Ein Schlüssel zur Geschmacksdifferenzierung
Damit setzten sich die Bier-Quer-Denker, eine Initiative der BRAUWELT, des Instituts Romeis und der Privaten Brauereien, bei ihrem 4. Workshop am 7. April 2011 in Nürnberg auseinander und präsentierten den über 100 Teilnehmern hochinteressante Biere, eingebraut mit unterschiedlichen Hefen. Die Biere stammten zum Teil aus eigens angestellten Versuchen, aber auch aus dem Sortiment der jeweiligen Brauereien (s. a. Seite 550). Derartige Biere ermöglichen, wie Stefan Stang, Private Brauereien, bei der Begrüßung betonte, gerade den kleineren und mittleren Brauereien, sich von den großen abzuheben. Sie müssen nur aufpassen, dass sie dabei nicht von den Großen „rechts überholt“ werden.
Mit Altbier-, Sekt- und Trappistenhefe experimentierte Marcus Jentsch in der Versuchsbrauerei des Instituts Romeis, unterstützt von Helmut Sauerhammer, Pyras. Bei der untergärigen Hefe (W 34/70) lagen die Anstelltemperatur bei 8 °C, die Hauptgärtemperatur bei 9,5 °C, die Hefegabe bei 0,9 l/hl und die Belüftung bei 10 mg/l. Die Altbierhefe wurde bei einer Anstelltemperatur von 20 °C sowie bei einer Hauptgärtemperatur von 22 °C mit einer Hefegabe von 0,5 l/hl und einer Belüftung von 10 mg/l eingesetzt.
Für die Sekthefe wurde eine Anstelltemperatur von 16 °C, eine Hauptgärtemperatur von 18 °C sowie eine Hefegabe von 0,5 l/hl und eine Belüftungvon 10 mg/l gewählt.
Die Trappistenhefe begann bei einer Anstelltemperatur von 16 °C, stieg dann in der Hauptgärtemperatur auf 20 °C. Die Hefegabe betrug hier 0,4 l/hl, die Belüftung zehn mg/l.
Vergoren wurde eine Standardwürze mit einer Schüttung von 92 Prozent Pilsner Malz, fünf Prozent Münchner Malz und drei Prozent Sauermalz. Die Bittereinhei-
ten wurden mit Magnum auf 46 festgelegt.
Im Vergleich zum „Standardbier“ mit untergäriger Hefe brachte die Altbierhefe einen milderen Geschmack, die Frucht- und Hopfennoten waren, laut Karl Schiffner, erster Weltmeister der Biersommeliers, nicht so stark ausgeprägt.
Interessant war der Ansatz mit der Sekthefe, e durch einen angenehmen Muskatgeruch- und -geschmack auffiel. Die Trappistenhefe produzierte einen starken Geruch und Geschmack nach Pferdedecke bzw. Pferdeschweiß („Brett-Aroma“), typisch für Brettanomyces-Hefen.
Belgisches Saisonbier
Die Private Land-Brauerei Schönram, gegründet 1780, geführt von der 8. Generation der Familie Oberlindober, hat einen Bierausstoß von rund 50 000 hl und braut, wie Braumeister Eric Toft ausführte, ganzjährig sieben Sorten Bier und zwei Saisonbiere. Die Hauptsorte ist Schönramer Hell. Der Absatz erfolgt zu 90 Prozent im Umkreis von 40 km über Handel, Heimdienst und die Gastronomie.
Die belgischen „Saison“-Biere bzw. die französischen „Bière de garde“ wurden früher in den kalten Monaten eingebraut und zur Stärkung der Landarbeiter im Sommer ausgeschenkt. Sie sind schwer einzuordnen. Allgemein lässt sich sagen, dass die „Bières de garde“ eher schwer und malzbetont, die „Saison“-Biere hopfenbetonter, höher vergoren sind. Sie haben in der Regel einen trockeneren Charakter und werden oft mit begleitender Wildgärung – Laktobazillus, Brettanomyces – hergestellt.
Regional wird eher kalkhaltiges Wasser verwendet. Die Schüttung besteht aus Gerstenmalz, oft Dinkel, Weizen, Hafer oder Rohweizen. Oft wird mit einer Zuckergabe der trockene Charakter der Biere gefördert. Eingesetzt wird in der Regel ein intensives Infusionsmaischverfahren. Auch der Einsatz von Kräutern, Koriander, schwarzem Pfeffer, Orangenschalen, Sternanis, Lakritz, Meleguetapfeffer (Grains of Paradise) ist nicht unüblich. Als Hopfen kommen Saazer, East Kent oder belgische Goldings zum Einsatz. Die Kochzeiten sind zum Teil sehr lang.
Die Hefen sind oftmals Mischkulturen, ursprünglich wahrscheinlich Rotweinhefen. Der Brettanomyces-Charakter ist oft erwünscht. Die Gärtemperaturen liegen oft über 25 °C in der Hauptgärung. Häufig verwendet man Flaschengärung mit Zuckerzugabe.
Die sensorische Beurteilung verzeichnet oft eine korkige, erdige Note durch TCA (Trichloranisol), Pferdedecke, Pferdeschweiß durch Brettanomyces, Zitrusnoten, „Hausgeschmack“ sowie einen sehr trockenen Abgang (Kombination AV°, Hopfen, Kräuter).
Für Toft ist das Reinheitsgebot kein limitierender Faktor, da man mit der Auswahl der Rohstoffe, in diesem Fall der Hefe, immense Möglichkeiten hat, Biervielfalt darzustellen.
So braute Toft sein „Saisonbier“ bewusst nach dem Reinheitsgebot mit einem Wasser von circa 5 ° dH, aufgehärtet mit CaCl2 und CaSO4, einer Schüttung von Pilsnermalz, ca. zehn Prozent Maltosemalzflocken als Zuckerersatz (Mälzerei Steinbach, Erlangen), und < fünf Prozent Karamelmalz (300 EBC). Die Maischarbeit verlief wie folgt: Einmaischen mit 45 °C, längere Maltaserast viele Einfachzucker, Rasten bei 62 °C, 65 °C, 68 °C, 72 °C und 77 °C.
Die Hopfengabe bestand aus Tettnanger und Spalter (Saazer Formenkreis) in vier Gaben sowie aus einer Prise slowenischer Goldings. Die Kochdauer betrug circa 70 min. Der verwendete Hefestamm wurde vor Jahren aus einer Flasche Original Saisonbier isoliert und kultiviert. Angestellt wurde mit 22 °C, dann stieg die Temperatur auf 30 °C. So wurde drei Tage offen, dann circa drei Wochen warm im ZKG, natürlicher Druckaufbau, vergoren, die letzten zehn Tage kalt in liegendem Tank.
Gebraut und abgefüllt wurde dieses „Super-Saison“ in der 10-hl-Pilotanlage der Firma Braukon, Truchtlaching. Vor kurzem wurde dort das gemeinsame Abfüllzentrum von Braukon und der Brauerei Schönram für Spezialgebinde (0,25 bis 3-l-Flaschen, wahlweise Kronenkorken, Naturkorken, Bügelverschluss) eröffnet (BRAUWELT Nr.11, 2011, S. 325). ...
Autoren
Karl-Ullrich Heyse
Quelle
BRAUWELT 18, 2011, S. 584-587
Veranstalter
- BRAUWELT, Fachverlag Hans Carl, Nürnberg; Institut Romeis, Oberthulba; Verband Private Brauereien Bayern e.V., München