Werbebeschränkungen für Bier ante portas?
Stehen jetzt auch für Bier Werbeschränkungen unmittelbar bevor? Diese Frage beschäftigt die Brauer schon länger (s. Brauwelt Nr. 21, 2006, S. 595, 597 und 600 bzw. Nr. 22-23, 2006, S. 639 und 641). Erneut angeheizt wurde die Diskussion durch das Plädoyer des Generalstaatsanwaltes beim Europäischen Gerichtshof zur Rechtmäßigkeit der neuen EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot, mit dem sich RA P. Hahn, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes auf S. 729 kritisch auseinandersetzt.
„Verbraucherschutz vor übermotivierten Verbraucherschüt-zern“, so lautet die Forderung von Hahn. Werbung dient seiner Meinung nach der gezielten Information der Verbraucher über Produktinnovationen oder über einzelne Marken, nicht der Steigerung des Gesamtkonsums eines Produktes. Das zeige sich auch daran, dass die Werbeausgaben für Bier Jahr für Jahr gestiegen sind, der spezifische Bierkonsum aber stetig abgenommen hat.
„Neue Puritaner“ fordern Konsumbeschränkungen. Als „neue Puritaner“ wird die wachsende Zahl der Konsumkritiker bezeichnet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, legitime Freizeitinteressen und Konsumgewohnheiten, wie z. B. den Kurzurlaub mit dem Billigflieger oder den Genuss eines Gläschens Bier bzw. Wein öffentlich anzuprangern. Nach einer europaweiten Studie sprachen sich bereits 36 Prozent der Befragten dafür aus, dass ihre Regierung gegen den häuslichen Alkoholgenuss mit Kampagnen vorgehen sollte (S. 731). Verbinden sich übermotivierte Gesundheits- und Alkoholpolitiker, die nicht mehr zwischen Genuss und Missbrauch unterscheiden, mit derartigen Verbrauchergruppen wird der mündige Verbraucher ganz schnell zum bevormundeten.
Ob sich die neue Netzwerkgeneration so stark bevormunden lässt, bleibt abzuwarten. Sie steht für Lust, Intelligenz, Emotion, Vernetzung und damit für Wachstum. Sie macht lt. Hans-Jürgen Hartauer rd. zwei Drittel der Bevölkerung aus (S. 734). Der neue Kunde ist nicht mehr nur verwöhnt, sondern Kenner. Er will verführt werden und seine Freiheiten stärker ausleben. Gastronomie (Pflege des Magens) wird immer mehr zur „Sensonomie“ (Pflege der Sinne). Der Konflikt mit den „neuen Puritanern“ scheint vorprogrammiert. Oder kommt hier ein grenzenloser Egoismus zum Vorschein, nach dem Motto: Ich genieße in vollen Zügen, die anderen sollen mich dabei aber möglichst nicht stören, z. B. durch Rauchen oder Lärmen, oder zu schnelles Fahren?
„Bier bewusst genießen“, diesem Motto haben sich auch die sächsischen Brauereien verschrieben (S. 734). Mit dieser Aktion soll, wie bereits in der Brauwelt Nr. 21, 2006, S. 600 berichtet, der Konsument zum verantwortungsvollen Umgang mit alkoholischen Getränken angeregt werden. Beim Mittelstandsforum des Sächsischen Brauerbundes Ende Mai in Zwickau ging es aber um Nutzung möglicher Synergien, um die wettbewerblichen Nachteile gegenüber den Konzernbrauereien zu kompensieren. Nach dem Kauf vom Freiberger Brauhaus durch die Radeberger-Gruppe haben die gruppenunabhängigen Brauereien dieses Bundeslandes hier sicher einen noch stärkeren Handlungsbedarf als in den letzten Jahren. Letztendlich besteht bei fortschreitender Konzentration die Gefahr, dass die Biervielfalt leidet und damit auch der Genussfaktor beim Bier sinkt. Dann wird Bier zunehmend zum Low-Interest-Produkt mit entsprechend niedrigen Preisen oder es muss als Premiumbier mit hohem Werbeaufwand positioniert werden. Beides drückt auf die Erlöse. Die preislichen Probleme des deutschen Biermarktes sind es u. a., die Anheuser-Busch noch zögern lassen hier Fuß zu fassen (S. 729). Da engagiert man sich lieber auch bei den nächsten beiden Fußball-Weltmeisterschaften und regt sich nicht sonderlich auf, wenn das eigene Produkt in dem Land, in dem man „zu Gast bei Freunden ist“ sogar von Offiziellen schlecht geredet wird.
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 25-26, 2006, S. 727