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23.08.2021

Produkteinführung von alkoholfreiem Bier

Den Geschmack der Konsumenten treffen | Alkoholfreies Bier liegt weiter im Trend, in den vergangenen Jahren konnte es dem deutschen Biermarkt immer wieder Aufschwung geben bzw. Rückgänge abfedern. Mit vielen innovativen Sorten und trendigen Eigenschaften wie Kalorienarmut kann das Alkoholfreie beim Bierliebhaber punkten und hat sein Image als „Autofahrerbier“ längst hinter sich gelassen. Bei der Einführung von alkoholfreien Bieren stellt sich für viele Brauereien deshalb nicht die Frage nach dem „Ob“, sondern nach dem „Wie“.

Die Möglichkeiten zur Herstellung von alkoholfreiem Bier sind schier unüberschaubar. Gestoppte Gärung, spezielle Hefen, thermische Entalkoholisierung oder Entzug des Alkohols über Membranen. Jeder Prozessweg führt zu einem alkoholfreien Bier, das dann auch jeweils ganz klar die Charakterzüge der jeweiligen Herstellungsmethode trägt. Während bei der gestoppten Gärung malzige Aromen und eine gewisse Süße im Vordergrund stehen, kann der Braumeister mit den modernen Membranverfahren alkoholfreie Biere kreieren, die vom Geschmack kaum mehr von ihren alkoholischen Cousins zu unterscheiden sind. Bei der Einführung von alkoholfreiem Bier geht es für die Brauerei natürlich auch um finanzielle Fragen: Sollen Neuinvestition in Anlagen zur Entalkoholisierung getätigt werden oder lässt sich weitgehend bestehende Infrastruktur nutzen? Eines aber muss für die Brauerei vor allem im Vordergrund stehen: der Geschmack des Kunden! Für das Riedenburger Brauhaus und die Schlossbrauerei Autenried bestanden dabei zur Produkteinführung sehr unterschiedliche Vorzeichen bei der Entscheidung für eine bestimmte Herstellungsmethode. Die Braumeister Maximilian Krieger, Riedenburger Brauhaus, und Matthias Hieber, Schlossbrauerei Autenried, geben im Interview Auskunft über den Entscheidungsprozess in ihren Betrieben.

Maximilian Krieger (Foto: Riedenburger)

Welche Gründe spielten für Sie eine maßgebliche Rolle bei der Einführung eigener alkoholfreier Biere in Ihrer Brauerei?

Matthias Hieber: Wir sehen darin eine sinnvolle Ergänzung unseres breiten Sortiments an Bieren, Mineralwässern und alkoholfreien Getränken. Da wir als Schlossbrauerei Autenried viele Gastronomen und Vereinsheime zu unseren Kunden zählen, wirkt sich der mengenmäßige Zuwachs an alkoholfreien Bieren noch stärker aus als im Gesamtmarkt.

Maximilian Krieger: Mit der Einführung der alkoholfreien Biere wollten wir eine Alternative zu den üblichen Erfrischungsgetränken wie Schorlen und Limonaden schaffen. Viele Leute wollen keinen Alkohol trinken, aber eben doch den Biergeschmack und keine süßen Getränke haben. Als Biobrauerei war für uns Basis, dass wir das wie auch alle unsere anderen Produkte in Bio-Qualität selbst herstellen.

Für welches Verfahren zur Herstellung alkoholfreier Biere haben Sie sich letztlich entschieden? Und worin sehen Sie für Ihre Brauerei jeweils die Vorteile in diesen Verfahren?

Krieger: Wir haben uns für das Verfahren der gestoppten Gärung entschieden. Vorteil für uns ist, dass wir dieselben Hefen verwenden können, die wir auch für die normalen Biere verwenden. Es hat uns zudem geschmacklich überzeugt, und Verfahren der Entalkoholisierung sind im Bio-Bereich nicht erlaubt.

Hieber: Wir entalkoholisieren fertig vergorenes Bier über eine Membrananlage. Der entscheidende Vorteil liegt ganz klar bei einem ausgeprägten Biergeschmack. Der Alkoholentzug läuft bei Temperaturen um 10 °C ab. Hierbei haben wir keine Verluste von weiteren Geschmackskomponenten. Im Gegenteil – es lassen sich Leitsubstanzen wie Isoamylacetat oder Myrcen bzw. Linalool aufkonzentrieren. Natürlich muss das Mutterbier in bester Qualität vorliegen, da das gleiche Prinzip umgekehrt auch für negative Substanzen gilt.

Ein weiterer Vorteil ist, dass wir durch die Verwendung von endvergorenem Bier keine freien Zucker mehr vorliegen haben. Ein Gesundheitsaspekt, der gerade bei älteren Zielgruppen nicht zu vernachlässigen ist! Auch macht dieser entscheidende Punkt eine anschließende Pasteurisation, und damit thermischen Eintrag ins Produkt, überflüssig!

Matthias Hieber (Foto: Autenried)

Die Nachteile des Verfahrens liegen gegenüber dem Kältekontaktverfahren im wirtschaftlichen Bereich. Wenn Sie zum Beispiel 80 hl Helles vorliegen haben, werden nach Abschluss des Alkoholentzugs und der Ausmischung auf die gewünschte Trinkstärke 50 bis 70 hl fertiges alkoholfreies Bier entstanden sein.

Wie waren Ihre Erfahrungen bei der (brau-)technologischen und technischen Einführung der alkoholfreien Biere bei Ihnen im Betrieb, und wo bestanden die größten Herausforderungen?

Hieber: Nach unserem Wissenstand waren wir Autenrieder die Dritten in Deutschland, die das Osmoseverfahren in Betrieb genommen haben. Bereits drei Jahre vor Inbetriebnahme hatten wir eine kleine, 0,5 Liter fassende Labor-Osmose-Anlage von der Uni Hohenheim geliehen, bevor der nächste Testschritt mittels einer 3-hl-Anlage anstand. Wir haben in diesem Maßstab unsere ersten Gehversuche gemacht. Es existiert im Moment schließlich keine nennenswerte Literatur, in der man sich einlesen könnte. Hier war „learning by doing“ gefragt. Bereits im Sudhaus mussten die Rezepte an die Entalkoholisierung angepasst werden. Hier sind zwei eigenständig gebraute Sorten entstanden. Da steckt schon einiges an Hirnschmalz dahinter. Eine Membran-Wasserentgasungsanlage rundete die maschinellen Anschaffungen schließlich ab.

Krieger: Über den Prozess selbst kann ich leider nichts Konkretes sagen, da das vor meiner Zeit war. Herausforderung ist auch bei den fortlaufenden Entwicklungen, das Sudprogramm so anzupassen, dass die Biere auch mit dem niedrigeren Stammwürze-Gehalt einen vollen, aber nicht zu würzigen Geschmack bekommen.

Wie sind die Rückmeldungen Ihrer Kunden? Sind Ihre Erwartungen in Erfüllung gegangen?

Hieber: Nachdem wir zuerst eine stark steigende Nachfrage verzeichneten und die Anlage im Sommer bereits zu 85 Prozent ausgelastet lief, haben wir bedingt durch die Coronakrise einen Rückgang zu verzeichnen.

Die Rückmeldungen unserer Bestandskunden sind durchwegs sehr gut. Der Schritt von einem zuvor zugekauften vakuumentalkoholisierten zu unserem Osmose-Bier war sensorisch schon ein Quantensprung. Doch bewahrheitet sich auch die Vermutung, dass ein gewichtiger Teil der potentiellen Kunden bereits auf die Süße der „Gärstop-Biere“ zu setzen scheint. Unser Produkt hingegen richtet sich an die Käuferschicht, die möglichst viel „Biergeschmack“ erwartet.

Krieger: Die alkoholfreien Biere erfreuen sich bei uns einem starken, wachsenden Zuspruch, und die alkoholfreien Biere nehmen einen wichtigen Teil in unserer Produktion ein. Die Erwartungen haben sich somit voll erfüllt.

Welche alkoholfreien Biersorten stellen Sie her? Welche „alkoholfreien Planungen“ haben Sie für die Zukunft?

Krieger: Wir haben folgende alkoholfreie Biere im Sortiment: Ur-Helles alkoholfrei, Ur-Weizen alkoholfrei, Ur-Dinkel alkoholfrei, Dinkel-Radler alkoholfrei, Dinkel-Malz alkoholfrei, Dolden Null – IPA alkoholfrei. Konkrete Planungen für ein weiteres alkoholfreies Bier gibt es im Moment nicht.

Hieber: Wir stellen im Moment ein alkoholfreies Weizen und ein alkoholfreies Helles her. Wobei die Verteilung etwa 80 zu 20 ist.

Da unsere Kristallkugel gerade in der Reparatur ist, wissen wir nicht, was die nächsten Jahre noch alles bringen werden… Für uns ist es vorrangig, durch die Krise zu kommen und unsere Bierqualität zu halten bzw. an der einen oder anderen Stelle noch zu steigern.

Herr Hieber, Herr Krieger, herzlichen Dank für das Interview!

Sie wollen mehr zum Thema wissen? Werfen Sie doch mal einen Blick in unser Dossier: Alkoholfreies Bier

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