Giganten der Biergeschichte: Jacob Christian Jacobsen und Emil Christian Hansen
Die großen Dänen | Erstmals in dieser Reihe werden zwei Personen gemeinsam gewürdigt, deren Leben und Werk so ineinander verwoben sind, dass man sie unmöglich getrennt voneinander betrachten kann. Es geht um den Brau-Unternehmer Jacob Christian Jacobsen, der zu einem der größten Wohltäter seiner Zeit wurde, und um einen seiner wichtigsten Mitarbeiter, Emil Christian Hansen. Der Naturwissenschaftler schenkte der Welt des Bieres eine bedeutsame Errungenschaft, die Reinzucht von Saccharomyces Carlsbergensis.
Am 2. September 1811 wurde Jacob Christian Jacobsen als Sohn von Chresten Jacobsen und Caroline Frederikke Schelbeck in Kopenhagen geboren. Sein Vater war ein Brauherr ohne eigene Brauerei, ein sogenannter „Tenant Brewer“, der sich in anderen Brauereien einmietete. Chresten hatte jahrelang, zuletzt mit Erfolg, versucht, dem Militärdienst zu entgehen. Das war gerade in dieser Zeit der napoleonischen Kriege und Revolutionen ein verständlicher und durchaus lebensverlängernder Wunsch. Aber schließlich hatte er es geschafft und überdies noch die dänische Staatsbürgerschaft erlangt, somit stand der Gründung einer Familie nichts mehr im Wege. Der junge Jacob Christian, der bis heute meist nur J. C. genannt wird, war, der Überlieferung zufolge, ein scheuer und schüchterner Junge, der sich sogar aus dem Staub machte, wenn die Eltern Besuch bekamen. Dennoch trat er dann später in die Fußstapfen seines Vaters; dieser starb, als J. C. 23 Jahre alt war. Zuerst teilte sich J. C. die Verantwortung des Brauereigeschäfts noch mit seiner Mutter, ab 1837 übernahm er die volle Rolle des Tenant Brewers.
Am 24. Oktober 1939 heiratete J. C. die acht Jahre jüngere Laura Catherine, Tochter des Kaufmanns Lars Hillemann Holst. Im Jahr darauf bekam das junge Paar einen Sohn, der jedoch bereits zehn Tage nach der Geburt verstarb. Das nächste Kind, der am 2. März 1842 geborene Carl, überlebte, und zwar bereits in dritter Generation als Einzelkind – das war eher selten in diesen Zeiten. 1844 starb J. C.s Mutter Caroline Frederikke und J. C. erbte die kompletten Brauerei-Gerätschaften. Nun konnte er allein schalten und walten.
Wechsel vom Porter zum bayerischen Bier
Eine seiner ersten Entscheidungen war der Wechsel vom bis dahin gängigen dunklen Porter zum hellen bayerischen Bier. Ein wichtiges Schlüsselerlebnis war dabei ein Besuch beim Kopenhagener Weinhändler Waagepetersen, zusammen mit seinem Freund Frants Djørup. Der Wunsch nach einem Glas Wein war nur ein Vorwand für J. C. gewesen, in Wahrheit wollte er eine Flasche importiertes bayerisches Bier trinken. Ein Bier, das zu dieser Zeit nur von der Minderheit der Schleswig-Holsteiner in Dänemark getrunken wurde. Begeistert von dessen Farbe und Klarheit, reiste J. C. noch im selben Jahr nach Hamburg, um größere Mengen davon zu beschaffen. Zur gleichen Zeit bildete er sich auch über den Produktionsprozess dieses Bieres weiter, über sein ungewöhnliches Maischverfahren (Dickmaische mit mehrfacher Dekoktion) und seine lange, kalte Lagerdauer.
Um 1838 braute er sein erstes „Lager-Bier“, allerdings fehlte es an der passenden Hefe. J. C. tüftelte und studierte weiter, las u. a. die Werke von Sigismund Friedrich Hermbstädt (vgl. Teil 4 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 31-32, 2021, S. 792–794) und ließ sich immer wieder Bier aus Bayern anliefern. Er braute kleinere Chargen, entnahm den importierten Flaschen auch Hefe zur Verwendung in seinen eigenen Suden und glaubte einfach felsenfest daran, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis dieses Bier in Dänemark den Durchbruch erleben würde.
Bei einer Reise durch Europa, von April bis Juni 1844 mit dem Endziel Venedig, kam J. C. erstmals nach München. Eine Woche hielten er und sein Freund Lauritz Ridder Møller sich dort auf. Die Brausaison war jedoch am 23. April beendet worden, daher gab es keinen Anschauungsunterricht. Außerdem besuchten sie noch Brauereien in Prag, Dresden und Wien. Im Sommer desselben Jahres erhielt J. C. die Erlaubnis, im Fort „Hahns Bastion“ einen Lagerkeller einzurichten.
Im Oktober 1845 reiste er erneut nach München. Diesmal war sein Timing besser, und die Braugeschichte wurde gleich um eine Anekdote reicher. Er erhielt nämlich von Gabriel Sedlmayr (vgl. Teil 1 dieser Reihe, BRAUWELT Nr. 8, 2021, S. 203–205) zwei „Quarts“ von dessen untergäriger Hefe. Die Gefäße passten genau in seinen Zylinder, und so trug er Sedlmayrs kostbares Geschenk während der Rückreise in seiner Hutschachtel. Bei jedem Stopp der Kutsche oder des Zuges beeilte sich J. C., schnell kaltes Wasser zu finden, um die Hefe kühl zu halten. Er war erfolgreich damit. Sedlmayrs Gabe entpuppte sich als Glücksgriff, und die ersten 300 Barrel bayerischen Bieres, die J. C. damit braute, verkauften sich nicht nur rasend schnell, sondern entfachten einen nie zuvor gesehenen öffentlichen Enthusiasmus für dieses neue Bier. Mit einem Male wurde der so erfolgreiche Brauer auch als kommendes politisches Talent gehandelt.
Eine neue Braustätte muss her
J. C. war aber klar, nun musste er auch liefern können. Nachfrage aufbauen und dann enttäuschen, das wäre ein Desaster. Also machte er sich auf die Suche nach einem Platz für eine neue Braustätte. Er hatte von seiner Mutter ein recht schönes Barvermögen geerbt, das ihm die Suche nach einem passenden Grundstück erleichterte. Es sollte nicht zu tief liegen – das niedrige Grundwasser wäre hinderlich für neue Keller, und das Kopenhagener Trinkwasser war geradezu legendär schlecht –, es sollte eine gute Verkehrsanbindung besitzen, von frischer Landluft umweht sein, aber dennoch als Kopenhagener Brauerei gelten, ansonsten ginge dieser große Markt verloren. Gutes Wasser war auch wichtig. All dies kam zusammen am Valby Hügel. Beim Genehmigungsverfahren bezog J. C. sich hauptsächlich auf bayerische Verfahrensweisen, beschwor den Vorteil, den die dänischen Biertrinker durch die günstigeren Bierpreise haben würden, und erhielt am 25. November 1846 die Lizenz für seine neue Brauerei auf dem Valby Hügel. Geplante Anfangskapazität waren 5000 Barrel bayerisches Bier im Jahr.
Während die Bauarbeiten in vollem Gange waren, reiste J. C. im folgenden Frühjahr erneut nach München, um sich Details der neuen Spaten-Brauerei anzuschauen und – wenn möglich – gleich einen Braumeister von dort anzuheuern. Er fand jedoch keinen, der seinen Ansprüchen genügte. Zum Richtfest am 15. August war er bereits wieder zurück. Er taufte seine Brauerei, indem er Wein über den Kamin goss und zeigte dabei, dass er anders dachte als die meisten seiner Zeitgenossen. Der gängige, erwartbare Name wäre „Jacobsen’s“ oder „Valby Brauerei“ gewesen, J. C. jedoch mischte den Namen seines Sohnes mit der Besonderheit des Standortes und nannte seine neue Brauerei „Carlsberg“.
Mit Volldampf in die neue Zeit
Bereits in der ersten, noch unvollständigen Saison wurden 2700 Barrel gebraut, und – ein Alptraum für einen Brauer – er konnte die Nachfrage nicht immer befriedigen. Zum Ende der Saison 1850 waren die geplanten 5000 Barrel bereits erreicht. J. C.s Biere waren nicht nur anders, sie waren offenbar auch schlichtweg besser als die der Konkurrenz. Ausreichende Mengen guten Brauwassers wurden nun das Hauptproblem. J. C. ließ Quellen bohren und Brunnen anlegen, um die ständig steigende Nachfrage zu befriedigen.
Die Brauerei wuchs, eine erste Dampfmaschine wurde installiert und 1860 produzierte die Carlsberg Brauerei bereits 20 000 Barrel. Die Brauerei florierte ungebremst, J. C. wurde reich, sehr reich. So reich, dass er sich nach anderen Gebieten umsah, in denen er sein Geld nutzbringend einsetzen konnte. J. C. Jacobsen verstand sich immer als Brauer, der einen Dienst am Kunden erbringen sollte. Vorschläge anderer Brauer, er sollte den Bierpreis, wie sie, gewinnbringend optimieren, wies er ebenso ab wie Ideen seiner Berater, Geld in Aktien oder anderen Geschäften anzulegen. Er war zurückhaltend und beinahe menschenscheu. Die wenigen Freunde hielten ihn für eher misstrauisch anderen Menschen gegenüber. Umso mehr verwundert da sein wahrhaft erstaunliches philanthropisches Werk. Seine wichtigste Stiftung erfolgte im Jahr 1876. Die „Carlsberg-Stiftung“ sollte auch später Alleinerbe seines Vermögens werden. Warum die Stiftung und nicht der Sohn Carl? Nun, das ist eine Geschichte von Familienzwist und unterschiedlichen Unternehmensphilosophien.
Familienzwist vorprogrammiert
Im Jahr 1867 zerstörte ein Feuer Teile der Brauerei. J. C. ließ alles neu errichten und betrachtete dann diese neue Brauerei soweit als vollendet, ohne die Notwendigkeit einer künftigen Erweiterung. Technische Neuerungen, wie z. B. eine neue Linde-Kältemaschine, wurden aber selbstverständlich später noch installiert.
Carl war derzeit auf Wanderschaft, die ihn auch nach London, Wien, München und in andere Bierstädte brachte. 1871, nach seiner Rückkehr, „spendierte“ der Vater J. C. dem Sohn neben der eigenen eine neue Brauerei, die „Annex Brauerei“ genannt wurde. Bald jedoch schon bürgerte sich der Name „Ny Carlsberg“ (Neu Carlsberg) ein, im Gegensatz zu „Gammel Carlsberg“ (Alt Carlsberg), der Brauerei des Vaters.
J. C.s Idee war gewesen, mit Neu Carlsberg den Kopenhagener Ale-Markt zu bedienen, so erläuterte er es dem Sohn. Ales waren schneller und günstiger zu produzieren, und der Markt war nach wie vor groß. So begann Carl Jacobsen mit obergärigen Bieren, die in schlechten Zeiten besser verkäuflich schienen. Eine angekündigte Rezession fand jedoch nicht statt, stattdessen boomte das Geschäft mit bayerischem Lagerbier. Alle Ale-Brauereien, alteingesessene genauso wie Neu Carlsberg, liebäugelten daher mit einem Wechsel zum Lagerbier. Carl begann also ebenso Lagerbier zu brauen und wurde damit zum direkten Konkurrenten seines Vaters.
Was ist wichtiger: der Preis oder die Qualität?
Hier offenbarten sich dann die fundamentalen Unterschiede. Während J. C. hohe Qualitätsstandards hatte, bis zu einer festgelegten, sehr langen Lagerdauer für seine Biere, wollte Carl in erster Linie schnell und preiswert produzieren. Er begann das, was er von den Londoner Brauern an Marketing-Tricks gelernt hatte, in die Tat umzusetzen. Nach etwa zehn Jahren hatte er bereits den Ausstoß der väterlichen Brauerei übertroffen, und das mit einem erheblich kleineren Lagerkeller (14 000 Barrel gegen 40 000 Barrel).
J. C. ließ es lieber zu, dass einige Kunden nicht bedient wurden, als dass er – in seinen Augen – unreifes Bier abfüllte. Sein Sohn sprang allzu bereitwillig in die vom Vater geschaffenen Lücken. Das Zerwürfnis hatte sich bereits früh angekündigt, so dass die Errichtung der Stiftung ein zwangsläufiger Schritt war. Erster Zweck der Stiftung war jedoch nicht die Enterbung Carls, sondern der Unterhalt des ein Jahr zuvor gegründeten Carlsberg-Laboratoriums, in dem in den Bereichen Chemie und Physiologie geforscht werden sollte. Das waren Themen, die J. C. besonders am Herzen lagen. Neben der epochalen Entdeckung der Hefe sollte u. a. die Entwicklung des pH-Werts ein bleibender Verdienst des Carlsberg-Laboratoriums werden.
Wohltäter und Wissenschaftler treffen aufeinander
Hier kommt der zweite „große Däne“ ins Spiel: Am 1. Januar 1878 hatte Emil Christian Hansen seinen ersten Arbeitstag beim Carlsberg-Laboratorium, nachdem er davor einige Monate im Labor von Neu Carlsberg angestellt gewesen war. Der Keim für weitere Konflikte war hier also bereits gelegt, und das nicht nur weil Carl in den folgenden Jahren immer wieder versuchen sollte, Hansen abzuwerben.
Hansen war gut 30 Jahre jünger als J. C. und ein aufstrebender, ambitionierter Wissenschaftler. J. C. wollte den Krieg mit seinem Sohn unbedingt über die Bierqualität gewinnen, so setzte er alles daran, den Bereich Gär- und Lagerkeller zu optimieren. Da, wo seiner Meinung nach über die Qualität entschieden wurde. J. C. war jedoch auch bereit, seine Erkenntnisse jederzeit mit anderen Brauern zu teilen. Ein Zug, der Anfang der 1880er-Jahre wichtig wurde. Denn einige Brauereien, darunter auch der Konkurrent Tuborg, bekamen massive Geschmacksprobleme aufgrund infizierter Hefe. J. C. stand mit Rat und Tat zur Seite, bis er selbst Opfer eines Fehlgeschmacks wurde. Jacobsen ließ, während alle Tanks geleert und gründlich gereinigt wurden, frische Hefe aus München heranschaffen, forcierte aber gleichzeitig Hansens Forschung an der Hefe.
Hansen erfüllte die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht nur, er übertraf sie bei Weitem. Im September 1883 schrieb Jacobsen in einem Brief, dass Hansen kurz davor stünde, eine einzelne Hefezelle von „Saccharomyces cerevisiae“ zu isolieren. Dies gelang, und der 12. November 1883 ging in die Biergeschichte als der Tag ein, an dem zum ersten Mal in einer Brauerei ein Sud mit echter Reinzuchthefe angestellt wurde. Es wurde ein Bombenerfolg, und im folgenden Jahr basierte bereits die gesamte Produktion von ca. 200 000 hl auf dieser neuen Hefe.
Wohltat oder Profit?
In dieser Zeit hatte das Vater-Sohn-Verhältnis seinen Tiefpunkt erreicht, und Hansen geriet zwischen die Fronten. Dazu trug auch bei, dass er einerseits den über 70-jährigen J. C. mittlerweile für beratungsresistent hielt, anderseits ständig mit ihm über die Möglichkeiten der neuen Hefe streiten musste. Denn Hansen wollte sie vermarkten, Jacobsen hingegen verschenken. J. C. hatte nicht vor, Hansens Verdienste zu ignorieren, aber er wollte nicht, dass jemand damit Geld verdiente. J. C. war fest entschlossen, die neue Hefe der Welt zum Geschenk zu machen. Also lud er Brauer aus ganz Europa nach Kopenhagen ein, um ihnen ihre wunderbare Erfindung zu präsentieren. Er schrieb Artikel für deutsche und österreichische Fachzeitschriften. Und es gibt die schöne Anekdote, dass Gabriel Sedlmayr d. J. einer der ersten Empfänger dieser neuen Hefe war. J. C. hatte ein gutes Gedächtnis und war dankbar.
Hansen hingegen fühlte sich mittlerweile nicht nur unterbezahlt, sondern auch um die Früchte seiner Arbeit regelrecht betrogen. Er sollte J. C. nie verzeihen, das Zerwürfnis endete erst, als J. C. Jacobsen im April 1887 starb. Zu diesem Zeitpunkt war er als einer der größten Wohltäter Dänemarks anerkannt, und zwar nicht nur durch seine Stiftung, sondern auch durch weiteres Mäzenatentum im öffentlichen Bereich. Und die neue Hefe war bereits untrennbar mit seinem Namen und dem von Emil Christian Hansen verbunden. Den Ehrennamen „Saccharomyces carlsbergensis“ gab Hansen ihr ein Jahr vor seinem Tod, 1908. Dieses große Geschenk an die Bierbrauer der Welt findet sich im Grunde heute in den meisten untergärigen Bieren der Welt wieder.
1906 vereinigte Carl die beiden Carlsberg-Brauereien, die er bis zu seinem Tod 1914 leitete. Heute gehört die Carlsberg-Gruppe zu den größten Braugruppen der Welt.
Lernen Sie in unserem Dossier: Giganten der Biergeschichte weitere herausragende Persönlichkeiten der Braugeschichte kennen.
Quelle
- Kristof Glamann: Die Biographie „Jacobsen of Carlsberg“, englische Ausgabe, Gyldendal Verlag, Kopenhagen, 2011.
Schlagworte
Brauerei Dänemark Hefe Historisches
Autoren
Günther Thömmes
Quelle
BRAUWELT 45-46, 2021, S. 1174-1177