Brauer unter Druck
Der Bierabsatz wird nach Prognosen der Prüf- und Beratungsgesellschaft KPMG weiter
sinken. Der Bier-Boom im WM-Jahr 2006 hat den deutschen Brauern wohl nur einen kurzen Aufschwung beschert, aber keine generelle Trendwende. Trotz erstmals seit Jahren wieder gestiegenen Pro-Kopf-Verbrauchs rechnen mehr als 80 Prozent der von der KPMG befragten Brauereien in den nächsten fünf Jahren mit weiter sinkenden Absätzen. Im Schnitt stellen sich die Betriebe auf einen jährlichen Rückgang um 0,6 Prozent ein.
Druck auch aus der Anti-Alkohol-Ecke. Nicht nur vom Markt erhalten die Brauer Druck, sondern auch von den Gruppen, die den Alkoholkonsum generell ablehnen. Unter der Überschrift „Zweiter Schoppen kann schon einer zu viel sein“ wurde in den „Nürnberger Nachrichten“ vom 7. Juni 2007 in großer Aufmachung über Veröffentlichungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen berichtet. Demnach liegt bei Männern die „risikoarme Schwellendosis“ bei 20 bis 24 Gramm Alkohol pro Tag (ca. 0,5 Liter Bier), bei Frauen bei 10 bis 12 Gramm Alkohol pro Tag. Auch bei einer derart geringen Alkoholdosis sollten, so die Empfehlung, zwei alkoholfreie Tage pro Woche sowie mehrere abstinente Wochen pro Jahr eingehalten werden. Die Unterschrift unter dem Bild, das dieses Mal ausnahmsweise kein Bierglas, sondern zwei gefüllte Weingläser zeigte, lautete: „Viele Bier- und Weintrinker weisen es weit von sich, dass sie ein Suchtproblem haben. Aber schon ab dem zweiten Schoppen steigen die Risiken.“ Die in vielen unabhängigen Studien belegten positiven Wirkungen eines mäßigen Alkoholgenusses (40 g pro Tag für den Mann) wurden als „maßlos überschätzt“ abgetan. Beinahe wäre mir an diesem Tag der Durst auf ein frisches Bier auf der Terrasse vergangen. Auch die Meldung in der gleichen Ausgabe über Biertests mit Nonnen in Spanien hat mich kaum wieder aufgemuntert.
„Alkohol wird verharmlost“, so auch das Fazit eines Interviews mit dem Leiter der Suchtberatungsstelle Nürnberg der Caritas in der NN vom 11. Juni 2007 als Auftakt zur Aktionswoche unter dem Motto „Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze“. Immerhin wird hier noch eingeräumt, dass nicht jeder Jugendliche, der zum Bier oder zu härteren Getränken greift, gleich abgängig wird. Herausgestellt wird die Vorbildfunktion der Familie, kritisiert wird die Verharmlosung des Alkoholkonsums in der Gesellschaft. „Alkohol ist de facto ein anerkanntes Suchtmittel.“
„Bier bewusst genießen“ heißt die vom Deutschen Brauer-Bund entwickelte Kampagne, die jetzt die Radeberger-Gruppe als eine der ersten Brauereien in Deutschland in ihre Kommunikation aufgenommen hat, um flächendeckend den verantwortungsbewussten Biergenuss zu fördern (S. 634). Die Radeberger-Gruppe appelliert mit dieser Initiative auch an ihre mehr als 60 000 Partner in Handel und Gastronomie, ihre Biere ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und verantwortungsvoll abzugeben.
„Öffentlichkeitsarbeit für Bier ist eine echte Gemeinschafts-arbeit, der sich alle stellen müssen“ wurde beim 31. Internationalen Kongress der European Brewery Convention in Venedig festgestellt (Brauwelt Nr. 22/23, 2007, S. 590). Kritisiert wurde zum einen, dass immer nur von Missbrauch geredet und zu wenig von den gesellschaftlich durchaus positiven Aspekten eines mäßigen Alkoholgenusses berichtet werde, und zum anderen, dass in der Bierbranche zwar genügend Geld vorhanden sei, um das Thema Bier beim Konsumenten besser verankern zu können, die Konzerne in der Regel aber in der Kommunikation immer nur auf ihre eigenen Marken abzielten. Nicht nur die Politiker in den Parlamenten, sondern alle Meinungsbildner vor Ort an den jeweiligen Brauereistandorten müssen entsprechend über die positiven Wirkungen eines mäßigen Bierkonsums aufgeklärt werden. Dieses Feld sollte die Braubranche nicht kampflos denen überlassen, die zwischen Biergenuss und Missbrauch von Alkohol nicht unterscheiden.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 24, 2007, S. 627