Bier und Wein, zwei getrennte Hemisphären?
In der Süddeutschen Zeitung vom 1. Oktober 2007 setzt sich Carolus Hecht äußerst kritisch mit der Rolle des Bieres im Vergleich zu der des Weines bei einem „ausladenden Abendmahl“ auseinander. So stuft er das Bestellen eines kleinen Biers als Aperitif bereits als „Ende des guten Geschmacks“ ein und meint, dass der Hopfen im Bier, vor allem der Bitterhopfen, dämpfend wirkte, ja abtötend auf die Geschmacksnerven. Für ihn ist die Sonderrolle des Weins bei Tisch klar definiert: „Er passt in seinen vielfältigen Varianten zu allem. Bier hingegen ist mit seiner geschmacksdämpfenden Wirkung nur ein guter Speisebegleiter, wenn es um sehr kraftvolle, um nicht zu sagen derbe Atzung geht oder um Gerichte, die mit Bier zubereitet wurden. Sonst dämpft es, statt zu beflügeln.“
Bier meets Wein. So ist ein Programmpunkt der 16. Bündner Runde vom 27. bis 30. Januar 2008 in Davos überschrieben, die unter dem Motto steht „Creative & innovative Dialoge“. Bier und Wein sollen bei einem festlichen Menü in Dialog treten und nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es geht darum, aufzuzeigen, dass Bier in seiner Geschmacksvielfalt sich vor dem Wein nicht zu verstecken braucht, auch wenn es sich schwer tut, den Ruf eines bloßen Durstlöschers für die kleineren Leute abzulegen.
Biervielfalt und bierQualität wurden nachhaltig bei der Verleihung des „Preis der Besten“ bei den 2. Lebensmitteltagen der DLG in Bad Soden unter Beweis gestellt. Die wirklich schwer zu erfüllenden Bedingungen für diesen Preis haben 91 Brauereien erfüllt. 43 erhielten den „Preis der Besten“ in Gold für über 15 hintereinanderliegende Jahre ausgezeichneter Qualität und je 24 eine Auszeichnung in Silber (zehn Jahre) und Bronze (fünf Jahre). Laut Preisträgerverzeichnis sind es in erster Linie mittelständische Brauereien, die sich diese Auszeichnung z.T. seit Jahrzehnten verdienen.
Bierqualität beruht auf vier Säulen: Geschmacks-, Schaum-, chemisch-physikalischer und mikrobiologischer Stabilität. Die Auswirkungen des Brauprozesses auf diese Parameter, von den Rohstoffen über den Brauprozess bis hin zum Genusswert, schilderte Prof. Dr. Werner Back anlässlich der 57. Arbeitstagung des Bundes Österreichischer Braumeister und Brauereitechniker in Villach sehr detailliert. Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass die eingesetzten Rohstoffe für die Bierqualität eine enorme Rolle spielen. Entscheidend, so Prof. Back, ist aber auch, dass die einzelnen Produktionsschritte gut aufeinander abgestimmt sind. Braukunst ist in allen Bereichen gefragt. Dies gilt es, auch den Biergenießern entsprechend zu vermitteln.
Drinkability, ein neuer Bewertungsmaßstab für das Bier, bedeutet eine besondere Harmonie und Ausgewogenheit sowie den Anreiz zum genussvollen Weitertrinken. Bier soll also gerade nicht „dämpfend oder abtötend auf die Geschmacksnerven wirken“, sondern diese viel mehr positiv anregen und für weitere Geschmacksempfindungen sensibilisieren. Das komplexe Thema der Drinkability hat Dr.-Ing. Martina Gastl sehr anschaulich in ihrem Vortrag in Villach dargestellt (S.1127). Wichtig sind dabei das Verhältnis der wesentlichen Inhaltsstoffe zueinander und eine dadurch bedingte Harmonie.
Wenn man bedenkt, dass Bier in seiner Matrix wesentlich komplexer ist als Wein, lässt sich schnell feststellen: Bier ist mehr als nur ein billiges Massengetränk zum Durstlöschen.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 41-42, 2007, S. 1123