Der European Beer Star 2004 – 2021
Internationales Familientreffen | Seit 17 Jahren wird der European Beer Star nun schon verliehen – da ist es an der Zeit, sich an die Anfänge zu erinnern. Wie hat sich der Bierwettbewerb seit 2004 gewandelt? Welche Konstanten prägen den European Beer Star? Und wo geht die Reise hin?
Schaut man sich die Fotos vom ersten European Beer Star 2004 an, ist das fast wie beim Betrachten von Kinderfotos: „Ist der aber groß geworden!“, könnte man rufen. 2004 wirkten die Verkostung und die Preisverleihung noch sehr salopp und fast familiär.
In den folgenden 17 Jahren ist die European Beer Star-Familie immer weiter gewachsen, die Preisverleihung versprüht internationalen Glanz und die Verkostung folgt einer hochprofessionellen Choreographie. Und doch hat es der European Beer Star geschafft, die gewachsene Internationalität mit seiner familiären Atmosphäre zu verbinden. „Die European Beer Star-Verkostung ist ja schon immer wie eine Art Familientreffen“, beschreibt Andrea Kalrait, Executive Director der BrauBeviale und Jurymitglied seit 2014, die Atmosphäre bei der Juryverkostung.
Die Geburtsstunde
„Auf die Idee zu einer anderen Art von Wettbewerb für Biere kam ich um die Jahrtausendwende, weil mir schon länger aufgefallen war, dass bei einem sehr wichtigen deutschen Bierwettbewerb, bei dem die Analysenwerte und die Haltbarkeit einen überaus großen Einfluss auf die Medaillenvergabe hatten, Spezialbiere, vor allem die hopfenbetonten, meistens unter „ferner liefen“ rangierten. Mir schwebte damals eine verbraucherorientierte Bierbewertung vor, die herausragende sensorische Merkmale in den Fokus rückt sowie die Geschmacksvielfalt unserer Bierlandschaft widerspiegelt“, erzählt Dr. Karl-Ullrich Heyse, damaliger Chefredakteur und heutiger Herausgeber der BRAUWELT.
Die Idee fand schnell Anklang: Dr. Werner Gloßner, Roland Demleitner, Stefan Stang, Michael Schmitt und Dr. Wolfgang Stempfl schlossen sich mit Dr. Heyse zum Gründungsteam des European Beer Star zusammen. Gemeinsam brachten sie 2004 die 1. European Beer Star Awards auf den Weg – eine Erfolgsgeschichte, die sich bis heute fortsetzt.
Der European Beer Star ist sicher auch so erfolgreich, weil er eine große Lücke schließt. Dr. Gloßner, heute Geschäftsführer von Doemens, 2004 als Hauptgeschäftsführer der Privaten Brauereien Bayerns Teil des Gründungsteams, erklärt dazu: „Man hat schon bei der damaligen Grundsatzentscheidung im Rahmen einer Vorstandssitzung des Vereins zur Förderung mittelständischer Privatbrauereien im Jahr 2002 gespürt: Gestandene Brauer wollten diese Art von Bewertung, wollten bewertet haben, wie Bier schmeckt, nicht welche Analysenwerte es hat. Das hat es vorher in Deutschland so nicht gegeben. Dieser Eindruck hat sich beim Test im Rahmen der BrauBeviale 2003 mit gut 30 Bieren und einem Kreis von 15 Verkostern fortgesetzt. In der Jury war Sternekoch Alexander Herrmann, der hat die Biere verkostet und beschrieben, was er wahrnimmt. Und alle, die dabei waren, haben Mund und Augen staunend nicht mehr zubekommen, weil sie das erste Mal gehört haben, wie man Bier auch wahrnehmen und beschreiben kann. Der erste European Beer Star in 2004 war dann die logische Konsequenz und erlangte aus dem Stand mit wenig Vorlauf mehr als 200 Einreichungen … Die Brauer waren heiß auf diese Art von Wettbewerb, wollten dabei sein und natürlich gewinnen.“
Organisiert wird der European Beer Star seit Beginn von den Privaten Brauereien Bayern e.V. und den Privaten Brauereien Deutschland e.V., verkostet wird traditionell bei Doemens in Gräfelfing und gefeiert werden die Preise dann bei der „Nacht der Sieger“ im Rahmen der BrauBeviale. Hier zeigt sich bereits ein entscheidendes Merkmal des European Beer Star: Teamplay steht im Mittelpunkt. Der Wettbewerb wird nicht nur von einem Verband getragen, sondern ruht auf den Schultern vieler Partner, die eng zusammenarbeiten.
Die Einreichungen
Angefangen hat 2004 alles mit 271 Einreichungen aus 14 Ländern. Kategorien gab es damals nur 18, in denen 52 Medaillen vergeben wurden. Der Sprung über die 1000er-Marke bei den Biereinreichungen gelang erstmals 2010. Die magische Marke von mehr als 2000 eingereichten Bieren wurde 2016 geknackt. Den bisherigen Höchststand feierten die Organisatoren im Rekordjahr 2019 mit 2481 Einreichungen aus 47 Ländern.
2020 muss man Corona-bedingt etwas ausklammern, doch trotz aller Einschränkungen wurden im letzten Jahr 2036 Biere aus 42 Ländern eingereicht. Die Kategorien sind inzwischen auf 70 angewachsen, deshalb wurden 2020 insgesamt 210 Medaillen vergeben.
Insgesamt wurden seit 2004 im Rahmen des Wettbewerbs 22 911 Biere aus 84 Ländern von der Jury des European Beer Star verkostet. Eine logistische Meisterleistung, die mit Hilfe von Kühlzelten im Hof der Doemens-Akademie und unzähligen Helfern auf die Beine gestellt werden kann. Jedes Jahr stehen die Verantwortlichen dabei vor neuen Herausforderungen.
Stefan Stang, heute Hauptgeschäftsführer der Privaten Brauereien Bayern und von 2003 bis 2016 erster Projektleiter des European Beer Star, erklärt, warum der Wettbewerb so international werden konnte: „Die Brauer berichten uns, dass ihnen die Auszeichnung eine hohe Reputation und Umsatzzuwächse beschert, dass sie die professionelle Organisation sowie die hochkarätige Jury und deren Experten-Feedback schätzen. Die familiäre Atmosphäre, der Publikumspreis Consumers‘ Favourite und das weltweit einzigartige Format der „Nacht der Sieger“ sind für viele Brauereien ebenfalls ausschlaggebend.“
Die Expertenjury
Immer mehr Einreichungen erfordern natürlich eine immer größere Jury. Und auch die ist über die Jahre zunehmend international besetzt. Waren in den ersten Jahren unter vielen deutschen Juroren nur ein paar „Exoten“ aus Polen, Tschechien oder Rumänien dabei, so hat sich im Laufe der Jahre ein durchaus internationales Netzwerk aus European Beer Star-Juroren etabliert, das den Anspruch des Wettbewerbs unterstreicht.
Im Jahr 2019 verkosteten 145 Bierexperten aus 28 Ländern die eingereichten Biere. Aufgrund der Corona-bedingten Einreisebeschränkungen zählte die Jury 2020 nur 74 Mitglieder, das soll sich in diesem Jahr aber wieder ändern …
Die internationale Expertenjury des European Beer Star setzt sich aus erfahrenen Bier-Fachleuten mit unterschiedlichem beruflichem Background zusammen. Die Jurymitglieder bewerten die Einsendungen im Rahmen einer Blindverkostung nach den Qualitätskriterien Sensorik und Genuss, und zwar aus Verbrauchersicht – ohne Laboranalysen. Ausschlaggebend sind die Bierqualität und das Erfüllen der Kategorie-Definition.
Und auch in der Expertenjury zeigt sich der familiäre Charakter des European Beer Star: „… Für die internationale Verkosterfamilie zählt nicht nur das Verkostungserlebnis, sondern es ist der Rahmen, das Treffen, der Austausch. Wenn man die Rahmenbedingungen kommunikativ gestaltet, indem man für gemeinschaftliche Events sorgt und unterjährig die Verbindung über die sozialen Medien pflegt, dann kann man diese Verbindungen nicht nur erhalten, sondern stärken und ausbauen. Wichtig ist, diese Verkosterfamilie darf kein „closed shop“ werden, eine stetige Ergänzung mit neuen Gesichtern bringt Neues und fördert den Reiz, dabei sein zu wollen“, berichtet Dr. Gloßner.
Laut Stang ist die Verkosterfamilie zudem ein hervorragender Multiplikator: „Der European Beer Star hat sich mit der Zeit zu einem Wunschwettbewerb für hochkarätige internationale Verkoster entwickelt und die ziehen natürlich auch Einreichungen aus ihren Herkunftsländern an.“
Die Kategorien
Blickt man auf die Kategorien, die von 18 auf 70 gestiegen sind, drängt sich die Frage auf: Wo kommen all die neuen Kategorien her? Die ersten 18 Kategorien wurden vom Gründungsteam definiert, seitdem sind sie aus dem Wettbewerb heraus gewachsen. Jurymitglied und Table Captain Kalrait erklärt wie: „Wenn wir bei den Verkostungen Veränderungen feststellen, geben wir aus der Jury eine Rückmeldung an die Organisatoren. Da geht es beispielsweise darum, welche Kategorien man vielleicht teilen sollte, weil die Biere darin doch noch zu unterschiedlich sind. Manchmal können sich tolle Biere aufgrund der Rahmenbedingungen in ihrer Kategorie nicht durchsetzen – in einer eigenen Kategorie würden sie aber eine Medaille holen. Das sind dann Punkte, an denen nachjustiert wird, um die Kategorien sauberer abzugrenzen. 2020 hatten wir fünf neue Kategorien. Darunter ein ,Bohemian Style Session Lager‘, damit die leichteren Biere eine Chance haben. Es gab auch eine neue Kategorie für kaltgehopfte alkoholfreie Lagerbiere, da die kaltgehopften Alkoholfreien den anderen natürlich sensorisch die Schau stehlen, aber das hat ja grundsätzlich nichts mit der Qualität zu tun.“
2021 geht der European Beer Star mit 70+1 Kategorien an den Start. In der neuen Spezial-Kategorie „Free Style-Beer“ werden außergewöhnliche Kreationen gewürdigt, die sich nicht in ein vorgegebenes Raster zwängen lassen. Daher gibt es auch keine analytischen Beschränkungen bei der Anmeldung – ein weiteres Novum, das zeigt, wie wandlungsfähig der European Beer Star ist. „Unser Anspruch ist es, bei den Kategorien am Puls der Zeit zu sein – dabei bleibt aber immer der Fokus auf europäische Bierstile wichtig“, betont Stang.
Bei der immer umfangreicheren Liste der Kategorien sind dann aber natürlich auch Bierstile dabei, in denen selbst Bierprofis noch nicht viel Erfahrung haben. Wie lassen sich diese Bierstile trotzdem bewerten? „Die Table Captains reisen bei der Verkostung immer schon einen Tag früher an – zur Teamleiter-Einweisung. Dort wird ganz explizit auf die neuen Bierstile eingegangen. Damit man weiß, welche Bandbreite auf einen zukommt, wo die Diskussionspunkte liegen können und damit die Table Captains eine einheitliche Linie fahren“, erklärt Jurymitglied Kalrait.
Der Medaillenspiegel
Am Ende geht es natürlich ums Gewinnen. Unangefochtener Spitzenreiter im Medaillenspiegel ist Deutschland mit insgesamt 1043 European Beer Stars seit 2004. Dann geht es aber auch schon raus aus Europa und in die USA. Amerikanische Brauereien konnten in den letzten 17 Jahren 456-mal Gold, Silber und Bronze holen. Auf Platz 3 folgt dann Italien mit 163 Medaillen. Mit den Belgiern (140) und den Österreichern (95) sind die Top 5 im ewigen Medaillenspiegel komplett.
Goldmedaillen gingen aber u. a. schon nach Tschechien (20), Brasilien (14), Japan (11), Australien (9), Polen (8), Russland (8), Kanada (6), Taiwan (5), Myanmar (2), Südkorea (2), Namibia (1) und Thailand (1). Zahlen, die die Internationalität des European Beer Star untermauern.
„Diese Erfolge führen dann dazu, dass im nächsten Jahr mehr Brauereien aus diesen Ländern ihre Biere beim European Beer Star einreichen – die Internationalisierung verstärkt sich quasi von selbst“, freut sich Stang. Aber natürlich spielen bei der Internationalisierung auch die Pressearbeit mit internationalen Fachzeitschriften und die Kooperation mit Partnern wie der Brewers Association aus den USA eine wichtige Rolle, um den European Beer Star noch bekannter zu machen und die logistischen Hürden zu überwinden.
Eine Hintergrundinfo von Dr. Gloßner zeigt ebenfalls, welche Strahlkraft der European Beer Star in der internationalen Braubranche hat: „Eine Auszeichnung beim European Beer Star in Deutschland, für die Sensorik des Bieres von einem professionellen Verkostungsteam, einer von nur drei Ausgezeichneten in einer Bierkategorie zu sein, das ist für viele der Olymp. Und das kann man hervorragend seinen Kunden erklären. Ich habe Brauereifeste aus Anlass eines Awards beim European Beer Star erlebt, da waren mehr als 1000 Gäste dabei und die waren alle stolz auf ihren Bräu, dass einer von ihnen das geschafft hat.“
Die Weiterentwicklung
Den European Beer Star zeichnet aus, dass er sich über die Jahre immer weiterentwickelt hat. Sei es bei der Ausweitung der Kategorien, der Internationalisierung der Jury oder der Party zur „Nacht der Sieger“.
Im letzten Jahr zeigten die Organisatoren, wie anpassungsfähig sie sind. Sie stellten trotz Corona-Beschränkungen eine Juryverkostung auf die Beine, die dank eines perfekten Hygienekonzepts die Verleihung der European Beer Star 2020 überhaupt erst ermöglichte.
„Wir wollen den Wettbewerb nach Branchenbedarf weiterentwickeln, die Auswertung für Nichtgewinner verbessern, die Verkostung digitalisieren, internationale Sammelpunkte schaffen, um die Transporte der Biere zu erleichtern, den European Beer Star bei den Verbrauchern noch bekannter machen, mit anderen Bierwettbewerben zusammenarbeiten, den Austausch der Verkoster weiter vertiefen und dabei immer den Nutzen für die Teilnehmer im Fokus behalten“, erklärt Stang auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen für den European Beer Star.
Schlagworte
Craft Bier Wettbewerb European Beer Star BrauBeviale
Autoren
Lucia Baier
Quelle
BRAUWELT 19-20, 2021, S. 500-503
Firmen
- Private Brauereien Bayern e. V., München, Deutschland