Prof. Ludwig Narziß verstorben
Nachruf | Die Brauwirtschaft trauert um Prof. Ludwig Narziß, der am 29. November 2022 im Alter von 97 Jahren verstorben ist. Mit ihm ist ein leidenschaftlicher Brauwissenschaftler gegangen, den das Brauwesen sein ganzes Leben begleitet hat.
Prof. Narziß wurde am 30.9.1925 in München geboren und wuchs in Nürnberg auf. Als junger Erwachsener erlebte er den 2. Weltkrieg persönlich mit. Sein Vater war Prokurist bei der Lederer Brauerei und hatte für den aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Sohn eine kaufmännische Lehre bei der Tucher Brauerei vorgesehen. Ludwig Narziß wechselte aus eigenem Antrieb nach kurzer Zeit zur Brauerlehre, die ihn mehr ansprach. Die richtige Entscheidung, wie sich zeigen sollte. Trotz der schwierigen Verhältnisse in der Brauerei nach dem Krieg schloss er die Lehre nach zwei Jahren im Oktober 1947 erfolgreich ab und wechselte 1948 zum Studium nach Weihenstephan an die Fakultät für Brauwesen, wo eine lange Karriere ihren Lauf nahm.
Erste Berufserfahrungen in der Praxis
Ab 1951 war er aber zunächst für zwei Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Betriebsberater im Außendienst der Versuchsanstalt für Bierbrauerei bei der Bayerischen Landesgewerbeanstalt Nürnberg tätig, wo er auch seine Frau Dorle kennenlernte. Von der LGA warb ihn Prof. Weinfurtner 1953 für die Staatliche Brautechnische Prüf- und Versuchsanstalt (heute Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität) in Weihenstephan ab und bot ihm die Möglichkeit zur Promotion (Thema: „Der Einfluss der Heferasse auf die Bierqualität“), die er 1956 abschloss.
Nach der Promotion ging Prof. Narziß erst wieder in die Wirtschaft: Bis 1964 war er bei der Löwenbrauerei München als Erster Braumeister und Prokurist tätig, bevor er zurück nach Weihenstephan ging. Zwischen 1964 und 1992 war er Inhaber des Lehrstuhls für Technologie der Brauerei 1 der TU München in Weihenstephan, wo er Generationen von Studierenden ausgebildet und geprägt hat. In diese Zeit fallen viele wegweisende Neuerungen in der Brauereitechnik und -technologie, die Prof. Narziß angestoßen und begleitet hat. Es gibt kaum einen Bereich in der Brauerei, der nicht durch Forschung aus seinem Lehrstuhl weiterentwickelt werden konnte: Rohstofffragen, Entwicklungen in der Mälzerei, im Sudhaus, bei der Gärung und Lagerung oder bei der Filtration.
Prof. Narziß war es ein Grundbedürfnis, durch wissenschaftliche Forschung Probleme der Praxis zu lösen, insofern ging es oft um die Optimierung der Produktion, aber natürlich auch um die Qualität des Produkts. Als eines der wichtigsten Forschungsthemen aus seiner Zeit darf die Vermeidung des Sauerstoffeintrages ins Bier gelten.
Ein fürsorglicher Doktorvater
Hunderte von Diplomanden und 50 Doktoranden haben die verschiedenen Themen unter seiner kundigen Führung bearbeitet. Ihnen war er ein „Doktorvater“, zu dem die ehemaligen Doktoranden teilweise bis heute in engem Kontakt standen. Was Prof. Ludwig Narziß auszeichnete, war zudem seine menschliche Nähe. Trotz der großen internationalen Anerkennung hat er sich seine bescheidene und liebenswerte Art jedermann gegenüber bewahrt. So forderte er seine Mitarbeiter, war streng in der Sache, förderte sie aber auch nach Kräften.
Hunderte von Veröffentlichungen
Aus der wissenschaftlichen Arbeit sind viele Bücher, darunter Klassiker der Brauereitechnologie, und Hunderte von Veröffentlichungen und Vorträgen entstanden. All dies hat ihn zu einem Brauwissenschaftler von Weltruf gemacht, dessen Expertise in Behörden, Verbänden und den Brauereien weltweit geschätzt war. Prof. Narziß hat damit nicht nur die Fakultät für Brauwesen in Weihenstephan, sondern generell den Ruf der deutschen Brauwissenschaft im In- und Ausland maßgeblich geprägt. Ihm war es stets wichtig, den Dialog zwischen Brauwirtschaft und Brauwissenschaft, zwischen Forschung und Brauereipraxis zu gewährleisten. Es ist nur folgerichtig, dass der Forschungspreis der BrewingScience, der Ludwig-Narziß-Preis für Brauwissenschaft, seinen Namen trägt.
Viele Auszeichnungen und Ehrungen
Selbstverständlich war für ihn auch das Engagement in ehrenamtlichen Aufgaben im In- und Ausland, exemplarisch sei hier 1979 seine Wahl zum Präsidenten der European Brewery Convention (EBC) in Brüssel genannt. Bis heute ist er der einzige Ehrenpräsident der EBC. Prof. Narziß war Träger des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und vieler weiterer Ehrungen und Auszeichnungen.
1992 übergab Prof. Narziß zwar die Leitung des Lehrstuhls an Prof. Werner Back, bewahrte sich aber seinen Forschergeist, der ihn bis zuletzt sehr aktiv hielt. Noch im Alter von über 90 Jahren reiste er um die Welt, um Veranstaltungen der Brauwirtschaft zu besuchen und Vorträge zu halten.
Bis zuletzt interessiert
Im Frühjahr 2021 zog er von seinem langjährigen Lebensmittelpunkt Freising und Weihenstephan zu seiner Familie, die in der Nähe von Reutlingen wohnt. Auch wenn es da schon etwas ruhiger um ihn wurde, so arbeitete er noch täglich an seinen Büchern, hielt sich mit Telefonaten auf dem Laufenden und freute sich über Besuch von Freunden und langjährigen Weggefährten aus der Branche.
Die deutsche Brauwirtschaft hat einen ihrer ganz Großen verloren. Wir werden ihn vermissen …