(v. l.) Bettina und Matthias Grall, Dr. Karl-Ullrich Heyse, Dr. Paul Panglisch, Prof. Dr. Hans- Michael Eßlinger, Dr. Marc Kusche, Dr. Jörg Lehmann, Prof. Dr.  Winfried Ruß (Foto: W. Josch)
06.04.2017

So schmeckt der VeW in Sachsen und Thüringen

In kleiner aber feiner Runde kamen am 10. Juni 2016 Mitglieder der Obmannschaft Sachsen-Thüringen im Verband ehemaliger Weihenstephaner der Brauerabteilung e.V. (VeW), München, im Bauereigasthof der Freiberger Brauhaus GmbH, Freiberg, zusammen, um miteinander unter dem Motto „So schmeckt der VeW in ...“ die Bandbreite der Biervielfalt in Sachsen und Thüringen zu entdecken.

Zu Beginn schilderte Prof. Dr. Michael Eßlinger, Sprecher der Geschäftsführung des Freiberger Brauhauses und Leiter der Obmannschaft, zunächst die Entwicklung der noch jungen Obmannschaft, die am 20. April 2001 im Freibergsdorfer Hammerwerk von acht ehemaligen Weihenstephaner Brauern gegründet wurde. Die Obmannschaft rekrutiert sich aus Absolventen, die berufsbedingt nach Sachsen und Thüringen kommen und ist inzwischen auf etwa 20 Mitglieder gewachsen.
In seiner kurzen Begrüßung ging Dr. Jörg Lehmann, Vorstand Technik Kulmbacher Brauerei AG, Kulmbach, und 1. Vorsitzender des VeW, kurz auf die Hintergründe dieser Veranstaltungsreihe ein, die die Biervielfalt in den jeweiligen Regionen zeigt, die Braukunst der ehemaligen Weihenstephaner unter Beweis stellt sowie dem Erfahrungsaustausch unter den VeW-Mitgliedern dienen soll. Äußerst erfreulich, so Dr. Lehmann, sei die Begeisterung, mit der die Weihenstephaner ihre Biere in den Obmannschaften präsentieren und damit beweisen, dass sie auf Geschmacksvielfalt setzen und nicht auf Vereinheitlichung. Durch den Abend führte Dr. Karl-Ullrich Heyse, Herausgeber der BRAUWELT.

(v. l.) Bettina und Matthias Grall, Dr. Karl-Ullrich Heyse, Dr. Paul Panglisch, Prof. Dr. Hans- Michael Eßlinger, Dr. Marc Kusche, Dr. Jörg Lehmann, Prof. Dr.  Winfried Ruß (Foto: W. Josch)


Sachsen zwischen Pils und Kaffee


Die Pils-Tradition geht in Sachsen bis weit zurück ins 19. Jahrhundert. Das Freiberger Brauhaus braute 1863 als erste Brauerei in Sachsen unter der Bezeichnung „Freiberger Böhmisch“ ein Bier nach Pilsner Art. In Radeberg, so Dr. Paul Panglisch, Betriebsdirektor Radeberger Exportbierbrauerei GmbH, Radeberg, wird seit 1872 ununterbrochen Pilsner gebraut. Als Tafelgetränk des sächsischen Königs Friedrich August III. erfuhr es bereits in den Anfängen des 20. Jahrhunderts eine hohe Würdigung und kam bald deutschlandweit zum Ausschank.


Sachsen hat in vielfältiger Hinsicht eine wichtige Rolle für die Entwicklung der deutschen Kaffeekultur gespielt, nicht zuletzt in der Erfindung und Verwendung des europäischen Porzellans für die höfische wie die bürgerliche Kaffeetafel und die Sitte des Nachmittagskaffees. Bereits 1694 wurde das Kaffeegetränk in Leipzig öffentlich ausgeschenkt. An diese Kaffeetradition in Sachsen knüpft die Edition No. 4 Wiener Kaffee der Landskron Brau-Manufaktur Görlitz Dr. Lohbeck GmbH & Co. KG, Görlitz, an, die als besonderes geschmackliches Erlebnis, vorgestellt von Matthias Grall, Geschäftsführer Produktion/Technik, den Genussabend beschloss und so den Kreis vom Pils zum Kaffee in Sachsen schloss (s. u.).

Prof. Dr. Hans- Michael Eßlinger lud zum Verkosten der Bierspezialitäten ein (Foto: asb)


Demonstration der Biervielfalt


Verkostet wurde eine Reihe von hervorragenden Gerstensäften, die die Biervielfalt der Regionen Sachsen und Thüringen demonstrierte. Den Anfang machte das Radeberg Pilsener, ein untergäriges Vollbier mit einem Stammwürzegehalt von 11,3 Prozent, einem Alkoholgehalt von 4,8 Vol.-Prozent und einem Kohlensäuregehalt von 0,53 Prozent. Der Bitterwert liegt bei 34 Einheiten. Die Hopfung (Bitterhopfen, Perle) erfolgt mittels zweier Gaben ausschließlich mit Pellets. Das Bier ist nahezu endvergoren. Das weiche Wasser stammt aus eigenem Brunnen. In der Farbe hell-gold mit feinsahnigem Schaum präsentiert sich das Bier mit sehr angenehmer, fein ausgeprägter Hopfenbittere, die sehr gut in die Malzaromatik eingebunden ist. Im Geruch und Geschmack lassen sich Noten von frischem Gras entdecken.


Das von Dr. Marc Kusche, Geschäftsführer Wernesgrüner Brauerei GmbH, Wernesgrün, vorgestellte Wernesgrüner 1436 erinnert an das Gründungsjahr der Brauerei, als die Brüder Schorer im Ort Wernesgrün das Recht zum Brauen und Schenken erhielten. Die Brauerei wurde 1994 privatisiert und gehört seit 2002 zur Bitburger Braugruppe GmbH, Bitburg. Die Brauerei hat einen Ausstoß von rund 700 000 hl/Jahr, 101 Mitarbeiter und sieben Auszubildende. Für Dr. Kusche vermittelt das Wernesgrüner 1436 höchsten Biergenuss, inspiriert von böhmischer Brauart. Bei der Kreation wurden die aktuellen Wünsche der Konsumenten aufgegriffen. Eingebraut wird das Bier seit Februar 2015 mit weichem Wasser aus den Quellen des Naturparks Erzgebirge-Vogtland mit Münchner Malz aus Sommergerste im klassischen 2-Maischverfahren. Gehopft wird mit Aromahopfen (Tradition und Perle) aus dem Elbe-Saale-Gebiet. Die Gärung und Reifung des untergärigen Vollbieres erfolgt kalt (10 °C/14 Tage im Eintankverfahren), die kalte Lagerung dauert zwei bis drei Wochen. Mittlerweile werden bereits 38 000 hl/Jahr gebraut. Damit, so Dr. Kusche, ist dieses Bier die erfolgreichste Neueinführung im Osten und eine der erfolgreichsten bundesweit. Der Stammwürzegehalt des untergärigen, filtrierten Vollbieres liegt bei 11,8 Prozent, der Alkoholgehalt bei 4,9 Vol.-Prozent, die Farbe bei 17 EBC, die Bittere bei 27 Bittereinheiten. Bei diesem Bier handelt es sich um ein ausgewogenes, schlankes Vollbier mit kristallklarer Bernsteinfarbe und hellem, feinporigem Schaum mit feinen Nuancen und intensivem Malzgeschmack. Der würzige Duft nach reifem Getreide wird abgerundet durch feine Malzaromen sowie einen Hauch von Bergkräutern. Der Geschmack ist ausgewogen mit feiner Rezenz. Die malzige Süße ist sehr gut mit zartbitteren Karamell- und Kräuternoten verwoben. Die dezente Hopfenbittere verleiht dem Bier eine ansprechende Raffinesse. Die Verkostungsrunde war sich einig: „Ein Bier zum dran bleiben“.

 

Gourmetbier


Bei der Edition Nr. 2 aus der Landskron Brau-Manufaktur Görlitz, vorgestellt von Bettina Grall, handelt es sich um ein naturbelassenes Gourmetbier – ein unter Einsatz von Portwein-Hefe gebrautes Starkbier. Die Brauerei wurde 1869 gegründet. Heute ist sie, nach wechselhafter Geschichte, eine Privatbrauerei im Eigentum einer Stiftung. Der Jahresausstoß liegt bei rund 150 000 hl, die Zahl der Mitarbeiter liegt aktuell bei 70. Gebraut werden unter- und obergärige Biere, insgesamt 12 Sorten ganzjährig – plus drei limitierte Editionen, jeweils ein Sud pro Jahr. Alle Biere werden offen vergoren und im Satteltank mit Raumkühlung gelagert. Das tiefdunkle, naturtrübe Starkbier in limitierte Sonderauflage hat einen Stammwürzegehalt von 21 Prozent und einen Alkoholgehalt von 7,5 Vol.-Prozent sowie 18 Bittereinheiten. Die Portwein-Hefe ist, laut Bettina Grall, eine beliebte Weinhefe. Der Name bezieht sich auf die Herkunft der Heferasse und nicht auf Vergärung eines speziellen Weines. Die obergärige Hefe liebt Gärtemperaturen von über 20 °C. In Görlitz wird sie bei 30 °C eingesetzt. Die Portwein-Hefe sorgt in Verbindung mit dem vollmundigen Malzkörper für würzige, kräftige Aromen, für eine leichte, angenehme Säure, gut abgestimmt mit einer ansprechenden Restsüße, einem leicht metallischen, fruchtigen (Aprikose) Geschmack sowie einer dezenten Sherrynote. Die Vollmundigkeit wird durch die höheren Gehalte an Dextrinen bestimmt. Das Bier passt bestens zu Wild-, Rind- und Gans-Gerichten. Es zeichnet sich darüber hinaus durch eine hohe Drinkability aus und steht für einen äußerst hohen Biergenuss. Zielgruppe sind neugierige Genießer. Man will durchaus im Weinbereich „wildern“. Der Verkaufspreis wird mit 8 EUR/0,75-l-Bügelverschlußflasche angegeben. Genießen sollte man Edition Nr. 2 bei einer Trinktemperatur von 14 bis 15 °C, am besten im eigens angebotenen 0,3-l-Gourmetglas.

Das naturtrübe Starkbier wird mit Portwein-Hefe eingebraut (Foto: asb)


Bockbier aus Freiberg


Das Freiberger Brauhaus geht zurück auf den 1850 gegründeten „Commun-Brauhof zu Freiberg“. Nach der Enteignung der Besitzer im Jahre 1948 wurde die Brauerei zum Volkseigenen Betrieb und später in das VEB Getränkekombinat Karl-Marx-Stadt eingegliedert. Nach der Wende wurde der Betrieb von den Eichbaum-Brauereien AG, Mannheim, übernommen und ging 2000 in der Actris AG des SAP-Gründers Dietmar Hopp auf. In dieser Zeit entstanden die neuen Betriebsanlagen am nördlichen Stadtrand. Seit 1. Januar 2006 gehört das Freiberger Brauhaus zur Radeberger Gruppe KG, Frankfurt/Main, und kommt auf einen Jahresausstoß von rund 810 000 hl. Andreas Schießl, 1. Braumeister des Freiberger Brauhauses, präsentierte das dunkle Freibergisch Bockbier (130 Farbeinheiten), eingebraut mit dem weichen Wasser aus der Grimnitzquelle im Erzgebirge mit 4° Deutscher Härte und mit Malz aus Sachsen, Thüringen und Bayern sowie mit dem Spezialmalz Weyermann Caramünch, das den runden, vollmundigen Körper dieser Spezialität unterstreicht. Die Hopfen stammen aus Bayern, Tschechien und dem Saale-Unstrut-Gebiet. Der Stammwürzegehalt liegt bei 16,5 Prozent, der Alkoholgehalt bei 7,1 Vol.-Prozent, der Bitterwert bei 24 Einheiten. Das vollmundige Bier besitzt einen kräftigen Körper, ohne aber mastig zu sein. Im Gegenteil, die Drinkability ist für ein Bockbier sehr hoch. Der Gesamteindruck ist durchaus harmonisch. Auch im Nachtrunk treten keine bitter-kratzigen oder gar brenzligen Noten auf. Das Bier bleibt „glatt bis zum Schluss“. Laut Schießl, entwickelt dieser Bock aus der Flasche bei sachgemäßer Lagerung noch sehr ansprechende Aromen in Richtung Sherry.

Treffpunkt der Obmannschaft Sachsen-Thüringen war der Bauereigasthof der Freiberger Brauerei (Foto: asb)


Die limitierte Sonderauflage Edition Nr. 4 Wiener Kaffee ist eine starke, unter Verwendung von echtem gemahlenem Wiener-Röst-Kaffee eingebraute Spezialität aus der Landskron Brau-Manufaktur. Das tiefschwarze untergärige Craft Bier (70 EBC) hat einen Stammwürzegehalt von 21 Prozent und einen Alkoholgehalt von 8 Vol.-Prozent. Der Kaffee wird im Lagertank für 48 Stunden zugesetzt („Kaffee-gestopft“). Diesem klassischen Starkbier werden so feine Noten von Kaffee hinzugefügt. Der kräftige und biertypische Malzkörper (Münchner Malz) in Verbindung mit der eleganten Kaffeenote erinnert an die traditionelle Kaffeehauskultur. Dazu passen, so Matthias Grall, nicht nur süße Speisen, sondern auch scharfe und pikante. Dieses Bier sollte man bei 14 - 15 °C aus dem Gourmetglas genießen.


Vielfältige Geschmackseindrücke aus der Region


Selbst die zahlenmäßig doch recht kleine VeW-Obmannschaft Sachsen-Thüringen konnte an diesem Abend in Freiberg eine beachtliche Geschmacksvielfalt demonstrieren. Das beweist, dass die Zeiten der Vereinheitlichung der Verfahren und der Geschmacksausrichtung in der deutschen Braubranche mittlerweile wohl doch vorbei sind und sich die Braukunst der Brauereitechniker vor Ort immer mehr durchsetzt. Die Bierlandschaft in Deutschland, das zeigt diese Veranstaltungsreihe immer wieder deutlich, wird immer bunter und abwechslungsreicher. Bier und sein Geschmack ist in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes. Für den Bierliebhaber und Genießer bleibt die berechtigte Hoffnung, dass dieser Trend auch über das Jubiläumsjahr hinaus anhält.

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