Chancen werden von der Getränkebranche nicht offensiv genutzt
Die 6. Sommertage Getränkewirtschaft vom 21. bis 25. August 2006 in Berlin brachten neben zahlreichen fachkundigen Vorträgen als Highlight den Workshop mit Prof. Dr. Peter Kruse (S. 1038). Der Bremer Wissenschaftler und Unternehmensberater hat der sich im Umbruch befindenden Getränkebranche sehr intensiv und mit Weitblick den Spiegel vorgehalten.
Gräbt sich die Getränkewirtschaft selbst das Wasser ab? Unter dieser Überschrift fasste Prof. Kruse die Ergebnisse dieses Workshops „Erfolgsstrategien für die Getränkewirtschaft“ zusammen. Seine Schlussfolgerung: „Die Getränkebranche nutzt ihre Chancen nicht so offensiv, wie sie es könnte. Und das anscheinend gegen besseres Wissen. Für die Experten der Sommertage laufen Branchenentwicklung und die Kundenanforderungen auseinander. Die Aussichten sind viel besser, als die meisten anscheinend glauben. Aber es ist wichtig, nicht nur zu versuchen, individuell in einem harten Wettbewerbsumfeld zu überleben. In entwickelten Märkten ist es möglich, gemeinsam Konsumwelten zu gestalten, die für den Kunden reizvoll genug sind, um sein sauer verdientes Geld in die Intelligenz der Produzenten und des Handels zu investieren. In entwickelten Märkten darf das strategische Denken nicht an der Unternehmensgrenze aufhören. (S. 1042).
Branchenorientierung kontra Kundenwünsche. Die Experten bei diesem Workshop waren sich weitgehend einig, dass die Branche weiter in Richtung Massenmarkt, Preisverfall und Internationalisierung geht, der Kunde aber wieder verstärkt emotionale Erlebnisse und erkennbare Unterschiede sucht. Für Prof. Kruse ein eindeutiger Beweis, dass sich die Branche tatsächlich das Wasser abgräbt und sich bietende Chancen verpasst, da sie weiter nur auf Menge und Preis setzt.
Der Markt dürfte sich aber weiter polarisieren, die Schere zwischen Billigbieren und Premium-Bieren wird sich weiter öffnen, die Mitte gerät zunehmend unter Druck. Ob sich bei weiter abnehmender Kaufkraft und vor dem Hintergrund der Mehrwertsteuererhöhung der Kunde tatsächlich verstärkt emotionale Erlebnisse verschaffen will bzw. kann und bereit ist erkennbare lokale oder regionale Unterschiede entsprechend zu honorieren, bleibt abzuwarten. Schon werben Discounter damit, dass ihre Waren trotz Erhöhung der Mehrwertsteuer ab
1. Januar 2007 nicht teuerer werden. Eine derartige Strategie trägt sicher nicht zur Stabilisierung geschweige denn zur Erhöhung der Margen bei den Herstellern bei.
Gezielte Imagepflege für die Branche. Das wachsende Gesund-
heitsbewusstsein der Verbraucher erhöht das Risiko politischer Reglementierung. Die strategische Branchenkommunikation wird, so Prof. Kruse, immer wichtiger. Diese klappt wohl nicht immer so richtig, wie die Diskussion um die Alkoholpolitik der EU-Kommission bei einer Pressekonferenz des Deutschen Brauer-Bundes am 31. August 2006 in Berlin gezeigt hat (siehe nächste Ausgabe der Brauwelt). Kein
Wunder, wenn man bedenkt, welch geringen Stellenwert diese bei den großen Braukonzernen hat. Man denke nur an das ruhmlose Ende der Gesellschaft für
Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Brauwirtschaft. Allerdings sollten die Brauereien nicht immer nur auf die Verbände warten, sondern vor Ort, regional aber auch national nicht nur ihre Marke herausstellen, sondern mehr für das Thema Bier im Allgemeinen tun. Wie lange will die Branche denn noch warten?
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 36, 2006, S. 1035