. Fanny Leicht konnte im hohen Alter von fast 85 Jahren auf ein beeindruckendes Lebenswerk zurückblicken.

Gemälde Fanny Leicht (Foto: Gemälde von Karl Bauer, aus [1])

An dieser Stelle bietet sich ein ungekürztes Zitat aus Erich Borkenhagens Buch „Bedeutende Brauer“ von 1959 an, der Fanny Leicht ein eigenes Kapitel gewidmet hat: „In Fanny Leicht stellt uns die Geschichte des deutschen Brauwesens das Bild einer Frau vor Augen, die beispielhaft für viele andere ist. Viel zu wenig weiß die Öffentlichkeit von Frauen ihrer Art. Diese Frauen haben niemals die Frage der Gleichberechtigung aufgeworfen. Sie waren gleichberechtigt und haben in zäher Arbeit nicht nur ihren Teil zu dem gemeinsamen Werk beigetragen, sondern sind auch oft genug in Führungsaufgaben hineingewachsen. Sie haben den Mann entlastet, so dass er den Kopf von den Tagessorgen frei hatte. Das Leben dieser Frauen bestand aus Selbstzucht und Verantwortungsgefühl.“

Robert Leicht Junior starb im Jahr 1963.

Das weitere Schicksal der Leicht-Brauerei ist leider vergleichbar mit dem anderer Brauerei-Pioniere. 1951 wurde die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, 1996 fusionierte die Brauerei mit der Stuttgarter Brauerei Dinkelacker zur Dinkelacker-Schwaben Bräu AG, ein Jahr später wurde die Bierproduktion in Vaihingen eingestellt. Die Braustätte in Vaihingen wurde 2002 abgerissen. Im Jahr 2003 übernahm InBev die Spaten-Franziskaner-Bräu GmbH, welche damals die Mehrheit der damaligen Dinkelacker-Schwaben Bräu AG hielt. Der Schwaben Bräu wurde jedoch Ende 2006 aus dem InBev-Konzern entlassen und ist seit dem 2. Januar 2007 zusammen mit Dinkelacker unter dem Namen Dinkelacker-Schwaben Bräu GmbH & Co. KG wieder eigenständig.

Ehrungen vor und nach ihrem Tod

Wie viele zu Wohlstand gekommene Brauereibesitzer war auch das Ehepaar Leicht philanthropisch veranlagt. 1906 erhielt Robert Leicht die Ehrenbürgerwürde Vaihingens, Fanny folgte 1928. Als Fanny Leicht 1939 starb, hatte die Brauerei etwa 600 Mitarbeiter.

Nach ihrem Tod wurde ein im Erbvertrag für die Gemeinde Vaihingens vorgesehenes, größeres Barvermächtnis von ihrem Sohn Robert in eine Immobilienschenkung umgewandelt. Statt Bargeld erhielt Vaihingen nun als Geschenk Fanny Leichts wunderschöne Jugendstilvilla, inmitten einer park­ähnlichen Anlage gelegen. Die Villa wurde zu einer Mädchenoberschule umgebaut, da der Bedarf an Schulen mit der Zahl der Mädchen, die eine höhere Schulbildung wollten, nicht annähernd Schritt halten konnte. Die Idee fand großen Anklang, die Bürger Vaihingens spendeten reichlich, und so konnte die Schule bereits zu Beginn mit einem Grammophon, einem Flügel sowie Radio- und Lautsprecheranlagen in den fünf Klassenzimmern ausgestattet werden. Im Januar 1940 schlug der damalige Bürgermeister Vaihingens vor, die Mädchenschule „Fanny-Leicht-Oberschule für Mädchen“ zu nennen. Damit wolle man auch eine Frau ehren, „die während ihres Lebens sowohl als Mitarbeiterin und Kameradin ihres Mannes beim Aufbau des hiesigen Werkes als auch als Betriebsinhaberin nach dem Tode ihres Mannes in jeder Hinsicht eine vorbildliche Haltung gezeigt hat.“ Am 24. Juli 1940 wurde die Fanny-Leicht-Oberschule für Mädchen feierlich eingeweiht. Seit den 1960er-Jahren sind auch Jungen zugelassen.

Heute besuchen etwa 800 Schüler und Schülerinnen das Gymnasium. Neben dem Fanny-Leicht-Gymnasium wurden in der Nähe der Schule noch eine Straße und ein Park nach ihr benannt. Die Website der Schwaben Bräu hingegen erwähnt Fanny Leicht nicht.

Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.

Quellen

  1. Borkenhagen, E.: Bedeutende Brauer, VLB, Berlin, 1959
  2. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite
  3. https://www.schwabenbraeu.de/geschichte.html (abgerufen am 31.1.2023)
  4. https://beckassets.blob.core.windows.net/product/readingsample/21291013/9783743920002_excerpt_001.pdf (abgerufen am 31.1.2023)
  5. https://www.fanny-leicht.de/j34/index.php (abgerufen am 31.1.2023)
  6. https://www.deutsche-biographie.de/sfz49954.html (abgerufen am 31.1.2023)
  7. http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen3/firmadet36816.shtml (abgerufen am 31.1.2023)

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