Zwischen Renditemaximierung und Margenvernichtung
Der deutsche Biermarkt gerät immer stärker unter Druck und zwar von oben und von unten, vom „Kasino-Kapitalismus“, wie ihn Ina Verstl auf Seite 253 beschreibt, der nur darauf aus ist, möglichst hohe Renditen zu erzielen, und von der Margenvernichtung im Discount, auf die Dr. K. Brandmeyer beim 4. Kommunkationsabend des Bundesver-bandes des Getränkegroßhandels am 16. Februar 2006 in Hamburg hinwies (S. 254).
Flaschen trinken kein Bier, so könnte man den oft zitierten Satz von Henry Ford abwandeln: „Autos kaufen keine Autos“. Trotz tiefschwarzer Zahlen drehen die Globalplayer InBev, Heineken und Carlsberg immer weiter an der Kostenschraube. Und da bei den Rohstoffen sowie bei den Anlagen und bei den Prozessen kaum noch etwas eingespart werden kann, höhere Preise für die Produkte nur schwer durchsetzbar sind, sind es, wie in anderen Branchen auch, die Arbeitsplätze, die dran glauben müssen, erst recht in Zeiten, in denen die Manager mehr auf die Signale der Finanzmärkte achten als auf die der Produktmärkte.
Der Kampf im Discount um die Marke wird 2006 noch stärker. Lt. Prof. Brandmeyer ist das Jahr 2006 ein Jahr der Entscheidung für die Getränkebranche in Deutschland, und zwar wegen der vorerst letzten Stufe der Verpackungsverordnung für bepfandete Einweggetränke, die am 1. Mai 2006 in Kraft tritt. Zwischen den Discountern wird es einen verschärften Kampf um Marken für ihre Einweggebinde geben. PET tritt gegen Dose an. Marken werden gnadenlos verheizt, wenn sie nicht entsprechend von den jeweiligen Markenherstellern hart verteidigt werden. Anderenfalls kommt es zu einer reinen Mengenpolitik und diese führt zu „einer menschen- und renditefreien Produktion“. Der Verdrängungskampf im Handel wird somit auf die Hersteller überspringen. Viele Marktteilnehmer werden erschöpft aufgeben müssen, in die Knie gezwungen von den Globalplayern auf der einen und vom Discount auf der anderen Seite.
Die erhöhte Verbraucherfreundlichkeit beim Einwegpfand ab 1. Mai, da ist sich Lekkerland sicher, wird das Geschäft mit Einweggetränken wieder beleben (S. 255), auch wenn Günther Guder, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes des Getränkefachgroßhandels, in Hamburg vorrechnete, dass das „neue Einweg“ mit erheblichen Prozesskosten verbunden sei (S. 254). Hersteller und Discounter sind schon in den Startlöchern. Der Preiskampf wird bereits angeheizt.
Die Getränkeabholmärkte benötigen ein völlig neues Image, wenn sie im Wettbewerb mit den Discountern bestehen wollen. Prof. Brandmeyer empfahl nicht nur die Umbenennung in Getränkefachmärkte, sondern auch das Schaffen eines ansprechenden Ambientes, auch mit interessanten Parzellierungen, wie z. B. einer Regionalecke. Es gilt „die Kultiviertheitslücke bei den Getränkeabholmärkten zu schließen“. Hier könnte auch eine Chance für die kleineren und mittleren Brauereien mit ihren lokal und regional starken Marken liegen. Wenn sie das Potenzial ihrer Marken stärker ausschöpfen, können sie durchaus höhere Margen erzielen und so Kostennachteile gegenüber den Großen wenigstens zum Teil ausgleichen. In der Regel geben sich die Mittelständler ja auch – zum Vorteil für Arbeitsplätze und Produktvielfalt – mit geringeren Renditen zufrieden.
Preisschlachten führen auch zu erheblichen Imageproblemen für das Bier an sich. Das kann man zur Zeit gerade in den USA erleben, wo nicht nur ein gnadenloser Preiskampf herrscht, sondern auch noch über patriotische Werbekampagnen versucht wird, die Konkurrenten mit ausländischen Beteiligungen zu diskriminieren (S. 276). So weit sind wir in Deutschland noch nicht, wenn auch schon mal hinter vorgehaltener Hand auf die Hauptaktionäre aus dem Ausland beim Konkurrenten mehr oder weniger diskret hingewiesen wird. Aber wenn es schon in den USA heißt: „Amerikanische
Dollars für amerikanisches Bier“, werden bei uns wohl ähnliche Slogans nicht lange auf sich warten lassen. Denn im Nachahmen der USA waren wir schon immer gut.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 10, 2006, S. 251