Hefe als Geschmacksmotor im Bier
Ingolstadt im Jahr 2016 – selbstverständlich denken Brauer da an die Jubiläumsfeier zu 500 Jahren Reinheitsgebot. Aber nicht nur das, auch das Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität wandte sich mit der Ausrichtung des 11. Weihenstephaner Praxisseminars nach Ingolstadt, wo sich knapp 150 Teilnehmer am 20. und 21. Oktober 2016 zusammenfanden.
Selbstverständlich richteten sich die Themen der zweitägigen Veranstaltung an der berühmten Herstellungsvorschrift aus: Über 500 Jahre Reinheitsgebot aus der Sicht der technologischen Qualitätssicherung sprach eingangs Prof. Fritz Jacob und zeigte die Entwicklung über die Jahrhunderte auf. Auch wenn sich in den letzten zweihundert Jahren die Messtechnik weit entwickelt hat, ist damals wie heute die Sensorik (und damit auch die Schulung der Tester) unerlässlich und auch für den Verbraucher das nahezu einzige Kriterium zur Beurteilung eines Bieres. In Zukunft erwartet Prof. Jacob die Inline-Überwachung des kompletten Prozesses und den Informationszugriff in Echtzeit, sodass Prüflabore lediglich die Kalibrierung der Systeme übernehmen.
Schwerpunktthema Hefe
Neben den rechtlichen Aspekten des Reinheitsgebotes und technologischen Möglichkeiten im Rahmen dieser Vorschrift, über die wir in diesem Jahr in der BRAUWELT schon ausführlich berichtet haben (vgl. D. Cotterchio in BRAUWELT Sonderausgabe zum Jubiläum 2016, S. 50, oder Dr. M. Zarnkow in BRAUWELT Nr. 45/2015, S. 1330) beschäftigte sich der Vortrag von Dr. Hubertus Schneiderbanger mit dem Thema Zink und den Möglichkeiten der Zinkversorgung im Rahmen des Reinheitsgebotes. Als alternativen Ansatz stellte er ein Verfahren mit Maischesäuerung des kompletten Malzes auf pH 4,7 vor, wodurch Zinkkonzentrationen bis zu 0,9 mg/l in der Ausschlagwürze erreicht werden konnten. Eine Variante ist Säuerung einer Teilmaische beim Dekoktionsverfahren. Der Sauersud kann dann entweder auf mehrere andere Sude aufgeteilt werden oder als „Propagationssud“ Verwendung finden. Bedingt durch den vergleichsweise niedrigen pH-Wert sollte der Brauer jedoch den photometrischen Jodwert und den Endvergärungsgrad im Auge behalten.
Korbinian Haslbeck erläuterte den Einfluss von Hefestämmen und Hopfungstechnologien auf den Biercharakter. In seinen Versuchen mit ungehopften Bieren zeigte sich bereits eine starke Aromaausprägung von nelken- oder citrusartig bis hin zu fruchtig-würzig, je nach verwendetem Hefestamm. Hinzu kommt der Einfluss der Hopfensorte und des Hopfengabezeitpunktes, der sich seinen Vorstellungen nach noch deutlich stärker auf den durch den Hefestamm vorgegebenen Biercharakter abstimmen lässt. Bei Versuchen zur Kalthopfung unter Verwendung des Stammes TU 34/70 konnte er einen erheblichen Einfluss der Lagertemperatur (Kalthopfung bei 1 °C und 20 °C) sowie des Ethanolgehaltes auf den Transfer von Aromastoffen aus dem Hopfen analytisch nachweisen. pH-Werte in Bier zwischen pH 4,0, 4,4 und 4,7 zeigten keinen Unterschied bei den Aromastoffgehalten. Sensorisch machte sich bei den Versuchen lediglich der Einfluss des Ethanolgehaltes auf die Hopfenaromastoffe bemerkbar.
Welche Vielfalt bei den Hefestämmen existiert und welche davon für die Bierbereitung in Frage kommen, zeigte Tim Meier-Dörnberg. Nach dem Motto „Sag mir, welches Bier Du brauen willst, und ich nenne Dir die passende Hefe“ steht ein nahezu unbegrenztes Angebot an unterschiedlichen Hefen (Fremd-, Wild- und Kulturhefen) zur Verfügung. Für Meier-Dörnberg sind sie der Geschmacksmotor im Bier. Es gibt vielfältige Einflussmöglichkeiten auf die Aromaausprägung durch Kombinationen (Mischgärungen) oder auch durch Variation des Gabezeitpunktes oder Nachgärung. Die Hefen haben höchst unterschiedliche Gäreigenschaften in puncto Aromaspektrum oder Gärverhalten (Extraktabbau, pH-Sturz etc.) und müssen entsprechend behandelt werden. Dafür lassen sich aber – auch im Rahmen des Reinheitsgebotes – neue Biertypen mit außergewöhnlichen Aromaeindrücken herstellen.
Von LeoBavaricus bis Colonia
In diesem Zusammenhang wurden auch die neuen Namen der TUM-Hefestämme, die nach dem Vorbild der Hopfensortennamen ausgewählt wurden, vorgestellt. So heißt der weit verbreitete Stamm TUM 34/70 Frisinga, die Weißbierhefe TUM 68 LeoBavaricus, die Kölschhefe TUM 177 Colonia oder die Altbierhefe TUM 184 Vetus. Beschreibungen zu den einzelnen Hefestämmen finden sich auf der Homepage des Forschungszentrums. Eine gute Maßnahme, die von den Brauereien zu Marketingzwecken eingesetzt werden kann und sollte!
Keime verändern sich
Einen Überblick über die bisherigen mikrobiologischen Befunde im Jahr 2016 gab schließlich Dr. Mathias Hutzler. In den am Forschungszentrum untersuchten Proben waren Pectinatus haikarae (O2-tolerant), Megasphaera cerevisiae (Ethanol-tolerant), Brettanomyces anomalus/Dekkera anomala (Bierreste, langsam wachsend), Saccharomyces cerevisiae var. diastaticus (am Verschließer) oder der schleimbildende Lactobacillus rosiae (am Füller) im Weißbier vorgekommen. Die Gründe dafür sind höchst unterschiedlich. Neben geeigneten Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnissen sind auch Faktoren wie der Transfer von Resistenzgenen und Ausbildung von Resistenzen gegen Hopfen- oder Bierinhaltsstoffe dafür verantwortlich. „Keime verändern sich ständig“, sagte Dr. Mathias Hutzler, weswegen der physikalischen Reinigung mit Bürste und Schrubber nach wie vor ein hoher Stellenwert zukomme.
In einer der nächsten Ausgaben erfahren Sie mehr über das 11. Weihenstephaner Praxisseminar in Ingolstadt.
Quelle
BRAUWELT 45-46, 2016, S. 1345-1346
Veranstalter
- Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität, Freising-Weihenstephan