Öffnungsperspektive für bayerisches Gastgewerbe
Bayerischer Brauerbund | Als „ersten Schritt in die richtige Richtung“ hat der Bayerische Brauerbund den Beschluss des bayerischen Kabinetts gewertet, der Außengastronomie bei einer Inzidenz unter 100 endlich eine Öffnungsperspektive zu bieten.
„Wer der Bevölkerung über Monate eine Rückkehr zur Normalität verspricht, wenn das Impfen Fahrt aufnimmt und die Inzidenz sinkt, der muss jetzt, sobald die Voraussetzungen stimmen, auch liefern, wenn er glaubwürdig bleiben will“, so Georg Schneider, Präsident des Bayerischen Brauerbundes.
Das Gastgewerbe habe bereits im vergangenen Sommer durch ausgefeilte Hygienekonzepte unter Beweis gestellt, dass wirksame Pandemiebekämpfung und ein weitgehend freier Besuch der Gastronomie durchaus vereinbar seien, so Georg Schneider.
Er verweist auf Veröffentlichungen der Aerosolforschung, denen zufolge das Corona-Ansteckungsrisiko im Freien äußerst gering sei. Gerade in einer Öffnung der Außengastronomie sieht er deshalb eine Möglichkeit, den „für jedermann spürbaren Drang der Menschen zum Zusammentreffen“ zu kanalisieren. „Wir alle wollen doch die Fortschritte, die wir uns bei der Pandemiebekämpfung mit großem Aufwand erkauft haben, nicht gleich wieder aufs Spiel setzen.“ Ein kontrolliertes Zusammentreffen der Menschen in der Außengastronomie – im Rahmen beständig weiterentwickelter Hygienekonzepte – sei dem unkontrollierten Treffen in Innenräumen deshalb in jedem Fall vorzuziehen.
Doch gibt sich der Bayerische Brauerbund mit der jetzt eröffneten Perspektive noch nicht zufrieden. Die Öffnung der Außengastronomie müsse handhabbar ausgestaltet und kurzfristig auch von der Inzidenzentwicklung abgekoppelt werden. Er fordert zudem grundsätzlich eine Öffnung der Gastronomie für Geimpfte ebenso wie für Genesene und negativ Getestete, also für alle, bei denen ein nennenswertes Risiko, sich oder andere zu infizieren, nach allen vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht besteht.
Der Brauerbund erinnert an das Angebot der Staatsregierung, Öffnungskonzepte im Rahmen von Modellprojekten zu erproben, und mahnt deren zeitnahe Umsetzung an: Wer niemanden gefährde, dem könne der Besuch der Gastronomie auch nicht länger vorenthalten werden.
Doch dürfe, so Schneider weiter, niemand glauben, mit der Wiederöffnung der Außengastronomie sei für Wirte und Brauer alles wieder in Ordnung. Dass auch für 2021 alle großen Volksfeste abgesagt worden seien und zumindest bis zur Jahresmitte auch kleinere Feste nicht stattfinden können, treffe die Brauwirtschaft neuerlich schwer. Bis die Gastronomie wieder auf Vor-Krisen-Niveau laufe, werde es noch Monate dauern. Vor dem Brau- wie dem Gastgewerbe liege noch eine lange Durststrecke, bis die enormen Schäden beseitigt seien, die die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung in den letzten bald 14 Monaten in beiden Branchen hinterlassen haben.
Weiterhin staatliche Hilfe gefordert
Bayerns Brauwirtschaft wertschätzt die Unterstützung, die die Branche zur Linderung der Folgen der Krise bislang erfahren hat. Es darf aber weder übersehen werden, dass manche Brauerei trotz einer unbestritten extrem schwierigen Lage keine staatliche Hilfe erfahren hat, noch, dass diese Hilfen bei anderen Brauereien nur einen kleinen Teil der entstandenen Schäden ausgleichen.
„Die Löcher, die der Einbruch der Gastronomieumsätze gerissen hat, sind deutlich größer, als der oberflächliche Blick auf die pauschale Umsatzentwicklung vermuten lässt“, sagte Brauerpräsident Schneider. Bayerns Brauer, so sein Fazit, brauchen deshalb weiterhin die Unterstützung des Staates.
Um die prekäre Lage der Branche zu entschärfen und vielen Unternehmen der heimischen Brauwirtschaft eine Überlebensperspektive zu eröffnen, bedarf es zunächst einer Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. In ihrem Kern gesunde Unternehmen müssen wenigstens eine Chance erhalten, sich wieder wirtschaftliche Spielräume zu erarbeiten. Von einem Wirtesterben wäre auch das Braugewerbe massiv betroffen. Um diesem entgegenzuwirken, fordern Bayerns Brauer eine dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf die Abgabe von Speisen in der Gastronomie sowie deren Ausweitung auch auf Getränke.
Da die Abhängigkeit von Gastronomieumsätzen bei kleineren Brauereien überproportional hoch ist, braucht insbesondere der brauwirtschaftliche Mittelstand einen entsprechenden Ausgleich. Dass die Biersteuer für diese kleinen Brauereien rückwirkend zum 1. Januar gesenkt wurde, wertet der Brauerbund als „Zeichen der Anerkennung einer äußerst schwierigen Lage“. Die nur befristet eingeräumte Steuerentlastung muss jedoch auf jeden Fall über den 31.12.22 hinaus dauerhaft gewährt werden.
Dem Brau- wie dem Gastgewerbe hat die Politik über Monate beträchtliche Sonderopfer abverlangt. Jetzt gilt es, beiden Branchen unter Würdigung des Impffortschritts, bestehender Hygienekonzepte und wissenschaftlicher Erkenntnisse über Ansteckungsrisiken insbesondere im Freien so viel wirtschaftliche Freiheit zurückzugeben, wie nur möglich.
Schlagworte
Brauwirtschaft Bayern Coronakrise
Quelle
BRAUWELT 19-20, 2021, S. 477
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