Giganten der Biergeschichte: Amund und Ellef Ringnes, Axel Heiberg
Ewiger Ruhm | Wer hat eigentlich die Namen festgelegt für all die Inseln, Berge und Gletscher, die es auf der Welt gibt? Und wer sind die Leute, die auf diese Weise geehrt wurden? – Diese Folge der „Giganten der Biergeschichte“ erläutert dies exemplarisch an drei Männern, die nicht nur eine erfolgreiche Brauerei gründeten, sondern auch dafür sorgten, dass ihre Namen in der polaren Region verewigt wurden: Amund und Ellef Ringnes sowie Axel Heiberg.
Das 19. Jahrhundert hatte einige Persönlichkeiten zu bieten, die aus kleinen Anfängen riesige Brauereien erschufen. Und viele dieser Unternehmer wurden später zu bedeutenden Mäzenen und Philanthropen, ob sie nun Sedlmayr, Jacobsen oder Bass hießen.
Die drei Männer, die in dieser Folge porträtiert werden, interessierten sich weniger für Museen, Kunst oder öffentliche Selbstdarstellung. Sie wollten dabei sein, wenn die letzten unbekannten Flecken der Erde erkundet wurden.
Am 7. Oktober 1840 kam auf einem Bauernhof in Krødsherad, einem etwa 100 km nordwestlich von Oslo gelegenen Dorf, Amund Ringnes als Sohn des Landwirts Anders Knudsen Ringnes und dessen Frau Maren Amundsdatter zur Welt. Zwei Jahre später, am 25. Oktober 1842, folgte ihm sein Bruder Ellef. Der Ringnes-Hof wurde bereits seit dem 14. Jahrhundert und seit 16 Generationen von der Familie Ringnes bewirtschaftet. Als Amund 14 Jahre alt war, musste der Vater den Hof verkaufen und die Familie zog zu Verwandten nach Drammen, wo Amund und Ellef die Grundschule abschlossen. Danach zog es sie in die große Stadt, die damals noch Christiania hieß – seit 1925 heißt sie Oslo.
Amund interessierte sich für Mechanik und Innovationen, die im Zuge der industriellen Revolution aufkamen. Er bekam 1860 eine Lehrstelle bei Akers Mekaniske Verksted, einer Firma im Schiffbau.
Ellef wurde Handelsvertreter für die Christiania-Brauerei. Damit waren die Rollen für die Zukunft bereits verteilt: Amund war der Techniker, Ellef der Kaufmann. Keine ungünstige Konstellation für ein zukünftiges, gemeinsames Unternehmen.
Nach fünf Jahren beim Schiffbau brachte Ellef seinen älteren Bruder 1865 in der Christiania-Brauerei unter. Dort lernte dieser das Brauerhandwerk. Amund war qualitätsbewusst, neugierig, innovativ, großzügig und liebte die Jagd und den Fischfang. Ellef wurde als eher bescheiden und zurückhaltend beschrieben, aber auch als aggressiver und engagierter Fachmann mit gutem Geschäftssinn – auch gegenüber Kunden und dem Exportgeschäft. 1876 fühlten sich die beiden Brüder selbstbewusst genug, um eine eigene Brauerei zu gründen – Ringnes & Co.
Gelungene Aufgabenverteilung
Der Zusatz „& Co.“ stand für den Finanzier, denn genug Geld für einen Neubau hatten die Ringnes-Brüder mit Mitte Dreißig nicht. Als Dritter im Bunde gesellte sich daher Axel Heiberg dazu, den die beiden Brüder wohl in der dann auch zutreffenden Annahme kontaktiert hatten, dass er Interesse an ihrem Brauereiprojekt haben könnte. Heiberg war ein junger Mann aus besten Kreisen der norwegischen Gesellschaft. Er war acht Jahre jünger als Amund, aber bereits Unternehmer, Diplomat und Lebemann. Er war bestens vernetzt und schon Teilhaber mehrerer Firmen. Mit nicht einmal dreißig Jahren hatte er Erfahrungen im Baumwollhandel in Savannah/Georgia erworben, hatte in Hongkong gearbeitet und war von 1870 bis 1872 norwegisch-schwedischer Vizekonsul und Konsulatssekretär in Shanghai. Heiberg war seit 1873 mit Ragnhild Meyer verheiratet, der Tochter eines der wohlhabendsten Kaufleute des Landes. Nun, zurück in Norwegen, suchte er gute Gelegenheiten, sein Geld weiterhin gewinnbringend anzulegen. Eine neue Brauerei schien eine sehr vernünftige Idee zu sein.
Auf die Gründung der Ringnes & Co. 1876 erfolgte ein Jahr darauf der Produktionsbeginn. Der Brauereibetrieb, als eine von fünf Brauereien am Ort, begann in der Thorvald Meyersgate 2. Als der Ausstoß schnell stieg, übernahm das Unternehmen nach und nach das gesamte Viertel, das von Thorvald Meyers Gate, Sannergata, Toftes Gate und Biermanns Gate begrenzt wurde, sowie zwei weitere Grundstücke auf der anderen Seite des Toftes Gate. Man setzte von Beginn an auf Bierexporte. Die norwegischen Brauer hatten sehr schnell erkannt, dass die untergärige Brauweise für den Export Vorteile bot gegenüber der obergärigen, und ihre Brauereien entsprechend eingerichtet. Wobei längere Zeit auch noch obergäriges Pale Ale zum Sortiment gehörte.
Amund baute für sich und seine Familie eine Villa in Biermannsgate, gleich neben der Brauerei. Er lebte dort mit seiner Frau Laura Jensen, mit der er seit 1870 verheiratet war. Die beiden hatten sechs Kinder. Ellef Ringnes war seit dem 30. Juni 1869 mit der Tochter des wohlhabenden Kaufmanns und Parlamentariers Knud Geelmuyden Fleischer Maartmann verheiratet. Das Paar hatte sogar 14 Kinder. 1896 kauften die Brüder den Familienhof in Krødsherad zurück. Amund überließ den Hof seinem jüngeren Bruder, weil der die größere Familie hatte. Oft empfingen sie auf dem Hof gemeinsam prominente Gäste. Amund hatte die Angewohnheit, entlang der Strecke Bockbierdepots in Flusspfützen auszulegen, damit die Gäste unterwegs etwas zur Stärkung hatten.
Export als Schlüssel zum Erfolg
Bereits im Startjahr 1877 wurden von der Brauerei Ringnes erste Lieferungen ins Ausland getätigt, wobei sich Japan und Südamerika als wichtigste Märkte entpuppten. Ein Agent in Hamburg sorgte früh dafür, dass die Biere aus Norwegen schnell ihre Kunden fanden. Es war ein Glücksfall für Ringnes, dass die Gründung der Brauerei genau ins „Goldene Zeitalter“ des norwegischen Bierexports fiel. Exzellente Bierqualität und Steuererleichterungen für Exportbier machten die Brauer Christianias sehr wettbewerbsfähig.
1886 war ein Meilenstein für die Brauerei: Als erste Brauerei Norwegens führte Ringnes ein Bier ein, dass mit Hansens Reinzuchthefe nach dem Carlsberg-Verfahren (siehe Teil 7, BRAUWELT Nr. 45/46, 2021, S. 1174–1177) vergoren wurde. Ringnes Pilsner wurde schnell eines der beliebtesten Biere des Landes, und ist es bis heute.
Die Exportpolitik führte dann auch zum ersten Zerwürfnis der drei Teilhaber. Übliche Vorgehensweise norwegischer Brauer war die Lieferung auf Kommissionsbasis. Geld gab es erst, wenn das Bier wirklich verkauft war. Nach acht Jahren Exportgeschäft, also im Jahr 1885, ging der Finanzchef Axel Heiberg in Opposition zur gängigen Praxis. Er wollte sofort Geld sehen. Der Kaufmann Ellef hingegen verteidigte die Kommissionsverkäufe, weil er andernfalls keine Chance sah, neue Märkte zu erobern. Heiberg zog sich kurzzeitig aus der Geschäftsführung zurück. Man einigte sich dann offenbar auf einen Kompromiss, und die nächsten Jahre sollten zeigen, dass „echte“ Verkäufe tatsächlich erfolgreicher waren. Die Praxis der Kommissionsverkäufe wurde nach 1890 komplett aufgegeben. Mit dem Ende dieser Geschäftspraxis wurde auch das Ende der „Goldenen Ära“ der norwegischen Brauer eingeläutet, auch wenn die Gründe woanders liegen mögen.
Was man mit viel Geld machen kann
Die drei Männer hatten aber mittlerweile so viel Geld verdient, dass sie begannen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Nach dem Vorbild anderer reich gewordener Brauer wie Jacobsen in Kopenhagen, verschrieben sie sich dem Mäzenatentum – nach dem Wahlspruch „Reichtum verpflichtet“.
Heiberg war persönlich und freundschaftlich mit Fridtjof Nansen verbunden, einem jungen, aufstrebenden Forscher und Wissenschaftler. Nansen wurde schlagartig berühmt, als er als Erster Grönland auf Skiern durchquerte. Dann fasste Nansen den Plan, ein Schiff ins Packeis einschließen zu lassen und mit Hilfe der natürlichen Eisdrift so erstmals den Nordpol zu erreichen. Heiberg begeisterte seine Partner für dieses kühne Projekt. Gemeinsam gründete man eine Reederei, bei der Heiberg und Ellef Ringnes zwei der drei Reeder waren. Für die „Fram“, so hieß das Schiff, sammelten sie private Spenden – von Heiberg sind 17 000 Kronen überliefert und die Brauerei gab 6000 Kronen. Die Expedition dauerte von 1893 bis 1896. Der Nordpol wurde zwar nicht erreicht, aber einige Rekorde gebrochen. Die Fram und Nansen machten weltweite Schlagzeilen.
Die Fram brach bald wieder auf – erneut großzügig unterstützt, diesmal sogar exklusiv von Heiberg und den Ringnes-Brüdern, die u. a. die komplette Renovierung des Schiffes bezahlten. Unter Otto Neumann Knoph Sverdrup, bei der ersten Expedition schon Kapitän unter Nansen, ging es von 1898 bis 1902 in die kanadische Arktis. Die Expedition gilt bis heute als eine der erfolgreichsten Arktiserkundungen. Sverdrup und seine Männer kartierten ca. 150 000 km2 einer bis dahin unbekannten Region in der kanadischen Arktis. Weitere bahnbrechende Expeditionen, die von der Brauerei finanziert wurden, waren Roald Amundsens Bezwingung der Nordwestpassage (1903 – 1906) und auch dessen dramatischer Wettlauf gegen Scott zum Südpol (1910 – 1912).
Heiberg initiierte danach auch die Gründung der Fridtjof-Nansen-Stiftung zur Förderung der Wissenschaften. Heiberg und die Ringnes-Brüder spendeten Geld, wo immer es sinnvoll erschien. Heiberg erwarb sich zusätzliche Verdienste bei der Aufforstung des Landes Norwegen.
Orden, Ehrungen und ewiger Ruhm
Alle drei Ringnes-Männer wurden zum Ende des Jahrhunderts mehrfach ausgezeichnet. Der Mitgliedschaft in der Norwegischen Akademie der Wissenschaften folgte das Kommandeurkreuz von St. Olav. Heiberg erhielt überdies im Jahr 1923 Norwegens höchste zivile Auszeichnung, die Borgerdådsmedaille in Gold.
Eine dauerhafte Belohnung folgte unmittelbar: Sverdrup benannte drei Inseln in der kanadischen Arktis nach seinen Gönnern. Die Axel-Heiberg-Insel ist etwa so groß wie Dänemark. Die Ellef-Ringnes-Insel ist mit 11 295 km2 etwas größer als Jamaika. Die Amund-Ringnes-Insel ist etwa halb so groß. Axel Heiberg wurde dabei noch großzügiger bedacht als seine Partner: Von Nansen stammen die Heiberg-Inseln in der Karasee und Amundsen verewigte ihn im Axel-Heiberg-Gletscher in der Antarktis.
Amund Ringnes starb am 13. Januar 1907. Sein Bruder Ellef folgte ihm am 15. März 1929, Heiberg am 4. September 1932. Alle drei verstarben in Christiania bzw. Oslo.
Die Geschichte erfolgreicher Brauer endet wie so oft im Konzern
Bereits 1899 war die Brauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Bis Ende der 1970er-Jahre blieb die Brauerei als Aktiengesellschaft im Familienbesitz. 1978 kaufte Nora Industrier dann gleich drei alte Osloer Brauereien: Ringnes, Frydenlunds und Schous. 1988 wurde die gesamte Getränkeabteilung bei Nora unter dem Namen Ringnes AS zusammengeführt, auch nachdem Nora 1991 von Orkla ASA übernommen wurde.
1995 wurde Ringnes mit dem schwedischen Pripps zu Pripps Ringnes fusioniert und im Jahr 2000 von Carlsberg übernommen. 2004 verkaufte Orkla seine Beteiligung an Carlsberg, die somit alleiniger Eigentümer wurden.
2001 wurde die alte Brauerei in Oslo geschlossen und die Produktion in eine neue Anlage in Gjelleråsen verlegt. Der Hauptsitz befindet sich immer noch auf Grünerløkka, wo der größte Teil des alten Fabrikgeländes in einen Ringnes Park mit Wohnungen und Geschäften umgewandelt wurde. Vom ursprünglichen Werk der drei Gründer Amund und Ellef Ringnes sowie Axel Heiberg ist nicht mehr viel übrig geblieben, außer dem Markennamen „Ringnes“. Die drei Männer sind jedoch auf den Landkarten unserer Erde unsterblich geworden.
Quellen
- Borkenhagen, E.: Bedeutende Brauer, VLB Berlin, 1959.
- Aanstad, S.: A small, global adventure: Mapping Norwegian beer exports in the 19th century, European Business History Association, Bergen, 2008, https://ebha.org/ebha2008/papers/Aanstad_ebha_20008.pdf (abgerufen am 6.12.2022).
- https://ringnesbrygghus.no/historie/ (abgerufen am 6.12.2022).
- https://de.wikipedia.org/ (abgerufen am 6.12.2022).