Schwierige Orientierung in der Getränkebranche
Der Markt für Getränke in Deutschland befindet sich im Umbruch. Dass der Biermarkt weit von seinem Ideal entfernt ist, darauf hat Frank Bettenhäuser bei der 14. Bündner Runde hingewiesen (s. S. 334). Dabei betonte er, dass einem die Bierpreise immer noch nur so um die Ohren fliegen, die Werbung immer wieder gleich ist, genauso wie der Geschmack. Die Unzufriedenheit im Markt wächst bei allen Beteiligten. Die Branche hat Angst vor der Wahrheit und vor Veränderungen.
Der Discount gerät immer stärker in die Kritik. Zahlreiche Referenten, die sich in den ersten drei Monaten des Jahres mit dem Getränkemarkt beschäftigt haben, wiesen auf die für die Hersteller negative preisdrückende Rolle der Discounter hin. Dem Verbraucher ist es wohl sehr schwer zu erklären, dass sich die zunächst günstig erscheinenden Billigpreise für ihn auf die Dauer eher negativ auswirken, da sie oft als süße Droge, als eine neue Form des Klassenkampfes eingesetzt werden und auf Dauer Arbeitsplätze kosten (s. a. „Brauwelt“, Nr. 6, 2006, S. 123, bzw. Nr. 10, 2006, S. 254).
Orientierung fehlt auch im Bereich Verpackung. Hier starrt alles wie das Kaninchen auf die Schlange auf den 1. Mai 2006, wenn die neue Verpackungsverordnung in Kraft tritt. Kommt die Renaissance der Dose, oder setzt der Handel doch verstärkt auf PET bzw. auf Einweg-Glasflaschen? Was wird mit den Preisen? Schon geistern wieder Tiefstangebote für Dosenbier durch die Branche. Die Preise für Wasser sind eh schon im Keller. Bettenhäuser warnte auch vor einer Ausuferung der Verpackungsvielfalt, die dazu führen kann, dass der Verbraucher die Orientierung verliert.
Die Ausgaben der deutschen Konsumenten orientieren sich mehr in Richtung Reisen und Technik und nicht so sehr an dem Genusswert von Lebensmitteln und Getränken. Daher wird es sehr schwer werden, den Konsumenten davon zu überzeugen, dass er für Zusatznutzen, wie z. B. Wasser plus, auch mehr bezahlen soll, noch dazu wenn alle Produkte, auch die im Preiseinstiegssegment, eine durchaus ansprechende Qualität aufweisen. Dennoch dürfen Hersteller und Handel nichts unversucht lassen und müssen den Konsumenten wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Der Preis kann kein Dauerargument bleiben.
Orientierung bieten auch starke Marken. Hinter diesen stehen in der Regel ausgeprägte Unternehmerpersönlichkeiten, wie man sie gerade im Mittelstand findet. Das ergab auch eine Expertenrunde, zu der der Fachverlag Hans Carl anlässlich des 25-jährigen-Jubliäums der Fachzeitschrift getränke markt eingeladen hatte. Die detaillierte Auswertung dieser Runde wird im Jubiläumsheft des getränke marktes, Nr. 6, 2006, erscheinen. Unabhängig vom jeweiligen Konzept sind Aufbau und Verteidigung einer Marke mit all ihren Vorteilen für den Hersteller, den Handel und den Verbraucher ein ständiger Prozess, der vor allem im Mittelstand den ganzen Inhaber mit all seiner Kraft braucht.
Eine weitere Orientierung im Informationswirrwarr bietet die Redaktion der Brauwelt jetzt mit dem Brauwelt-Online-Forum (S. 339). Dieses interaktive Medium bietet eine weitere Plattform für den Wissenstransfer von der Wissenschaft, den Instituten und den Zulieferfirmen hin zu Brauereien und Getränkeherstellern und umgekehrt. Wir sind gespannt, wie die Branche dieses Instrumentarium zum Gedankenaustausch nutzt. Es bietet jedenfalls beste Möglichkeiten sich über alle Bereiche der Bier- und Getränkeherstellung zu informieren und zu orientieren, gerade in Zeiten der stärkeren Segmentierungen bei den Getränken und bei den Konsumenten.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 12-13, 2006, S. 331