Brauerei-Management komplexer denn je
Gerade für das Management mittelständischer Brauereien werden die zu bewältigenden Themen immer komplexer. Die vorliegende Ausgabe der Brauwelt ist dafür der
beste Beweis. Die Themen reichen vom Energiesparen über die allgemeinen Heraus-forderungen der Branche über das Controlling bis hin zum Einfluss des Glases auf den Geschmack, die Auswirkung gesetzlicher Vorschriften auf die Werbung und das Verbraucherverhalten sowie bis zur Kaufunlust bei weiter ansteigenden Preisen, aber auch zu den Logistikkosten bei der kaum noch zu bewältigenden Gebinde-Problematik.
Die allgemeinen Herausforderungen für die Branche und eben nicht nur des Getränkefachhandels sind u. a. neben der Energiefrage und der Suche nach „Energiefressern“ (S. 705) der prognostizierte weitere Rückgang des Bierkonsums in Deutschland auf weniger als 100 l pro Kopf und Jahr, die Wertevernichtung im Ein-wegbereich durch Tiefstpreise im Discount, der Spannenverfall durch die allgemeinen Kostensteigerungen, die weiteren Konzentrationsprozesse auf der Handels- und der Industrieseite sowie die Umsatzeinbußen durch das Rauchverbot in der Gastronomie, mit dem sich jetzt ja das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt (S. 706).
Der „Außer-Haus-Markt“ umfasst in Deutschland, wie Dr. Kelch in der ersten derartigen Studie feststellte (S. 713), circa 31,0 Mio hl, inklusive alkoholfreier Biere und Malzbiere. Davon entfällt mit rund 21,5 Mio hl die größte Position auf die Fass- und Tankbiere. Dieses Marktsegment ist für viele Brauereien und Braugruppen in den letzten Jahren zunehmend interessanter geworden, zum einen durch eine positive Entwicklung, zum anderen durch die Tendenz zu einer größeren Preisgestaltungs-freiheit. Diesen eher positiven Trends stehen die negativen Auswirkungen des Rauchverbots gegenüber – ein Minus von 14,1 Prozent in der Gastronomie in den Bundesländern mit Rauchverbot im letzten Quartal 2007 – sowie das immer größer werdende Preisbewusstsein der Käufer infolge der Preisspirale (S. 710).
Controlling gewinnt bei sinkenden Margen an Bedeutung. Im Mittelstand wird dieses Managementwerkzeug in erster Linie eingesetzt für die Vorbereitung von Entscheidungen sowie für die Maßnahmenkontrolle, in erster Linie im Vertrieb, beim Personaleinsatz und bei der Preisgestaltung, weniger im Bereich des Marketings bzw. der Werbung (S. 707).
Differenzierung durch Qualität, Marke und eine Prise Ge-schichte, darauf setzt Renate Scheibner, Geschäftsführerin und Mitinhaberin der
Glückauf-Brauerei in Gersdorf (S. 715). Darüber hinaus setzt sie auf einen
Service, der es ermöglicht, an sieben Tagen in der Woche das Brauerei- und Fremdsor-timent zu kaufen bzw. abzuholen. Auf diese Weise sowie über Feste, speziell organisierte Brauereiführungen, Sponsoring und POS-Verkostungen bleibt die Brauerei stets dicht am Kunden, auch, um nicht allzu stark in den Preiswettbewerb hineingezogen zu werden.
Der ostdeutsche Biermarkt ist nach wie vor hart umkämpft. Wie eine Studie zeigt (S. 727), bestehen durchaus Unterschiede im strategischen Management zwischen Brauereien aus West- und Ostdeutschland, z. T. begründet in den niedrigeren Einkommen im Osten des Landes. So werden eben auch die Hauptbiermarken zu vergleichsweise niedrigeren Preisen angeboten, um den preissensibleren ostdeutschen Massenmarkt bedienen zu können.
Die Herausforderung für alle deutschen Brauereien bleibt, in dem im Umbruch begriffenen deutschen Biermarkt eine profitable und zukunftsträchtige Position zu finden. Dabei führen viele Wege zum Käufer und Biergenießer, auch über ein Glas, das die jeweilige Bierspezialität nicht nur gut aussehen, sondern auch optimal riechen und schmecken lässt.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 25-26, 2008, S. 703